„Ich möchte Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche!“
Ein Interview mit Schwester Katharina Ganz
Dieses Interview ist nur in unveränderter und ungekürzter Weise für den Abdruck freigegeben.
Schwester Katharina Ganz ist Generaloberin der Oberzeller Schwestern bei Würzburg. Sie arbeitet im Synodalen Weg als Beraterin im Forum "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche". Sie setzt sich für Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der katholischen Kirche ein. Und sie spricht sich offen für die Weihe von Frauen aus. Ein Gespräch mit ihr über Sexismus, ein Sündenbekenntnis der Kirche an den Frauen und den Machterhalt der Männer.
Frauen und Männer sind in der katholischen Kirche nicht gleichberechtigt. Aber, es braucht keine Gleichberechtigung. Frauen und Männer übernehmen in der Kirche verschiedene Aufgaben. Haben unterschiedliche Rollen. Frauen verkörpern das Mütterliche. Männern sind die Ämter vorbehalten. Diese Position, Meinung, Einstellung ist die offizielle katholische Lehrmeinung.
Generaloberin Dr. Katharina Ganz: Ich habe Frauen erlebt, junge Frauen, die sagen: „Wir vermissen in unserer Kirche nichts. Wir sind zufrieden damit, wie es ist. Sie haben eine schöne Berufung als Ordensfrau. Was wollen Sie mehr?“ Ich möchte Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche! (lacht) Ich hätte nicht gedacht, dass junge Leute so konservative Positionen vertreten.
Was löst das in Ihnen aus? Bluthochdruck? Schreikrämpfe? Schnappatmung?
Es regt sich in mir immer mehr heiliger Zorn. Ich werde wütend und ich ärgere mich über diese Abwehr, diese Diskriminierung, diese Frauenverachtung in unserer Kirche!
Frauenverachtung? Wie wird die sichtbar?
Anhand von Position, die behaupten, zu wissen, was das Richtige für Frauen ist. Da scheint eine Arroganz durch. Ein Hochmut, der unterschwellig teilweise frauenfeindlich motiviert ist. Es schwappen einem Verachtung und Sexismus entgegen.
Aber es gibt Argumentationen in der Kirche, die das legitimieren.
Für mich ist es ein Missbrauch des Glaubens und Gottes, wenn Menschen versuchen mit Hilfe von Gott ein Unrechtssystem zu legitimieren. Es gibt Menschen, die für sich behaupten zu wissen, was der Wille Gottes ist. Ein für alle Mal, überzeitlich! Aber sie berufen sich dabei auf eine Position, die aus dem 19. Jahrhundert stammt! Und übergehen dabei bewusst andere Traditionen in der Kirche oder stellen sie einseitig manipulativ dar. Das erklären sie zur „Ultima Ratio und sagen: „Das ist die ewige Wahrheit!“, „Das ist von Gott geoffenbart“ und „Das können wir nicht ändern“ – Das macht mich wütend.
Warum?
Können wir allen Ernstes ein für alle Mal behaupten, dass Gott alle Frauen aus den Ämtern ausschließen möchte? Kann sich das kirchliche Lehramt da auf den Willen Gottes berufen? Wenn wir an einer kulturellen Wende stehen, an der wir zunehmend Gleichberechtigung innerhalb der Geschlechter erleben: Müsste ich da nicht die eigene Tradition kritisch reflektieren, hinterfragen, revidieren?
So, wie es die Kirche bei anderen Traditionen und Lehren in der Vergangenheit getan hat.
Es gibt so viele Beispiele, die zeigen, dass sich die Kirche radikal von früheren Positionen abgewandt hat. Dass sie eine radikale Umkehr zu Tage gebracht hat. Dass sie ihre Lehre geändert hat. Wir würden uns nicht mehr für die Sklaverei einsetzen. Wir würden uns nicht mehr für die Todesstrafe einsetzen. (aufgebracht) Papst Johannes Paul der II. hat im Heiligen Jahr 2000 ein umfassendes Schuldbekenntnis der römisch-katholischen Kirche gegenüber anderen Religionen abgelegt. Die katholische Kirche hat sich für die Verbrechen entschuldigt, die sie bei der Hexenverfolgung verübt hat, bei den Kreuzzügen, bei der Inquisition. Für die Juden-Pogrome. Und, und, und.
Was wäre in diesen Zeiten an der Reihe?
Die Kirche könnte ein Sündenbekenntnis gegenüber den eigenen Mitgliedern ablegen. Wo haben wir uns als Kirche an den Frauen versündigt? An Ehepaaren, aufgrund einer rigiden Sexualmoral? An Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung? Wäre es nicht an der Zeit diese Standpunkte zu überprüfen? Weil wir heute durch die Humanmedizin oder die Sozialwissenschaften Erkenntnisse habe, die wir vor 50, vor 100 Jahren nicht hatten.
