"Gott ist ein Liebhaber von Gärten"
Eine Ansprache zum Thema Gott und Garten. Von Pfarrerin Berthild Boueke
[…] Als ich diese Andacht vorbereitete, machte ich eine überraschende Entdeckung. Mir wurde zum ersten Mal so richtig klar, wie tief Gott und Garten, Garten und Gott eigentlich zusammengehören. Ist Ihnen das schon einmal so richtig zum Bewusstsein gekommen? Die Welt, wie Gott sie gemeint hat, so stellten es sich jedenfalls die biblischen Menschen vor, ist nichts anderes als ein einziger großer Garten. So war es ursprünglich um die Welt bestellt, als sie noch ganz dem Herzen Gottes entsprach. Als ein Paradiesgarten war sie geschaffen. Und so wird sie sich am Ende der Zeiten wieder darstellen, wenn das Böse überwunden ist und Gottes Reich sich durchgesetzt hat; als ein unbedrohter, immerwährender und fruchtbringender Garten (Offenbarung 22,2).
Ort der Versöhnung
Und noch mehr, der Garten gilt nicht nur als Urbild und Zielgestalt der Welt, es ist auch der Ort, an dem geschieht, was Gott und Mensch aus der unheilvollen Entfremdung wieder zusammenführt. In einem Garten, dem Garten Gethsemane, willigt Jesus ein, alles von Menschen gewaltsam verschuldete unabwendbare Leiden auf sich zu nehmen und zu tragen. In einem Garten begegnet der Auferstandene am Ostermorgen Maria Magdalena und sieht einem Gärtner zum Verwechseln ähnlich. Und wenn wir an das liebste Weihnachtslied der Deutschen denken, so ist es eine Rose, mit der das neugeborene Christuskind verglichen wird. Wenn Sie erst einmal ins Nachsinnen kommen, wird Ihnen noch manches einfallen zu Gott und Garten, Garten und Gott.
Ort des Trostes
Was macht das Geheimnis aus, was Menschen veranlasst, Gott und Garten, Garten und Gott so eng miteinander verbunden zu sehen? Beim Suchen nach seinen Spuren kamen mir als erstes ein paar beeindruckende Gespräche mit alten Menschen in den Sinn, die sich allmählich vom Leben verabschiedeten und bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie mit sich und diesem Abschied ins Reine gekommen sind. Mir fiel auf, wie oft und wie liebvoll gerade sie von ihrem Garten sprechen und wie viel er ihnen bedeutet. Der Garten ist im Laufe der Jahre für sie zum Inbegriff vom Leben und seiner Schönheit geworden. Er bekommt für sie etwas Tröstliches, Erholsames, Belebendes, Hoffnungsvolles. Der Garten ist ihnen geblieben, als sie ihren Beruf verloren haben und die Kinder aus dem Haus gegangen sind. Das Leben im Garten regt sich neu wie von selbst, auch wenn ihre eigenen Kräfte nachlassen, und er gestattet ihnen gleichzeitig, das beizusteuern, was sie noch leisten können. Der Garten zeigt ihnen, dass alles im Leben vergänglich ist, und tröstet sie zugleich damit, dass es auch immer wieder neu entsteht. Im Garten kommen sie zur Ruhe und schöpfen neue Hoffnung.
Gärten versöhnen Natur und menschlichen Geist
Ja, mir scheint, dass ein Garten nicht nur für alte Menschen, sondern für Menschen jeden Alters mit einem Gespür für Lebendiges etwas Versöhnliches, Friedvolles an sich hat. Ein lebendiger Garten setzt ja eine Versöhnung voraus, die Versöhnung von Natur und menschlichem Geist. Ein Garten entsteht, wo wachsende Natur und gestaltende Phantasie harmonisch zusammenwirken. Und mir scheint, dass gläubige Menschen deswegen Gott und Garten, Garten und Gott so nah beieinander sehen, weil sie spüren: Dieses wachsende naturhafte Leben, dieser gestaltende menschliche Geist und ihr gegenseitiges harmonisches Aufeinandereinwirken ist keine Selbstverständlichkeit und auch nichts von Menschen Machbares. Sie sind eigentlich ein Wunder, die einen Ursprung, eine Quelle haben, die vor und außer uns ist. Und dieses Wunder ist für sie nicht weniger als ein Ausdruck und ein Ergebnis göttlicher Liebe.
Der Mensch heute rivalisiert mit der Natur
Gärten sind Ausdruck von schöpferischer göttlicher Liebe und Gott ist ein Liebhaber von Gärten. Dieser Gott wünscht sich Menschen, die an Gärten ihre Freude haben und dankbar für sie sind. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht in unserer Zeit. Im Gegenteil, unsere Kultur ist eine Kultur, in der sich der Mensch nicht mit der Natur aussöhnen und mit ihr zusammenarbeiten will. Er rivalisiert mit ihr, er möchte sich am liebsten von ihr unabhängig machen, sich ihrer bemächtigen, sie besitzen, ausbeuten, an ihr bereichern. Das Ergebnis einer solchen Kultur sind keine blühenden, fruchtbringenden Gärten, in denen das Leben beheimatet ist; Gärten, wo Kinder spielen, Liebespaare sich ihrer Liebe vergewissern, Familien ihre Nahrung finden und Alte sich trösten. Was aus einer solchen Kultur herauskommt, ist eine Kultur lebloser, gewinnbringender Maschinen und verödender, vergifteter Landstriche, in der ein Teil der Menschheit sich immer mehr bereichert und der andere bis zum Verhungern verarmt. So hat Gott sich seine Welt nicht vorgestellt und gewollt. Er möchte nicht, dass wir Leben gegen Besitz eintauschen und die Liebe mit beherrschender Ausbeutung verwechseln.
Ort der Liebe zum Leben
Er möchte, dass wir das Leben lieben mit seiner Schönheit und seiner Freude, es auf uns nehmen mit seiner Vergänglichkeit und seinem Schmerz und nach einem Trost Ausschau halten, den er für uns bereithält. Er möchte eine lebensfreundliche Kultur und keine lebensfeindliche. Er möchte seine Welt als einen Raum, in dem Leben beheimatet ist und ausgelebt wird, und nicht als eine Öde, aus der sich das Leben leise, aber stetig verflüchtigt. Ob unsere Welt überlebt, wird davon abhängen, wie viel Liebe zum Leben unter uns Menschen lebendig bleibt. Und ich kann mir keinen schöneren und sinnvolleren Ort vorstellen, um diese Liebe zum Leben zurück zu gewinnen und sie unter uns wachsen, blühen und gedeihen zu lassen, als einen Garten. […]
Pfarrerin Berthild Boueke
Ansprache bei einer Andacht auf der Landesgartenschau Rheda-Wiedenbrück am 24.4.1988; Quelle: www.fair-wandel-dein-klima.de
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Dateigröße: 0,03 MB
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Text: Pfarrerin Berthild BouekeIn: Pfarrbriefservice.de