Die bisher unternommenen Anstrengungen, um die Klimakrise zu bewältigen, reichen nicht. Diesen Mahnruf setzt Papst Franziskus in seinem neuen Schreiben „Laudate Deum“ ab. Es erschien am Gedenktag des Hl. Franz von Assisi, 4. Oktober. Franziskus bietet darin auf 65 Seiten seine moralische Autorität als Oberhaupt der katholischen Weltkirche auf, um „alle Menschen guten Willens“ und besonders die Politik zu mehr Anstrengungen für Mensch und Umwelt zu veranlassen.
In einem sehr klaren Tonfall wendet sich der Papst gegen das Kleinreden der Klimakrise, die er in „Laudate Deum“ einmal mehr als vom Menschen verursacht (11) bezeichnet. Bestimmte „abschätzige und wenig vernünftige Meinungen“ finde er diesbezüglich selbst bei katholischen Gläubigen (14), und das sei mit ein Grund für sein neuerliches Schreiben acht Jahre nach seiner Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato Si“. Franziskus nennt eine Reihe von Klimafakten: der rasante Temperaturanstieg, das Schmelzen der Gletscher, die Versauerung der Meere. Nur ein „winziger Prozentsatz“ der Klimafachleute sähen keinen Zusammenhang mit dem Anstieg der vom Menschen emittierten Treibhausgase. Bedauerlicherweise, so der Papst, interessiere das „die großen Wirtschaftsmächte“ kaum, sie achteten auf „den höchstmöglichen Profit zu den geringstmöglichen Kosten und in der kürzestmöglichen Zeit“ (13).
Mensch gefährdet sein eigenes Überleben
Franziskus ruft infolgedessen alle dazu auf, „unseren Umgang mit der Macht“ zu überdenken (24). Die Umwelt dürfe nicht einfach Objekt der Ausbeutung sein, schließlich sei auch der Mensch selbst Teil der Umwelt (26). Zugleich gefährde der Mensch heutzutage sein eigenes Überleben. Man möge doch bitte erkennen, „dass unsere Macht und der Fortschritt, den wir erzeugen, sich gegen uns selbst richten“, so der Papst eindringlich (28).
Lösung? Gute Politik
Wo aber ist die Lösung? Sie liegt für Franziskus, mehr noch als in einer noch so ehrbaren Änderung des persönlichen Lebensstils vieler einzelner Individuen, in der Politik (69). Unumgänglich ist aus der Sicht des Papstes eine überstaatliche Zusammenarbeit, kurz: Multilateralismus. Der allerdings gehöre reformiert, sodass Entscheidungen in Zukunft nicht so sehr von oben, sondern von unten kommen. „Die Forderungen, die überall auf der Welt von unten kommen, wo sich engagierte Personen aus den unterschiedlichsten Ländern gegenseitig helfen und begleiten, können letztlich Druck auf die Machtverhältnisse ausüben. Es ist zu hoffen, dass dies im Hinblick auf die Klimakrise geschieht“ (38). Auch eine multilaterale Diplomatie mahnt Franziskus an.
In einem eigenen Kapitel (44-52) lässt der Papst die bisherigen Klimakonferenzen Revue passieren. Lobend erwähnt er die COP21 in Paris von 2015, die Konferenz, vor der er „Laudato Si“ veröffentlichte. Aber nicht alle Pariser Beschlüsse seien verpflichtend für die Staaten gewesen, und es waren auch keine Strafen für das Nichterfüllen von Verpflichtungen vorgesehen, benennt der Papst die Mängel der Beschlüsse. Die darauf folgenden Klimakonferenzen seien aber noch schwächer gewesen. Von der bevorstehenden COP28 in Dubai hofft der Papst inständig, dass sie zu einer echten Energiewende führt, deren Maßnahmen erstens wirksam, zweitens verpflichtend und drittens leicht überwachbar sein müssen (59). Jene, die sich in Dubai einbringen, mögen dazu fähig sein, „an das Gemeinwohl und an die Zukunft ihrer Kinder zu denken statt an umstandsbedingte Interessen einiger Länder oder Unternehmen. Mögen sie auf diese Weise den edlen Charakter der Politik sichtbar machen und nicht deren beschämende Züge.“ (60)
Neue Formen von Klimaprotesten hält Fanziskus für legitim
Und noch ein Punkt, der dem Papst am Herzen liegt: Schluss mit dem Lächerlichmachen der Sorge um das gemeinsame Haus. „Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, ,Grünes´, Romantisches darstellt“; Franziskus mutmaßt hinter solchem Spott sogar „wirtschaftliche Interessen“, führt den Gedanken aber nicht weiter aus. Jedenfalls: Die Klimakrise betreffe alle und erfordere deshalb die Beteiligung aller. Neue Formen von Klimaprotesten hält Franziskus deshalb für legitim. Entsprechende Gruppen, die auch am Rand von Klimakonferenzen auftreten, füllen nach den Worten des Papstes „eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden ,Druck´ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.“ (58)
Franziskus liefert dann den eigenen Gläubigen eine Handvoll biblischer Argumente, sich aus durch und durch katholischen Gründen für den Schutz des gemeinsamen Hauses (62-65) einzusetzen. Vor allem dieses: „Gott hat uns mit allen seinen Geschöpfen verbunden“ – nochmals also der schon in Laudato Si entwickelte Gedankengang, dass alles mit allem verbunden ist. Skeptisch sieht Franziskus in „Laudate Deum“ daher den traditionellen Verweis auf den Menschen als „Krone der Schöpfung“, ausgestattet mit einem Recht, die Erde rücksichtslos auszubeuten.
Krone der Schöpfung? Mehr Demut, bitte
Es ist zwar richtig, schreibt der Papst, dass die jüdisch-christliche Weltanschauung den „besonderen und zentralen Wert des Menschen inmitten des wunderbaren Konzerts aller Lebewesen“ hervorhebt. Aber heute könne man eigentlich nur von einem „situierten Anthropozentrismus“ sprechen. „Das heißt, wir müssen anerkennen, dass das menschliche Leben ohne andere Lebewesen nicht verstanden und nicht aufrechterhalten werden kann.“ (67) Einen auf sich allein gestellten, „allmächtigen, unbegrenzten Menschen“ könne es nicht geben, schreibt Franziskus. Der Mensch müsse sich heute „auf eine demütigere und umfassendere Weise“ begreifen.
Gudrun Sailer (4. Oktober 2023), www.vaticannews.va/de, In: Pfarrbriefservice.de
Zum Weiterlesen:
- Der Wortlaut des apostolischen Schreibens „Laudate Deum“
- Zehn Kernsätze daraus