Die Hanafiten

Strömungen im Islam (6)

Muslime, die auf die Scharia pochen und eine möglichst wortgetreue Auslegung fordern, bestimmen das Gesicht des Islam, geben aber nicht die Einstellung der Mehrheit der Moslems, z.B. in Europa wieder.

Die am weitesten verbreitete Rechtsschule des Islam

Diese folgen eher einer moderaten Rechtsschule, die auf den Gelehrten Abu Hanifa an-Nu‘man ibn Thābit (699-767) zurückgeht. Sie werden daher Hanafiten genannt. Diese Schule ist eine von vier allgemein in der muslimischen Gemeinde (Umma) anerkannten Rechtsschulen.  

Mehr Freiraum für Rechtsgelehrte

Sie wird als relativ „liberal“ eingeschätzt, da sie der Meinungsbildung der Rechtsgelehrten mehr Freiraum gibt, die so ihre Entscheidungen auf die Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft anpassen können.

Der größte Unterschied dieser Schule im Vergleich zu den anderen besteht darin, dass für die Hanafiten die Tradition als Quelle des Rechts, also der Rückgriff auf die Entstehungsphase des Islam, nicht so wichtig ist. Sie stellen Analogien her und sehen in der allgemeinen Akzeptanz einer Rechtslehre in der islamischen Umma, praktisch der Gemeinschaft der Rechtsgelehrten, ein Zeichen der von Gott gewollten Wahrheit. Auf diese Weise hat diese Schule vier Quellen der Rechtsfindung etabliert: den Koran, die Tradition des Propheten (Hadith), Ijma – die Übereinstimmung der Rechtsgelehrten und Qiyas – Analogie, Vergleich. Da die vergleichende Analogie ein Prinzip der Rechtsfindung darstellt, ist die Raa'y – die persönliche Auslegung durch den einzelnen Richter möglich. Auch haben die Hanafiten lokale Bräuche (adat) als mögliche Rechtsquelle in den verschiedenen Regionen der Welt akzeptiert.

Osmanen sorgten für Verbreitung

Der Gründer Abu Hanifa hat keine Bücher hinterlassen. Wenige kleine Arbeiten, die ihm zugeschrieben werden, beschreiben nur wichtigste Prinzipien seines Rechtsdenkens. Seine geistige Erbschaft wurde mündlich an seine Schüler tradiert, die seine Lehre erst systematisch verarbeitet und niedergeschrieben haben. So ist Abu Hanifa dank seiner Schüler zum Gründer einer der bekanntesten Rechtsschulen im Islam geworden.

Ihre Verbreitung hat die Schule vor allem den Osmanen zu verdanken, die sie in ihrem riesigen Reich durchgesetzt haben. Heutzutage ist diese Schule vor allem in der Türkei, in Zentral-Asien, in den Teilrepubliken Tatarstan und Baschkortostan der Russischen Föderation, in Pakistan, Nord-Ägypten und auf dem indischen Subkontinent verbreitet.

Vladimir Pachkov, In: Pfarrbriefservice.de

Vladimir Pachkov (geb. 1972) ist ein russischer Jesuit. Er ist schon als Kind mit dem Islam in Berührung gekommen, hat in Ägypten arabische Sprache und Islamwissenschaften studiert und hat in Kirgisien gearbeitet.

s. auch die Reihe „Christentum und Islam im Vergleich“

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Die Hanbaliten sind zur einflussreichsten Strömung im Islam geworden. Sie vertreten eine möglichst wortgetreue Koranauslegung, die auch die Regelung des Alltags und des Politischen beansprucht. Damit folgt die Schule der juristischen Koranauslegung.

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Die Sunniten sind die Mehrheit der Muslime, etwa 85 Prozent. Sunna heißt Tradition des Propheten. Die Sunniten beziehen sich auf die vier islamischen Rechtsschulen, die Hanafiten, die Malikiten, die Hanbaliten und Schafi’iten, die sich im 9. Jahrhundert gebildet haben.

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Das Wort Schiiten leitet sich von Schia, die Partei her. Gemeint ist die Partei des Vetters und zugleich des Schwiegersohns Mohammeds, Ali, der nach dem Tod Mohammeds sein Nachfolger werden wollte. Die Gemeinde hat aber den Weggefährten des Propheten, Abu Bakr, zum Kalifen gewählt.

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Von den Schiiten haben sich zwei Richtungen abgespalten, die Aleviten in der Türkei und die Alawiten in Syrien. Sie leiten sich wie die Schiiten von dem Schwiegersohn des Propheten her, der Ali hieß.

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Im Islam suchten schon von Anfang an Männer und auch Frauen, denen die legalistische Auslegung des Glaubens nicht genügte, eine persönliche Beziehung zu Gott. Sie verlangten nach Gottesliebe und einem Leben in Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer.

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Neue Textreihe beleuchtet Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam

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Text: Vladimir Pachkov
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