Lesetipp „Himmelwärts"

Neues Buch der Serie „Kinder- und Jugendbücher entdecken“

von Ronja Goj / Markus Tomberg am 24.07.2024 - 05:55  

Autorin: Karen Köhler, Himmelwärts, Bilder: Bea Davies, 2024 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München

Unter den vielen Kinder- und Jugendbüchern, die sich mit dem Tod und der Trauer beschäftigen, ragt dieses Buch hervor, weil es den unerbittlichen Ernst des Todes nicht ausklammert und trotzdem Antwortperspektiven anbietet. Karen Köhler erzählt von einem der schwierigsten Themen tiefgründig und witzig und ganz am Ende mit spürbaren Anspielungen an das 13. Kapitel des ersten Korintherbriefes. Sie lädt zum Philosophieren ein und lässt die Spannung nicht zu kurz kommen. 

Wann fängt eine Geschichte an? Tonis Erzählung von einer Gartenübernachtung zusammen mit ihrer besten Freundin Yumyum schreckt vor den schwierigen philosophischen Fragen nicht zurück. Gleich der erste Satz zeigt: Es gibt immer ein Vorher. Doch das eigentliche Problem ist nicht das Vorher, sondern das Danach. Kein Wunder, denn Tonis Leben ist schwierig geworden: Die Mutter ist vor wenigen Wochen gestorben. Doch wann die Krankheit und die Veränderungen, die durch sie hervorgerufen wurden in das Leben der Familie hereingebrochen sind, das kann Toni nicht genau erklären. Wann fängt also die Geschichte dieser Gartenübernachtung an? Jetzt? Gestern? Mit dem Tod der Mutter? Mit dem Gespräch über die Diagnose auf dem Familiensofa? Mit den ersten Symptomen? Beim letzten unbeschwerten gemeinsamen Urlaub oder noch früher? Es gibt eben immer ein Davor. Für Toni ist allerdings ein Danach viel wichtiger: Wie soll sie leben, nachdem ihre Mutter gestorben ist?

Toni erzählt in Etappen von der denkwürdigen Gartenübernachtung, garniert mit Rückblenden aus ihrem Notizbuch. Denkwürdig ist die Gartenübernachtung nicht nur, weil sich Yumyum und Toni mit Snacks und Süßigkeiten eingedeckt haben, die für mehr als einen Abend genug sind. Sondern, weil die beiden ein Projekt verfolgen: Sie wollen Kontakt mit Tonis Mutter aufnehmen. Irgendwo in den Weiten des Universums müssen doch Spuren von ihr zu finden sein: Weil in einem geschlossenen System niemals das geringste Fitzelchen Energie verloren geht. Die beiden bauen mithilfe der Anleitung unzähliger Erklärvideos eine komplizierte Anlage im Garten auf und suchen den Kontakt.

Und tatsächlich: Es antwortet jemand! Es ist natürlich nicht Tonis Mutter, sondern Zanna, Astronautin auf der ISS, die in den kurzen Zeitfenstern, in denen die ISS in Reichweite ist, mit den beiden Mädchen ins Gespräch kommt. Was macht man im All? Wie isst man und wie geht man auf Toilette? Nachdem diese Alltagsfragen geklärt sind, sprechen die drei über Wesentliches: Was fehlt, und vor allem wer fehlt, wenn man im All ist? Oder was fehlt, wenn man auf der Erde und ohne Mutter ist, so wie bei Toni. Doch auch diese Verbindung reißt ab, die ISS bleibt außer Reichweite und die beiden Mädchen allein mit ihren Erinnerungen. Über die tauschen sie sich aus, voller Begeisterung über den Kontakt zur ISS. Allmählich tasten sie sich heran, an das, was sie über ihre Freundschaft hinaus verbindet: An ihre Trauer und die nicht erzählten Geschichten, die sie von Tonis Mutter immer noch im Herzen tragen. Und im Erzählen finden sie Worte für diese Trauer, können der Erinnerung Raum 
geben. Und dann verstehen Toni und Yumyum:  Die Liebe bleibt, über den Tod hinaus, denn „in der Liebe“ sind wir „unsterblich“.

Buchrezensionen von Markus Tomberg

Markus Tomberg fischt für Pfarrbriefservice.de die interessantesten Geschichten aus dem Büchermeer. Er ist Mitglied der Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises der Deutschen Bischofskonferenz. Für Pfarrbriefservice.de schreibt er Rezensionen ausgewählter Kinder- und Jugendbücher.

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Alle bisherigen Beiträge der Reihe.

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Markus Tomberg

Jahrgang 68, ist seit 2012 Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät Fulda.

Eine Rezension von Markus Tomberg

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Markus Tomberg

Wann fängt eine Geschichte an? Tonis Erzählung von einer Gartenübernachtung zusammen mit ihrer besten Freundin Yumyum schreckt vor den schwierigen philosophischen Fragen nicht zurück. Gleich der erste Satz zeigt: Es gibt immer ein Vorher.

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