Drei Worte für ein gelingendes Familienleben

Ein Interview mit Familiencoach Simone Rüssel über die Kraft von „Bitte“, „Danke“ und „Entschuldigung“

Für Papst Franziskus sind die drei Worte Bitte, Danke und Entschuldigung Schlüsselworte für ein gelingendes Familienleben. Warum misst er gerade diesen drei Worten eine so wichtige Bedeutung zu? Ein Interview mit Familiencoach Simone Rüssel.

Frau Rüssel, Sie bezeichnen die drei Worte Danke, Bitte und Entschuldigung in Ihrem Blog als die „Sprache der Liebe“. Warum?

Simone Rüssel: Mich hat das sehr angerührt, was der Papst in seinem Schreiben „Amoris Laetitia“ über diese drei Worte gesagt hat. Ich fand das sehr treffend. In meiner Beratungstätigkeit für Familien kann ich immer wieder beobachten, dass das Nicht-Danke-Sagen, das Nicht-Wahrnehmen oder auch das Nicht-Entschuldigen ganz oft ein Thema ist. Deswegen gibt es häufig Streit in den Familien.

Dabei geht es nicht um das bloße Aufsagen von Worten. Es geht um die Haltung dahinter, um Achtung und Respekt vor dem anderen, oder?

Simone Rüssel: Genau. Und die Worte machen deutlich, dass man nichts für selbstverständlich hält. Das ist oft so der Punkt, dass man meint: Der andere weiß ja schon, dass ich eigentlich dankbar bin, der andere weiß ja schon, dass ich das gesehen habe. Aber wenn man das nie ausspricht – das ist, wie wenn sich Paare nie sagen, dass sie sich lieben. Es ist aber wichtig, es auch mal auszusprechen.

Sie beraten seit vielen Jahren Familien. Welche Wahrnehmungen machen Sie in Bezug auf diese drei Worte? Stellen Sie Veränderungen fest?

Simone Rüssel: Die Selbstverständlichkeit, diese drei Worte zu benutzen, geht zurück. Ich will nicht sagen, dass die Menschen weniger dankbar sind. Es wird einfach weniger geäußert.

Worauf führen Sie das zurück?

Simone Rüssel: Wenn ich das wüsste, wäre vieles einfacher (lacht). Ich glaube, dass die Zeit so schnelllebig ist, dass weniger Zeit bleibt, überhaupt miteinander zu sprechen. Die Paare und Familien beschränken sich dann oft auf die Informationsweitergabe. Es bleibt weniger Zeit, um einmal Gefühle zu äußern, sie überhaupt wahrzunehmen oder sich in den anderen hineinzuversetzen und zu sagen: Er hat ja doch eine Menge für mich gemacht. Die Sicht ist, würde ich mal sagen, fast ein bisschen egoistischer geworden: Ich sehe das, was ich geleistet habe, und nicht das, was der Partner tut. Da kommt so ein Missverhältnis auf.

Haben Sie von diesen drei Worten ein Lieblingswort?

Simone Rüssel: Schwierig. Ich glaube, das Wort „Danke“ ist es. Die Dankbarkeit – einfach auch für kleine Dinge. Gestern hat überraschenderweise mein Sohn mit einem Gast in unserem Haus die Spülmaschine ausgeräumt. Freilich kann man als Eltern denken: Das ist ja das Mindeste, wenn er hier wohnt. Und trotzdem freue ich mich und sage „Dankeschön“.

Welche Erfahrungen machen Sie damit?

Simone Rüssel: Das überrascht. Im positiven Sinn. Und es kommt dadurch viel zurück. Es verbessert tatsächlich die Beziehung zwischen zwei Menschen. Und auf der anderen Seite fördert es die Dankbarkeit beim anderen, weil er erlebt, wie schön es ist, ein Danke zu hören.

Was ist Ihr Tipp, wenn man sich schwer damit tut im Gebrauch der drei Worte Bitte, Danke und Entschuldigung?

Simone Rüssel: Ich glaube, das Beste ist, sich in die Rolle des anderen zu versetzen oder sich an eine Situation zu erinnern, wo einem selbst genau das gefehlt hat. Es hilft, sich klar zu machen, wie sehr man diese Worte von anderen erwartet. Und es fällt niemandem ein Zacken aus der Krone, wenn man sich bedankt, um etwas bittet oder sich entschuldigt.

Manchmal kann man aber das Gefühl bekommen, man kommt mit diesen Worten beim anderen nicht an.

Simone Rüssel: Ich denke, gerade wenn es um eine Entschuldigung geht, hilft es, die eigene Erwartungshaltung ein bisschen herunterzuschrauben. Ich muss damit rechnen, dass der andere Zeit braucht, um vergeben zu können. Andererseits kommt es gar nicht immer so sehr darauf an, dass der andere mir vergibt. Der Schlüssel ist, dass ich mit mir im Reinen bin. Den anderen kann ich nicht ändern, ich kann ihn auch nicht zwingen, dass er mir vergibt. Aber mich kann es ins Reine bringen, wenn ich mich entschuldige und um Vergebung bitte.
Es ist schwierig, wenn man um etwas bittet und abgewiesen wird. Aber ich muss mir bewusst machen: Mit jeder Bitte gestehe ich dem anderen die Freiheit zu, auch Nein zu sagen. Das ist ja auch die Pädagogik Gottes. Wir sind freie Menschen, wir dürfen Ja oder auch Nein sagen.

Interview: Elfriede Klauer, Pfarrbriefservice.de

Simone Rüssel (geb. 1973) arbeitet als Heilpraktikerin Psychotherapie und Coach mit dem Schwerpunkt „Familie“ in Potsdam und engagiert sich in der Elternbildung. Mehr Informationen unter www.praxis-ruessel.de

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de