Von den meisten Menschen unbemerkt wird in Frankfurt und in Leipzig täglich Geschichte geschrieben, oder besser gesagt archiviert: Auf 400 Regalkilometer bringen es die Bestände der Deutschen Nationalbibliothek (DNB). Susanne Jacobi leitet dort seit Sommer 2019 das Sachgebiet Bestandsaufbau am Frankfurter Standort. Wir durften ihr einige Fragen stellen:
Was ist die Deutsche Nationalbibliothek?
Susanne Jacobi: Die Deutsche Nationalbibliothek ist das „Gedächtnis der Nation“. Sie hat den gesetzlichen Auftrag, alle Werke in Schrift, Bild und Ton zu sammeln, zu erschließen und zu archivieren, die seit 1913 in Deutschland, über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht sind. Dies geschieht grundsätzlich wertungsfrei und ohne inhaltliche Eingrenzung.
Warum gibt es die DNB?
Jacobi: Es geht um das dauerhafte Speichern und Verfügbarmachen der Publikationen. Die Sammelstücke können beispielsweise für spätere Forschungen unterschiedlichster Art interessant sein. Gegründet wurde unser Haus erst im Jahr 1912 vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler. Als zentrale Einrichtung sind wir im Vergleich zu Häusern in anderen Ländern, wie England, Frankreich oder auch den USA relativ jung, was unter anderem durch die deutsche Kleinstaaterei historische Gründe hat. Heute sind unsere Aufgaben im „Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek“ festgelegt.
Wird dort wirklich alles gesammelt?
Die Ablieferungspflicht gilt für alles, was in Deutschland veröffentlicht wird. Nicht nur Bücher und Zeitschriften werden bei uns bibliografisch verzeichnet, sondern z.B. auch Tonträger und Noten, Veröffentlichungen auf Datenträgern, Landkarten, Stadtpläne, Merkblätter, Anschauungstafeln sowie Online-Publikationen. Es gibt davon nur wenige Ausnahmen. Zum Beispiel sammeln wir im Allgemeinen keine Bücher mit weniger als 5 Seiten oder Auflagenhöhen unter 25 Exemplaren. Auch Gegenstände, deren Hauptzweck nicht in der Vermittlung von Inhalten besteht, wie bedruckte Tassen oder Regenschirme, zählen nicht zu unserem Auftrag. Im Ausland erschienene Medienwerke sammeln wir, sofern sie in deutscher Sprache sind, aus dem deutschen übersetzt wurden oder über Deutschland handeln, also zum Beispiel Reiseführer.
Welches spezielle Interesse der DNB besteht an den Pfarrbriefen?
Auch Pfarrbriefe, wenn sie über reine Terminankündigungen hinaus gehen, sind selbstverständlich Bestandteil des Gedächtnisses der Nation. Wie alle anderen Werke können sie beispielsweise für spätere Forschungen interessant sein.
Was passiert eigentlich mit den Pfarrbriefen, die Sie zugesandt bekommen?
Nachdem sie in der Poststelle in Frankfurt oder Leipzig eingegangen sind, werden die Pfarrbriefe in unseren Bestand eingearbeitet. Sie erhalten eine Akzessionsnummer und werden anschließend nach den internationalen bibliografischen Regelwerken erschlossen. Der letzte Schritt ist die Aufstellung in den Magazinen. Zum dauerhaften Schutz der Bestände herrschen dort besondere klimatische Bedingungen.
Können einzelne Bürger auf die Archive zugreifen? Wenn ja, wie?
Ja, jeder und jede ab 18 Jahren darf die Bibliothek kostenfrei nutzen. Es handelt sich grundsätzlich um eine Präsenzbibliothek, das heißt man kann die Werke nur vor Ort einsehen, aber nicht ausleihen. Die Lesesäle befinden sich in Frankfurt und im Gründungshaus Leipzig. Man muss sich vorab registrieren, was online möglich ist. Es empfiehlt sich einzelne Werke zu reservieren, die man einsehen möchte. Für die Recherche steht unser bibliografisches Verzeichnis öffentlich unter www.dnb.de zur Verfügung.
Wie geht die DNB das Thema Digitalisierung an?
Im Jahr 2006 wurde unser gesetzlicher Sammelauftrag erweitert um Netzpublikationen. Das heißt, wir archivieren seitdem Veröffentlichungen aus dem Internet, wie E-Books, E-Papers und Websites. Auch diese Werke stehen damit dauerhaft der Forschung zur Verfügung.
Das Interview führte Christian Schmitt, Pfarrbriefservice.de