Die Meldung im Gemeindebrief der Pfarrei Sankt Josef in Hausen (Bistum Mainz) hat uns überrascht: „Verteilung des Gemeindebriefes wird eingestellt“, hieß es auf der Titelseite der Sommerausgabe 2020. Im Heftinneren war dann zu lesen, dass der Gemeindebrief nicht mehr dreimal im Jahr an alle katholischen Haushalte verteilt wird, sondern künftig digital als Newsletter versandt wird. Gedruckte Exemplare lägen weiterhin zum Mitnehmen in den Kirchen, in der Kita und im Pfarrbüro aus.
Die Fragen, die sich uns dabei stellten: Markiert diese Entscheidung in Hausen möglicherweise einen Trend in den Pfarreien, der wegführt vom gedruckten Pfarrbrief? Wird diese Entwicklung durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie forciert? Oder anders formuliert: Welchen Stellenwert hat für die Pfarreien im Zeitalter der Digitalisierung der gedruckte Pfarrbrief?
Wir haben uns umgehört – nicht nur in Hausen, sondern in drei weiteren Pfarreien aus dem Bundesgebiet. Im Folgenden lesen Sie:
Hausen: Ein Newsletter bündelt Informationen aus einer Hand
Schon vor Corona habe man sich in Hausen (Bistum Mainz) Gedanken gemacht, Informationen verstärkt digital anzubieten, berichtet Michael Picard. Er engagiert sich im Vorstand des Pfarrgemeinderates und ist Redakteur für den Newsletter und den Gemeindebrief. „Ich war lange Zeit ein Verfechter eines gedruckten Pfarrbriefes“, erzählt er im Gespräch. „Doch unsere ehrenamtlichen Austrägerinnen und Austräger werden immer älter. Und auch der Müllberg brachte uns zum Nachdenken.“ 2.700 Exemplare wurden dreimal im Jahr verteilt. 60 bis 70 Prozent davon wanderten mehr oder weniger gelesen in die Mülltonne, schätzt Picard.
Die Newsletter-Funktion der Pfarrei-Homepage wurde im März 2020 aktiviert, kurz nach dem ersten Corona-Lockdown. Alle Informationen kommen seitdem quasi aus einer Hand, von einem digitalen Kanal. Via Newsletter werden dreimal im Jahr der Gemeindebrief versendet, monatlich die Gottesdienstordnung sowie wöchentlich ein Newsletter mit aktuellen Informationen zum Gemeindeleben und Gebetsimpulsen.
Die Abonnentenzahlen sind überschaubar: An 260 Abonnenten wird der Newsletter derzeit versendet. Diese Zahl wächst zwar kontinuierlich, aber eher langsam. Wer sind die Abonnenten? Michael Picard kennt viele vom Namen her – Menschen, die sich in den verschiedenen Gruppen engagieren, darunter durchaus auch Ältere. Aus Rückmeldungen weiß er, dass sie es schätzen, regelmäßig elektronisch auf Neues aufmerksam gemacht zu werden.
Doch wie gelingt es in Hausen, mit den Menschen in Verbindung zu bleiben, die sich nicht aktiv um Informationen bemühen, die vielleicht auch gar nicht digital unterwegs sind? Michael Picard zählt eine Reihe weiterer Medien auf. Da ist zunächst der Gemeindebrief, den es immer noch gedruckt gibt, der aber nicht mehr unaufgefordert verteilt wird, sondern abgeholt werden kann oder bei (Kranken-)Besuchen verteilt wird. Seine Auflage liegt zurzeit bei 600 Stück. Außerdem können die Kirchengemeinde und kirchliche Gruppen das wöchentlich erscheinende lokale Anzeigenblatt nutzen, um auf Veranstaltungen hinzuweisen oder über diese zu berichten. Seit kurzem gibt es einen Flyer mit allen Angeboten der Pfarrgemeinde, der nicht nur in den Kirchen und im Pfarrbüro ausliegt, sondern auch in den Rathäusern. Schaukästen werden ebenso bestückt wie eine Pfarrei-Homepage und ein Youtube-Kanal der Pfarrei, auf dem Gottesdienste übertragen werden. Die katholische Jugend ist auf Social Media-Kanälen präsent. „Viele Leute lieben online“, sagt Michael Picard. „Die Digitalisierung hat durch Corona jetzt noch einmal an Schub gewonnen. Wir möchten als Pfarrei uns diesem Weg nicht verschließen. Wir möchten mit der Zeit gehen.“ (zurück zur Übersicht)
Ochtendung-Kobern: Das Pfarrmagazin gibt es rein digital
