Standpunkt: Es geht um Evangelisierung und Strukturreform
Warum beim Synodalen Weg das eine nicht ohne das andere zu haben ist
Im Vorfeld des Synodalen Weges wurde, besonders von Seiten der Kritiker dieses Prozesses, immer wieder eine Alternative aufgemacht: Geht es um Evangelisierung, also um Verkündigung und Verbreitung des christlichen Glaubens, oder um eine Reform kirchlicher Strukturen? Manche mutmaßten, dass das Anliegen des Synodalen Wegs, strukturelle Probleme in der Kirche kritisch aufzugreifen, von „liberaler“ Seite eingespeist worden sei, um nun auf diesem Weg endlich altbekannte Forderungen zur Veränderung der Kirche und ihres Priesterbildes durchzusetzen. Stattdessen, so sagten sie, müsse es darum gehen, im Glauben zu wachsen und der kirchlichen Verkündigung mehr Nachdruck zu geben. Echte Erneuerung dürfe man nicht von äußeren Faktoren erwarten; sie müsse im Inneren aller Gläubigen beginnen. Kirche erneuere sich durch Bekehrung, nicht durch Anpassung an „weltliche“ Standards von Gewaltenteilung und Organisationsentwicklung.
Strukturelle Ursachen für sexuelle Gewalt
Diese Alternative ist falsch. Sie verschiebt zudem das Problem, das überhaupt erst dazu geführt hatte, einen gemeinsamen (synodalen) Weg der kirchlichen Erneuerung gehen zu wollen. Anlass war nicht der vermeintlich schwache Glaube der Gläubigen. Sondern Anlass waren die bestürzenden Ergebnisse der MHG-Studie, die das Ausmaß von Gewalttaten und ihrer Vertuschung durch Kleriker offengelegt hatte. Die Forscher hatten systemische, d.h. strukturelle Ursachen benannt, die solche Verbrechen begünstigten, zumindest nicht nachhaltig verhindern und seine Ahndung erschweren: prekäre Machtverhältnisse in der Kirche und kirchliche Vorgaben zu Geschlechterrollen und Sexualität, die potenziellen Tätern anstelle ihrer Opfer einen kirchlichen Schutzraum bieten.
Die Glaubwürdigkeit der Kirche steht auf dem Spiel
Was die Kirche eigentlich verkünden könnte und sollte – die Würde und Freiheit der Kinder Gottes, das Evangelium Jesu Christi vom Anbruch des Gottesreichs, ein Leben aus der Kraft des Heiligen Geistes –, wird dadurch konterkariert. Was die Kirche sein könnte und sollte – ein Ort, an dem Gottes Zuwendung und Erbarmen erfahrbar und glaubhaft wird –, wird dadurch ins Gegenteil verkehrt. Denn wie kann eine Kirche glaubwürdig davon sprechen, dass nicht Macht und Herrschaft, sondern Liebe und gegenseitiger Dienst ihr Maßstab seien, wenn in ihrem Binnenraum Strukturen herrschen, die klerikale Ermächtigung gegenüber Schutzbefohlenen begünstigen und die körperliche und seelische Integrität von Jungen, Mädchen und Frauen gefährden?
Die Alternative „Evangelisierung oder Strukturreform“ ist falsch. Was ansteht, ist eine ehrliche Überprüfung und Korrektur kirchlicher Strukturen am Maßstab des Evangeliums. Es geht darum zu klären, welche kirchlichen Strukturen, welche Priesterbilder, welche sexualethischen Vorgaben dem Auftrag der Kirche, die Liebe Gottes glaubwürdig zu verkünden, zum Schaden gereichen. Diese Faktoren müssen korrigiert werden – um des Evangeliums Jesu Christi willen.
Julia Knop, In: Pfarrbriefservice.de
Dr. theol. Julia Knop (geb. 1977) ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Als Teilnehmerin des Forums „Macht, Partizipation und Gewaltenteilung“ war sie aktiv an der Vorbereitung des Synodalen Weges beteiligt und wird sich auch weiterhin einbringen.
Der Synodale Weg
Der Synodale Weg ist ein Gesprächsprozess innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll der Aufarbeitung von Fragen dienen, die sich im Herbst 2018 nach der Veröffentlichung der MHG-Studie über sexuellen Missbrauch in der Kirche ergeben haben. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verantworten gemeinsam diesen Prozess, der auf zwei Jahre angelegt ist und am 1. Dezember 2019 eröffnet wurde. www.synodalerweg.de
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Text: Julia KnopIn: Pfarrbriefservice.de