Corona, die Kirche und der Synodale Weg

Impuls für Regionalkonferenzen: Pandemie hat den kirchlichen Problemstau eher noch verschärft

COVID-19 hat unser aller Leben verändert. Bildung und Schule, Wirtschaft und Kultur stehen vor enormen Herausforderungen. Das Gesundheitssystem musste in kürzester Zeit angepasst werden. Im zwischenmenschlichen Bereich ist das Abstandsgebot eine große Herausforderung. Menschen halten Distanz zueinander, größere Menschenansammlungen müssen vermieden werden. Die Kirchen treffen diese Erfordernisse ins Mark. Denn die Versammlung zum Gottesdienst, das schulische Miteinander und die menschliche Nähe in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern mussten binnen kürzester Zeit radikal eingeschränkt werden. Manches ließ sich ins Digitale auslagern. Es sind viele kreative Formate entwickelt worden, auf neue Weise Kirche zu sein. Doch wer Schmerzen hat oder im Sterben liegt, braucht Nähe und Berührung. Eine Krankensalbung kann man nicht per Videokonferenz feiern. Ob Messe, Taufe oder Trauung: Es braucht die physische Versammlung. So vielfältig die Partizipationsmöglichkeiten via Internet sind – ein „Like“ ist kein „Amen“. Kinder in prekären Familienverhältnissen, alleinstehende Erwachsene oder Menschen, denen die Pandemie Arbeit und Einkommen genommen hat, brauchen direkte Hilfe und Zuwendung von Mensch zu Mensch.

Vier Beobachtungen

Was macht die Pandemie mit dem Synodalen Weg? Dazu haben die Professor/inn/en Hoff (Salzburg), Knop (Erfurt) und Söding (Bochum) einen Impuls gegeben, der Anfang September 2020 in die Aussprache der Regionalkonferenzen des Synodalen Wegs eingeflossen ist. Sie haben vier Beobachtungen eingebracht: 1. Corona verschärft die Glaubwürdigkeitskrise der römisch-katholischen Kirche. Denn die Ausnahmesituation wirkt wie ein Brennglas. Sie legt frei, welche Ressourcen da sind und welche nicht: welche Möglichkeiten, vom Glauben zu sprechen, den Glauben zu leben und zu feiern. 2. Die Kirche muss auch in Corona-Zeiten öffentlich präsent sein: präsent, aktiv und kreativ, nicht nur, indem sie Systemrelevanz behauptet, sondern indem sie wirklich einen relevanten Beitrag für Mensch und Gesellschaft leistet. 3. Die Corona-Krise hat Reformkräfte in der Kirche freigesetzt: Junge Leute und Familien, haupt- ehrenamtliche Laien wurden erfinderisch und haben neue Wege, Kirche zu sein, entwickelt. Dieses Neue soll man nicht zurückdrängen, sollte einmal wieder Normalzustand herrschen. Kurz: 4. Die Reformimpulse des Synodalen Weges sind dringender denn je. Die Pandemie hat den kirchlichen Problemstau in Fragen der Macht, des Priesterbildes, der Rollen von Frauen und dem Verständnis gelingender Beziehungen in der Kirche nicht verringert, eher noch angeschärft. Eine neue Glaubenskultur ist dringender denn je: „Sie steht im Zeichen der Freiheit und der Verantwortung. Sie setzt auf Anteilnahme und Teilhabe. Sie plädiert für die Vielfalt des Glaubens, weil sie die Fülle der Gnade entdecken will. Sie stärkt die Kooperation um der Einheit der Kirche willen“ – so heißt es im Papier.

Julia Knop, In: Pfarrbriefservice.de

Dr. theol. Julia Knop (geb. 1977) ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt und Mitglied der Synodalversammlung sowie des Synodalforums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“.

Der Synodale Weg

Der Synodale Weg ist ein Gesprächsprozess innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll der Aufarbeitung von Fragen dienen, die sich im Herbst 2018 nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie über sexuellen Missbrauch in der Kirche ergeben haben. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verantworten gemeinsam diesen Prozess, der auf zwei Jahre angelegt ist und am 1. Dezember 2019 eröffnet wurde. www.synodalerweg.de

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Text: Julia Knop
In: Pfarrbriefservice.de