„Ihr seid das Salz der Erde“, sagt Jesus in der Bergpredigt. Und im gleichen Atemzug: „Ihr seid das Licht der Welt“. Doch könnte man den Eindruck bekommen, dass es mit Licht und Salz in der katholischen Kirche in Deutschland im Moment nicht weit her zu sein scheint. Genau deshalb erinnert Franz Kamphaus, bis 2007 Bischof von Limburg, an die Bergpredigt als Grundgesetz des Christentums. Warum, fragt er, steht sie nicht im Mittelpunkt allen kirchlichen Wirkens?
Kamphaus hört genau hin, was Jesus in den Seligpreisungen und in den Antithesen („Ihr habt gehört … Ich aber sage euch …“) sagt über Gerechtigkeit, Mord und die Ehe – und was das für Christen heute bedeutet. Dabei entschärft er nichts. Jesu Forderungen, Gewalt nicht mit Gegengewalt zu beantworten und die Feinde zu lieben, sind dabei sicher diejenigen, die am schwersten verdaulich sind. Dennoch dürfen sich die Christen nicht um deren Verwirklichung drücken, wie es in der Vergangenheit immer wieder geschehen sei. Jesus gehe es darum, die Vergeltungslogik (Wie du mir, so ich dir) zu durchbrechen.
Den eigenen Salzgehalt nicht vergessen
Zum entscheidend Christlichen – dem Kennzeichen C sozusagen – gehört außerdem, sanft, arm und barmherzig zu sein. Diese Grundhaltungen ergeben sich, so Kamphaus, aus den Seligpreisungen. Die Auslegung der Bergpredigt ist die Frucht einer lebenslangen Auseinandersetzung mit diesem Text. Abschnitt für Abschnitt macht Kamphaus sie in knappen, klaren Worten für die Welt von heute fruchtbar und ermuntert die Leserinnen und Leser, gerade das ernst zu nehmen, was daran utopisch scheint.
Wichtig ist dem Autor allerdings, dass nicht der Eindruck von Leistungszwang entsteht. Wenn Jesus seine Zuhörer durch die Zeiten als „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ bezeichnet, verwendet er den Indikativ. Es ist also gerade keine Aufforderung, sondern eine Feststellung: „Ihr seid“. „Salz muss nur da sein, das reicht“, kommentiert Kamphaus. „Und wenn es da ist, würzt es auch. Wo wir da sind als Christen, da geben wir Geschmack.“ Kamphaus‘ Buch hilft, den eigenen Salzgehalt nicht zu vergessen, und ermutigt dazu, Jesus beim Wort zu nehmen und die christlichen Grundhaltungen zu leben. (Borromäusverein)
Franz Kamphaus: Wenn der Glaube konkret wird. Die Bergpredigt. Ostfildern : Patmos-Verl., 2018. – 144 S.; 18,00 €
(Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der Sankt Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.)
Ab dem 16. Januar 2019 ist bei Angabe der Quelle der freie Abdruck des Textes erlaubt.