In der Pfarreiengemeinschaft Ochtendung-Kobern (Bistum Trier) gibt es nichts Gedrucktes, aber auch das hat eine längere Vorgeschichte, erzählt Heinz Schmitz. Als Mitglied des Pfarrgemeinderates ist ihm aufgefallen, dass es kaum Informationsmöglichkeiten für Nicht-Insider gab, auch keinen Pfarrbrief. Er leitete es in die Wege, dass seit 2008 in der Pfarreiengemeinschaft ein Newsletter via Mail verschickt wird, den er redaktionell betreut. Seitdem ist der inhaltliche Umfang gewachsen und mit Corona auch die Erscheinungshäufigkeit. Wurde er anfänglich ein- bis dreimal im Monat versandt, gibt es ihn jetzt zweimal pro Woche. Der Newsletter „Du & Wir“ enthält Nachrichten, Mitteilungen und geistliche Impulse. „Ich versuche Texte auszuwählen, die den Alltag und unseren Glauben miteinander verbinden“, so Schmitz. Rund 800 Abonnenten beziehen den Newsletter, was Heinz Schmitz gut findet, aber „persönlich möchte ich mehr Leserinnen und Leser haben“, sagt er. Ihm ist bewusst, dass sich gerade die ältere Generation schwer damit tut, weshalb er darum bittet, nach Möglichkeit die Newsletter auszudrucken und weiterzugeben. „Von zehn bis zwanzig Leuten weiß ich, dass sie das machen“, freut sich Schmitz.
Bei 800 Abonnenten lässt sich kaum sagen, welchen Hintergrund sie haben und wo sie herkommen. „Soweit ich sie kenne, ist alles dabei: Menschen, die regelmäßig Gottesdienste und Veranstaltungen besuchen bis zu Menschen, die der Amtskirche kritisch gegenüber eingestellt sind, aber sagen: ‚Was ihr macht, das interessiert mich’“, berichtet Heinz Schmitz. „Das macht mich glücklich.“
Seit 2014 gibt es in der Pfarreiengemeinschaft Ochtendung-Kobern auch ein Pfarrmagazin – von Anfang an allerdings nur digital. Man kann es über die Pfarrei-Homepage abonnieren, ebenso wie den Newsletter. „Wir haben uns überlegt, beim Magazin in Druck zu gehen. Allerdings haben uns die Kosten und die Frage der Verteilung davon abgehalten“, berichtet Schmitz. Das Online-Magazin der Pfarreiengemeinschaft heißt „AberGlaube!?“. Hier sollen die Lebenswirklichkeit und die Fragen der Menschen an ihren Glauben zur Sprache kommen. Es erscheint zweimal im Jahr, immer mit einem Schwerpunktthema. Berichte aus dem Pfarreienleben gibt es, sofern sie zum Thema passen, dafür keine Gottesdienstordnung, keine Termine und keine Kontaktdaten. Es ist ein Online-Magazin, das über den Tellerrand schauen und zum Nachdenken anregen will. Ein mehrköpfiges Team aus jüngeren und älteren Frauen und Männern schreibt und gestaltet die Beiträge. Allerdings wird es nur von über 200 Abonnenten nachgefragt. „Das ist schon immer wieder ein Thema in unserer Redaktionsgruppe, warum wir relativ wenig Resonanz auf das Online-Magazin haben. Gerade die Jüngeren hätten gerne eine Bestätigung, dass sich ihr Einsatz lohnt“, sagt Schmitz.
Dennoch will man in Ochtendung-Kobern am eingeschlagenen Weg festhalten. „Wir haben gerade im Corona-Lockdown gesehen, dass es auf digitalem Weg möglich ist, die Verbindung mit Menschen zu halten, die man sonst nicht treffen würde“, bilanziert Heinz Schmitz. „Es ist wichtig, Neuem eine Chance zu geben und das, was da ist, auszubauen und zu ergänzen. Wo Gedrucktes funktioniert, sollte man es beibehalten. Ich glaube, man muss beides machen.“ (zurück zur Übersicht)
Am Stommelerbusch: digital = aktuell / gedruckt = substantiell
Homepage, Facebook, Instagram, Newsletter, Youtube – die Öffentlichkeitsarbeiterinnen und -arbeiter der Pfarreiengemeinschaft „Am Stommelerbusch“ (Erzbistum Köln) nutzen eine breite Palette elektronischer Medien, um die Menschen zu erreichen. Dennoch haben die Verantwortlichen im vergangenen Jahr Geld in die Hand genommen für die Modernisierung des gedruckten Pfarrbriefs. Warum? „Der gedruckte Pfarrbrief ist die beste Möglichkeit, Gemeindemitglieder zu erreichen, die nicht am Gemeindeleben teilnehmen oder die neu zugezogen sind, und die wir gerne für uns begeistern möchten“, sagt Rolf-Herbert Peters. Er ist verantwortlicher Redakteur des neuen Pfarrmagazins „Aufbruch“ und hat die Modernisierung maßgeblich vorangetrieben. „In der Vergangenheit hatten wir einen Pfarrbrief, der eher einem Vereinsblatt glich im Sinne von: Die Aktiven schreiben für sich selber und freuen sich, wenn etwas von ihnen veröffentlicht wird“, so Peters. „Doch ein Pfarrbrief, der nicht ersetzbar sein will, darf keine Nabelschau betreiben. Er muss sich an den Interessen seiner Leser orientieren. Er muss attraktiv sein, um in der Konkurrenz mit anderen Medien bestehen zu können. Er muss einladend sein. Und er muss auch die kritischen Themen zur Sprache bringen“, ist Peters überzeugt.
