Das Kinderbuch „Das Abrakadabra der Fische“

Eine Rezension von Markus Tomberg

Vonkie verbringt die Maiferien beim Großvater auf dem Polder an der Küste. Weil ihre Eltern Streit haben, ihre Beziehung klären wollen und das Aquarium des Vaters zerbrochen ist. Vonkie darf dort im Gästezimmer wohnen. Das ist ein Dachbodenraum voller Gerümpel und Fotos. Das scheint so uninteressant, dass sogar Jesus, der am Kreuz über der Tür hängt, fast vor Langeweile stirbt. Doch es kommt anders.

Denn Vonkie erfährt zu den alten Bildern Kindergeschichten ihres Großvaters. Der wurde als Kind Eisen genannt, weil er so stur sein konnte. Und er war unzertrennlich mit Beule, seinem Bruder Gisbert, der immer irgendwelche Kratzer oder blaue Flecken hatte. Und neben allerhand Abenteuern, wie das vom angesägten Scheißbalken oder das von den Hühnern im Kalkfass, erzählt Opa Eisen auch von der alten Mühle: dem Ort mit dem großen Geheimnis.

Johanna hat hier gelebt und Opa Eisen war einmal unsterblich in sie verliebt. Geheiratet aber hat Johanna seinen Bruder Beule-Gisbert. Mit ihm floh sie später nach Neuseeland: Die Enge des Dorfes, in dem alle lebten, bot damals keinen Platz für sie. Vor allem aber war hier kein Raum für Johannas Vater, der so gern des Nachts in Frauenkleidern tanzte.

Und dann erfährt Vonkie auch von Mathilde. Sie war die einzige Schwester von Großvater, Beule und ihren fünf weiteren Brüdern. Und sie war das größte Geheimnis. Niemand hatte von ihr gesprochen, seit sie im Querkanal ertrunken war – und Eisen hatte nie von ihr erfahren. Als Beule-Gisbert seinem Bruder Eisen von Mathilde erzählt, zerbricht etwas zwischen den Brüdern. Heißt deshalb Vonkies Mutter Tilda?

Vonkie findet heraus, dass Beule-Gisbert schwer krank ist und bald sterben wird. Noch einmal möchte er nach Hause kommen. Alle Brüder will er treffen, nur Eisen nicht. Zu schwer wiegt das Zerwürfnis der Brüder.

Doch, dass der Tod das Schweigen, den Bruch zwischen den beiden Brüdern endgültig werden lässt, will Vonkie nicht hinnehmen. Tatsächlich gelingt es ihr, die beiden wieder zueinander zu bringen: Wenigstens ein Konflikt soll gelöst, ein Schweigen gebrochen werden. Schließlich hat auch Beule-Gisbert eine Tochter, die Mathilda heißt.

Ob es Hoffnung gibt, dass auch Vonkies Eltern wieder einen gemeinsamen Weg finden - ohne Fische und Aquarium? Ob es ein Abrakadabra gibt, das das Schweigen beendet? Ob Jesus, der immer noch etwas gelangweilt an dem Kruzifix über der Tür im Gästezimmer hängt, auch da eine Lösung sieht?

Simon van der Geest erzählt eine Ferien- und Erinnerungsgeschichte für Kinder ab circa zehn Jahren. Und er zeigt ganz nebenbei, wie Versöhnung gelingen kann. Wenn Menschen sich ihrer Lebensgeschichte und ihren Lebenslügen stellen, wird vieles möglich. Doch dazu braucht es den Mut, über den langen Schatten der Vergangenheit zu springen, und ein wenig Hilfe: Von Enkelkindern wie Vonkie. Oder auch von Jesus, dem sonst in dem alten verlassenen Gästezimmer wirklich sterbenslangweilig wird.

Bibliografische Daten:

Das Abrakadabra der Fische
Simon van der Geest, übersetzt von Mirjam Pressler
Erscheinungstermin 2019
Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
ISBN: 978-3-522-18484-7
320 Seiten, Gebunden
ab 10 Jahre
15,00 EUR

Markus Tomberg, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Markus Tomberg
In: Pfarrbriefservice.de