Tipps von einem Jugendlichen, der bedrängendes Verhalten durch einen Pfarrer erfahren hat

Von Jugendlichen für Jugendliche

Der Pfarrer seiner Heimatpfarrei lädt ihn zu sich nach Hause ein. Zum Essen, zum Spielen, zum Reden. Chattet mit ihm über einen Messenger-Dienst. Fragt immer nach neuen Treffen. Lädt ihn zum Eis essen ein. Will ihn mit zu seinem Physiotherapeuten nehmen. Ihn in seinem Auslandsjahr besuchen. Bietet ihm bei sich zu Hause einen Nebenjob an, um ihn, wie er in einem Chat schreibt, in seiner Nähe zu haben. Einen Jugendlichen, der hier anonym bleiben möchte. 17 Jahre ist er damals alt. Fühlt sich bedrängt durch das Verhalten des Pfarrers in seiner Gemeinde. Über ein Jahr dauert es, bis sich der junge Mann an eine offizielle Missbrauchsstelle wendet. Diese Tipps gibt er anderen Betroffenen.  

1. Mache dir bewusst, dass du betroffen bist
„Was ganz wichtig ist und für jede Form von bedrängendem Verhalten gilt: Sei dir gegenüber ehrlich und frage dich: Ist diese Situation unangenehm oder unangebracht? Gestehe dir ein, dass du solch einem Verhalten ausgesetzt bist. Stelle dir die Frage: Wie komme ich da raus?“
 
2. Höre auf, dich zu fragen, ob das Verhalten des Täters vielleicht nicht böse gemeint ist
„Ich habe mir unfassbar oft die Frage gestellt, ob es der Pfarrer vielleicht nicht böse meint und ich überreagiere. Ich glaube, in der Realität ist das die unwichtigste Frage. Für dich selber ist es irrelevant, ob das ein böses oder nicht böses Verhalten ist. Das liegt nicht in der eigenen Verantwortung, sondern in der Verantwortung derer, die darüber entscheiden. Und am Ende muss sich der Täter oder die Täterin fragen: ´Habe ich etwas falsch gemacht?´ Wenn du dich durch Verhalten bedrängt fühlst oder dadurch psychisch belastet bist, muss das aufhören.“ 

3. Traue dich, bedrängendes Verhalten zu beenden
„Mache dir bewusst, wie oft du schon darüber nachgedacht hast, wie unangenehm dir diese Situation ist. Es ist vorbei, wenn du „Nein“ sagst oder den Kontakt abbrichst.“

4. Erzähle Menschen davon, denen du vertraust 
„Ich habe es im Freundes und Familienkreis erzählt. Das fiel mir am einfachsten. Als ich es später in meinem Umfeld erzählt habe, fanden das viele Menschen lustig oder haben darüber gelacht und Witze gemacht. Ich weiß, dass es von meinem Umfeld nicht böse gemeint war. Auch ich habe das Bedrängen des Pfarrers am Anfang nicht so ernst gesehen. Aber, es ist wichtig zu sehen, dass du ein Recht darauf hast zu sagen: ´Ich fühle mich sehr unwohl in dieser Situation.´ Vertraue auf Menschen, die sich damit auskennen, die über die Situation Bescheid wissen und lass dich nicht von blöden Kommentaren oder völlig unangebrachten Einschätzungen ablenken.“

5. Nimm Hilfe an
„Oft wird von außen angeboten: ´Melde dich, wenn du Hilfe oder Unterstützung brauchst.´ Es hilft, wenn du diese Hilfe annimmst, weil es dir die Hürde nimmt, etwas gegen die Bedrängung zu unternehmen.“ 

6. Hole dir Rat, wenn dir Verhalten seltsam vorkommt, auch, wenn du unsicher bist
„Es ist unfassbar wichtig zu wissen, dass sich alle Stellen, die sich um Missbrauchsfragen kümmern - egal, ob sexualisiert oder nicht -, auch um die Fälle kümmern, die nicht direkt damit zu tun haben. Das bedeutet, dass du auch bei Verdachtsfällen anrufen kannst, bei nicht sexualisiertem Missbrauch oder bei Unsicherheiten. Die Menschen legen nicht auf, sondern nehmen sich deiner Probleme an und leiten dich an die Stelle weiter, die dir am besten hilft. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass sie sagen, dass du bei einer anderen Stelle anrufen sollst. Selbst, wenn du im Ernstfall die Missbrauchsstelle der Bundesregierung anrufst, die nicht direkt verantwortlich für die Gemeinde ist, sind da trotzdem Menschen, deren Job es ist, sich um solche Fälle zu kümmern und die dir helfen.“

7. Melde Fehlverhalten bei einer offiziellen Stelle
„Ich empfehle das absolut sich an offizielle Stellen zu wenden, weil sie wissen, was für dich das beste ist. Es nimmt dir den Stress, dich selbst aus einer unangenehmen Situation herausmanövrieren zu müssen. Es wird sichergestellt, dass das Fehlverhalten nicht unter den Teppich gekehrt wird. Und dass die Bedrängung endet. Denn, wenn jemand bei der Polizei verhört oder anderweitig verwarnt wird, hört der- oder diejenige mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf. Ich glaube, vor allem für die Menschen, die von nahestehenden Menschen bedrängt werden und die den Kontakt nicht abbrechen oder die Situation verändern können, ist es sehr wichtig, einen klaren Schnitt zu machen.“

8. Hilf mit deiner Meldung anderen
„Meine Mutter hat mir damals gesagt: ´Die Situation ist nicht so schlimm, dass du da nicht selber herauskommst, aber denke an all die Menschen, die in so einer Situation nicht umziehen oder ihr Leben ändern können. Die vielleicht jünger sind oder aus anderen Gründen nicht dazu fähig sind, sich zu helfen. Die aus so einer Situation jahrelang nicht herauskommen. Für diese Menschen ist es wichtig, dass andere Vorfälle gemeldet werden.´ Du machst es nicht nur für dich selber, sondern auch für andere, die in der gleichen Situation sind und sich nicht trauen etwas zu tun. Du hilfst ihnen dabei, dass ihre Zukunft einfacher ist. Dass das Thema mehr Leuten bewusst wird, dass mehr Stellen eingerichtet werden und dass so etwas nicht nur im Fernsehen passiert.“

9. Traue dich, zu allem, was du nicht willst, „Nein“ zu sagen
„Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, hätte ich früher einen Schlussstrich ziehen sollen. Du darfst den Mut haben direkt offen zu kommunizieren: ´Das ist komisch, was du da machst. Das mag ich nicht. Da habe ich keine Lust darauf. Das will ich nicht machen. Ich finde das unangenehm und ich will, dass es aufhört.´ Das ist in der Situation komisch, aber das darfst du dem Täter oder der Täterin ins Gesicht sagen.“

anonym, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Anonym, aufgeschrieben von Pfarrbriefservice.de
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