Warum passiert das nicht?
Die Kirche tut sich schwer mit Selbstkritik und innerkirchlichen Reformen, die überfällig sind. Es ist nicht damit getan, dass der Papst in seiner neuesten Enzyklika weltweit mehr globale Gerechtigkeit anmahnt und auf die Unterdrückung der Frauen hinweist, wenn es gleichzeitig nicht gelingt, die eigenen Strukturen kritisch zu hinterfragen.
Früher hatten Frauen in der katholischen Kirche mehr Rechte.
Ja, früher konnten zum Beispiel Äbtissinnen für ihren Herrschaftsbereich umfassend tätig sein. Sie konnten in ihrem Zuständigkeitsbereich sogar Priester ernennen, obwohl sie nicht geweiht waren.
Das veränderte sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Es schwächte die Position der Frauen. Verschlechterte ihre Situation.
Viele wissen das nicht und verbinden das Zweite Vatikanische Konzil mit Aufbruch und der gemeinsamen Würde aller Getauften. Aber das Zweite Vaticanum hat die Stellung der Bischöfe gestärkt und eine Konzentration auf die Kleriker gebracht. Es hat die Jurisdiktionsgewalt an die Weihevollmacht gebunden. Seither sind keine Frauen oder männliche Laien mehr auf der obersten Ebene zugelassen, auf der Entscheidungen getroffen werden. Nur, wenn und soweit es Bischöfe erlauben.
Frauen dürfen keine Diakonin, Priesterin oder Bischöfin werden. Sie setzen sich dafür ein, dass Frauen geweiht werden. Warum ist das aktuell nicht möglich?
Ein Aspekt ist zum Beispiel die „Repräsentatio Christi“ – die Frage, wer Jesus Christus repräsentieren kann. In der Kirche heißt es, dass der Mensch, der die Eucharistie feiert und damit Jesus Christus sakramental vergegenwärtigt biologisch ein Mann sein muss.
Das klingt widersprüchlich.
(laut) Die Kirche hat kein Problem damit, sich vorzustellen, dass ein Mann, nämlich der Priester, die Getauften von allen Geschlechtern repräsentiert, indem er stellvertretend die Bitten und Gaben vor Gott bringt. Umgekehrt ist aber beim Stellvertreter Jesu Christi die biologische Ähnlichkeit wichtig. Entschuldigung, so eine Argumentation leuchtet vielen heute nicht mehr ein.
Besonders für Frauen ist diese Argumentation schwer zu ertragen.
Genau! Ist das biologische Geschlecht so entscheidend für die sakramentale Vergegenwärtigung von Jesus Christus? Ich finde, das ist zu hinterfragen. In der Taufe wird jedem Christ und jeder Christin zugesagt, dass er ein Kind Gottes und auf den Namen Jesu Christi getauft ist. Das bedeutet, dass diese Menschen im eigenen Leben und Wirken Jesus Christus sichtbar machen sollen. In der Familie, als Religionslehrerin, aber auch als Krankenpfleger. Das durchzieht alle Bereiche.
Warum hält sich diese Position in der Kirche so hartnäckig?
Es gibt den Verdacht, dass es hier um Machterhalt geht. Dass eine Domäne, die bisher Männern vorbehalten war auch weiterhin Männern vorbehalten sein soll und dass es deswegen letztlich weniger um theologische Argumente geht.
Aber Macht ist eine Eigenschaft, die der Botschaft Jesu am fernsten liegt.
Ja, genau (lacht). Aber, wer die bestehenden Strukturen und Machtverteilungen kritisiert, wird angegriffen und reiner Machtwille unterstellt. So versuchen manche den Spieß umzudrehen, damit sich bloß nichts ändert.
Wenn Sie einen Pinsel und eine Palette mit den buntesten Farben hätten, vor sich ein blütenweißes Papier. Wie würden Sie sich die Zukunft von Frauen in der Kirche ausmalen? Wie sähe für Sie vollkommenen Gleichberechtigung aus?
Wenn ein Mann in sich den Wunsch spürt, Diakon oder Priester zu werden, kann er ins Seminar gehen und ein Bischof prüft diese Berufung. Aber, bis jetzt werden Berufungen von Frauen nicht geprüft. Welche Verschwendung von Charismen und Fähigkeiten. In einer Kirche, in der Gleichberechtigung herrscht, da wünschte ich mir, dass diese Ungerechtigkeit beseitigt wird. Dass Frauen die gleiche Möglichkeit haben, dass ihre Berufung geprüft wird. Es würde bedeuten, dass jeder Mensch, jede Christin, jeder Christ, seiner und ihrer Berufung folgen kann.
Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Ronja GojIn: Pfarrbriefservice.de