All das setzt das Redaktionsteam um Rolf-Herbert Peters seit Anfang 2020 konsequent um. Zweimal im Jahr wird das neue Pfarrmagazin an alle katholischen Haushalte der Pfarreiengemeinschaft von Ehrenamtlichen ausgetragen, die Auflage umfasst 4.700 Stück. Das neue DinA4-Format unter dem verheißungsvollen neuen Pfarrbrief-Namen „Aufbruch“ bietet Platz für großformatige, ausdrucksstarke Fotos, ein luftiges Layout auf 40 Seiten, für Themen, die die Menschen vor Ort bewegen und Kritisches nicht ausklammert, für Beiträge, die von den Redaktionsmitgliedern selbst recherchiert und geschrieben wurden. „Wir versuchen, immer an die Leser zu denken. Das heißt auch, wir setzen kein Wissen voraus, wir erklären immer wieder. Und wir überlegen uns, wie wir die Themen lesenswert aufbereiten können. Und das geschieht über Menschen“, so Peters. Menschen aus der Gemeinde, die etwas bewegen, die sich für andere einsetzen, die sich aber auch Sorgen machen oder Fragen stellen oder die etwas erklären können.
Die Meldungen aus der Pfarrei und aus den verschiedenen Gruppen sind auf das Wesentliche reduziert und knapp zusammengefasst im hinteren Teil des Heftes zu finden, wie auch die Kontaktdaten der Ansprechpartner. Für Rolf-Herbert Peters macht das sehr viel Sinn. „Heutzutage kümmern sich die elektronischen Medien um dieTagesaktualität.“ Im Zusammenspiel von elektronischen und analogen Medien hält Peters deshalb eine Aufgabenteilung für angebracht. Die elektronischen Medien der Pfarrei informieren demnach brandaktuell – „zum Teil posten wir aus Gottesdiensten oder Veranstaltungen heraus“ (Peters) –, das Substantielle dagegen, das Tiefgründigere, das „nicht Flüchtige“ (Peters) findet sich im gedruckten Heft.
Dieses neue Konzept umzusetzen, glich einem „Kulturbruch“, sagt Peters. Nicht alle Gruppen waren damit einverstanden. Doch die Rückmeldungen bestätigten die Verantwortlichen in ihrem Tun. „Sie waren sehr, sehr gut nach dem Relaunch. Und die Austräger berichteten uns nach der zweiten Ausgabe, dass sie beim Verteilen viel häufiger mit den Leuten ins Gespräch gekommen sind. Die Beiträge im Pfarrmagazin sind zum Teil Dorfgespräch. Wir wollen diese Aufmerksamkeit.“ Und: „Die Leute merken, dass wir uns ernsthaft Gedanken machen über den Glauben und unsere Gemeinschaft“, so Rolf-Herbert Peters. (zurück zur Übersicht)
Stuttgart-Neckar: Mit gedrucktem Pfarrmagazin Präsenz zeigen
Auch in der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Neckar (Bistum Rottenburg-Stuttgart) setzen die Verantwortlichen sowohl auf digitale wie auf gedruckte Medien. Auch hier wurde der bestehende Pfarrbrief Anfang 2020 runderneuert in ein farbiges Pfarrmagazin. Laut Premierenausgabe vom Juni/Juli 2020 sieht es seine Aufgabe nicht mehr nur darin, „Informationen zu übermitteln“, sondern es hat sich „zu einer selbstständigen Plattform für den Austausch über den Glauben“ entwickelt. Es erscheint alle zwei Monate in einer Auflage von 9.050 Exemplaren und wird an alle katholischen Haushalte verteilt. „Auch bei uns gab es die Diskussion, ob wir auf digitale Medien umsteigen“, berichtet Niklas Heck. Zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder hat der damals 16jährige dem Gesamtkirchengemeinderat ein Konzept für eine Neugestaltung vorgelegt, das überzeugte. „Nur mit einem gedruckten Pfarrmagazin können wir die meisten Menschen erreichen, unabhängig vom Alter. Eine Publikation ist präsenter, wenn sie gedruckt ist“, so Heck. Gerade in Corona-Zeiten sehe man, wie wichtig es ist, als Kirche Präsenz zu zeigen und „gerade auch die anzusprechen, die nicht mehr regelmäßig kommen. Öffentlichkeitsarbeit wird für die Kirche immer wichtiger werden“, ist Niklas Heck überzeugt.
