In der Fastenzeit, die von der Kirche „österliche Bußzeit“ genannt wird, geht es eigentlich um viel mehr als bloß um einen – wie auch immer motivierten – zeitweisen Verzicht auf bestimmte Genüsse. Der Titel, den der Wiener Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, seinem neuen „Begleiter für die Fasten- und Osterzeit“ gegeben hat, bringt das in einer sehr schönen Formulierung zum Ausdruck: Die Fastenzeit soll vor allem zu einer „Zeit der liebenden Aufmerksamkeit“ werden.
Schönborn vergleicht die Zeit vor Ostern mit dem Emmausweg der beiden Jünger im Lukasevangelium: Jedes Jahr wieder dürfen auch wir mit dem Herrn auf dem Weg sein und uns von ihm erklären lassen, warum der Messias leiden musste, um in seine Herrlichkeit zu gelangen. Die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift ist deshalb ein wesentliches Merkmal der Fasten- und Osterzeit, und auch wenn wir die Texte schon oft gehört haben, dürfen wir jedes Jahr wieder neu Kraft und Einsicht daraus schöpfen.
Nicht Unterweisung, sondern Ermutigung
Das Buch bietet Betrachtungen zu den Sonntags-Evangelien des österlichen Weges, von der Fastenzeit bis Pfingsten – und zwar für alle drei Lesejahre, so dass der Fastenbegleiter zum einen jedes Jahr aktuell ist und zum anderen auch eine größere Vertiefung erlaubt. Kardinal Schönborns Auslegungen des Evangeliums sind keine theologischen Reflexionen, vielmehr lebensnahe Betrachtungen. Auch sind es ursprünglich keine Predigten, sondern Beiträge für Österreichs größte Tageszeitung, sie richten sich also nicht ausschließlich an Kirchgänger/innen, sondern im Grunde an alle. Und es sollen auch nicht Unterweisungen im Glaubenswissen sein, sondern Ermutigungen, die Worte des Evangeliums persönlich zu betrachten. Wer dieser Einladung folgt, wird in jedem Fall Gewinn daraus ziehen. (Sankt Michaelsbund)
Christoph Schönborn: Zeit der liebenden Aufmerksamkeit. Ein Begleiter für die Fasten- und Osterzeit. Ostfildern : Patmos Verlag, 2019. – 223 S.; 19,00 €
(Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der Sankt Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.)
Ab dem 15. Februar 2019 ist bei Angabe der Quelle der freie Abdruck des Textes erlaubt.