Alawiten und Aleviten

Strömungen im Islam (4)

Von den Schiiten haben sich zwei Richtungen abgespalten, die Aleviten in der Türkei und die Alawiten in Syrien. Sie leiten sich wie die Schiiten von dem Schwiegersohn des Propheten her, der Ali hieß. Im Unterschied zu den Schiiten geben sie Ali eine Vermittlerposition zwischen Mensch und Gott und nähern ihn damit Jesus an, der ausdrücklich in der Bibel als Mittler zwischen Gott und Mensch spricht und handelt. Beide Richtungen haben den Frauen eine gleichberechtigte Stellung gegeben.

Frauen sind gleichberechtigt

Die syrischen Alawiten unterscheiden sich von den türkischen Aleviten. Erstere kann man mehr esoterischen Richtungen zuordnen. Sie wurden im 9. Jahrhundert im Irak durch Muhammad Ibn Nusair gegründet und heißen deshalb auch Nusairiya. Nusairs Lehre ist eine mythische Erklärung von der Entstehung der Welt, in der dem Vetter des Propheten, Ali, übermenschliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Sie haben sich vom Islam entfernt, insofern die fünf Gebetszeiten dieser Religion nicht strikt befolgt werden und die Frauen gleichberechtigt sind.

Das zentrale Ritual ist die Versammlung der Gläubigen, an der Frauen genauso wie Männer teilnehmen und Alkohol getrunken wird. Im Laufe der Geschichte tendierten die Alawiten zum Synkretismus, indem muslimische mit christlichen und anderen religiösen Ideen verbunden wurden. Die Alawiten glauben daran, dass die Offenbarung durch Mose, Jesu und Ali vermittelt wurde. Sie glauben an die Prä-Existenz Alis. Er kann im heutigen Leben seinen Anhängern durch die Vermittlung des Heiligen Geistes erscheinen.

Weniger an den Rechtsnormen des Koran orientiert

Während die Alawiten in Syrien die bestimmende Religionsgemeinschaft sind, sind die Aleviten in der Türkei eher an den Rand gedrängt. Diese Richtung des Islam entstand später im 13./14. Jahrhundert im Osten der Türkei. Da die Aleviten durch die Verehrung Alis den Schiiten in Persien näher stehen, wurden sie von der sunnitischen Mehrheit unterdrückt. Anders als der sunnitische Islam sind sie weniger an den Rechtsnormen des Korans orientiert, sondern suchen Erleuchtung durch ein Leben in Bescheidenheit und Nächstenliebe. Aleviten sind nicht verpflichtet, ihre Gebete zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verrichten, sie müssen auch keine rituellen Vorschriften befolgen. Ihre Gebete verrichten Männer und Frauen zusammen. Sie kennen auch ein Sündenbekenntnis. Fasten haben sie auch. Während des Fastens dürfen sie nur einmal jeden dritten Tag etwas essen. Bei ihnen können auch Frauen Oberhaupt der Familie werden.

Gelten den Sunniten als vom Glauben abgefallen

Die Alawiten wie die Aleviten werden als progressiver betrachtet, weil bei ihnen Frauen die gleichen Rechte haben wie die Männer. Die Zwölfer-Schia, der die meisten Schiiten angehören, ist dagegen konservativ und klerikal, weil bei ihnen ihr „Klerus“ – die Imame das Sagen haben.
Vertreter der sunnitischen Orthodoxie betrachten Alawiten und Aleviten als Häretiker und Apostaten.

Vladimir Pachkov, In: Pfarrbriefservice.de

Vladimir Pachkov (geb. 1972) ist ein russischer Jesuit. Er ist schon als Kind mit dem Islam in Berührung gekommen, hat in Ägypten arabische Sprache und Islamwissenschaften studiert und hat in Kirgisien gearbeitet.

s. auch die Reihe „Christentum und Islam im Vergleich“

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