Er ist der Layouter des Pfarrmagazins „katholisch konkret“. Sein Bruder Felix übernimmt den journalistischen Part. Inspirieren ließen sich beide von der Nachbarpfarrei St. Urban, die ebenfalls ein farbenfrohes Magazin auf den Weg gebracht hat. Warum nicht auch wir, dachten sich beide und ergriffen die Initiative. Herzstück des neuen 20-seitigen Pfarrmagazins im DinA4-Format ist eine Reportage zu Themen, Menschen oder Einrichtungen aus den Pfarreien. „Gerade, dass es eine Reportage gibt, wurde in den Rückmeldungen als besonders positiv genannt. Unsere Hoffnung ist, dass wir damit auch Menschen erreichen, die der Kirche eher fern stehen. Eine Reportage liest man sich eher durch als einen Rückblick“, so Heck. Neben der Reportage gibt es weitere regelmäßige Rubriken, wie das Wort zum Monat, ein Vorwort, den Gemeindesteckbrief, mit dem sich Gruppen der Pfarreien auf einer halben Seite vorstellen können, eine Kinderseite und immer wieder neue Ideen, um die Leser mit ihren Meinungen und Ansichten ins Blatt zu holen. Bei Themenfindung und Beiträgen unterstützt das Pastoralteam, es besteht ein enger Kontakt. Feste Bestandteile des Pfarrmagazins sind außerdem die Gottesdienstordnung für zwei Monate und im hinteren Teil des Heftes Mitteilungen aus den Pfarreien, aber nicht aufgeteilt auf die Kirchorte, sondern thematisch zusammengefasst wie auf der Homepage. „Das war ein Wunsch des Pastoralteams. Es sollte nicht jede Gemeinde für sich stehen, sondern es soll themenbezogen erkennbar sein, was in der Gesamtkirchengemeinde läuft“, so Niklas Heck. Nach dem Neustart im vergangenen Jahr habe es viele begeisterte Rückmeldungen gegeben, berichtet Heck. „Es war der Dank spürbar, dass etwas Neues entstanden ist.“ (zurück zur Übersicht)
Fazit
Zugegeben: Aus der Befragung von vier Pfarrbriefredaktionen lässt sich kein Trend ablesen, zumal die Auswahl der Redaktionen nicht zufällig war. Sie stehen für die Vielfalt an Pfarreien und Menschen, die sich in ihnen engagieren.
Aber was sich festhalten lässt, ist:
Digitale Medien erreichen nur dann ihre Empfänger, wenn sie von ihnen abonniert, aufgerufen oder angeklickt werden. Demgegenüber hat der gedruckte Pfarrbrief diese Hürde bereits genommen, wenn er kostenfrei verteilt wird und damit seinen Weg in die Briefkästen der Kirchenmitglieder gefunden hat. Aber wird er deshalb auch gelesen? Da gibt es wohl keinen Automatismus. Dennoch stehen die Chancen gut, wenn er sich an den Interessen seiner Leser orientiert, sowohl was die Themen betrifft als auch die Gestaltung.
So haben die Redaktionen der Pfarreiengemeinschaft „Am Stommelerbusch“ und der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Neckar mit ihren Updates nicht nur optisch den gedruckten Pfarrbrief erneuert. Sie haben sich ein neues inhaltliches Konzept überlegt, das immer wieder neu den Spagat wagt zwischen dem, was eine Pfarrei zu bieten hat und dem, was die Leser, auch distanzierte, interessieren könnte.
Die zunehmende Digitalisierung, die durch die Corona-Pandemie noch einmal befeuert wurde, macht den gedruckten Pfarrbrief nicht überflüssig. Aber sie stellt noch drängender die Frage, warum es ihn überhaupt geben sollte.