„Alleinstehende suchen einen Ort, wo sie persönlicher angesprochen werden“
Martina Stodt-Serve setzt in Essen-Rüttenscheid auf Singlepastoral – Ein Interview
Seit 2019 bieten Martina Stodt-Serve, Leiterin der katholischen Gemeinde St. Andreas in Essen-Rüttenscheid, und ihre evangelische Kollegin halbjährlich einen Single-Gottesdienst mit anschließender Begegnung an. Dabei hatte es nicht bleiben sollen, geplant waren weitere Aktivitäten und Gemeinschaftserlebnisse. Doch Corona bremste das Engagement erst mal aus. Wie es dazu kam, welche Erfahrungen Martina Stodt-Serve damit machte und welchen Tipp sie für Nachahmer hat, dazu ein Gespräch mit ihr.
Was ist für Sie Singlepastoral?
Martina Stodt-Serve: Wenn wir als Gemeinde Menschen einbeziehen, die alleinstehend sind. Dabei ist es egal, ob sie vorher verheiratet waren oder schon immer alleine unterwegs sind. Da gibt es eine große Bandbreite an Lebensverläufen.
Diese Menschen fühlen sich von den sonstigen Angeboten Ihrer Gemeinde nicht so angesprochen?
Martina Stodt-Serve: Die, die zu unseren Single-Gottesdiensten gekommen sind, haben sie als sehr wohltuend empfunden und sich gewünscht, dass es weitere solcher Gottesdienste gibt. Manche äußerten auch, dass sie es leid wären, dass die Familien immer so im Vordergrund stünden. Meine Wahrnehmung ist: Alleinstehende suchen einen Ort, wo sie persönlicher angesprochen werden.
Wie kamen Sie dazu, in Ihrer Gemeinde entsprechende Angebote zu machen?
Martina Stodt-Serve: Sie werden lachen. Anlass war ein ökumenischer Valentinsgottesdienst im Februar 2019. Danach berichtete mir meine evangelische Kollegin von Beschwerden einiger Gemeindemitglieder, wonach es immer nur Angebote für Paare und Familien gebe, aber nichts für Einzelstehende. Da habe ich gesagt: Ja, warum sollen wir nicht auch mal einen Gottesdienst für Singles anbieten? Am 5. Juli 2019 war es dann soweit. Wir haben den Gottesdienst bewusst in den Sommer gelegt, damit danach noch Möglichkeit war, gemeinsam zu grillen und sich zu begegnen.
Wie war die Resonanz?
Martina Stodt-Serve: Sie war sehr gut. Rund 80 Menschen fanden den Weg zu uns, nicht nur aus unseren Gemeinden, sondern auch von weiter her. Wir haben die Presse vorher informiert, die voll darauf angesprungen ist. Leider hat das ein Radiosender in die falsche Richtung gebracht. Auf Facebook witzelten die Redakteure, dass man nach neun Monaten dann wohl in Rüttenscheid den größten Taufgottesdienst feiern könnte. Das hat sicherlich einige beim ersten Mal abgeschreckt, denn es ging uns ja nicht um eine Partnervermittlung. Das war überhaupt nicht unsere Intention.
Daran kann man auch sehen, wie Singles oftmals wahrgenommen werden – als unvollständig, als würde ihnen etwas fehlen.
Martina Stodt-Serve: Genau. Und das ist ja völlig falsch. Allein in Essen gibt es mehr als 50 Prozent Single-Haushalte – Alleinstehende, Geschiedene, Alleinerziehende oder auch Verwitwete, wobei diese Gruppe, das habe ich gemerkt, sich ungern als Single bezeichnet. Für manche klingt der Single-Begriff abwertend. Wir hatten die Diskussion, ob wir unseren Gottesdienst mit Single-Gottesdienst ankündigen sollten. Wir haben dann auch geschrieben: „Für alle Einzigartigen und Alleinstehenden“, um das einfach nochmal anders zu fassen. Dennoch finde ich, der Begriff „Single“ trifft es einfach am besten.
Sie sind selbst verheiratet und haben Kinder. Finden Sie es schwierig, sich für Singles zu engagieren?
Martina Stodt-Serve: Nein. Als Gemeindeleiterin muss ich das Ganze sehen. Und wenn ich weiß, dass vor Ort mehr als 50 Prozent der Menschen Singles sind, dann müssen die ja auch ein Teil unserer Gemeinde werden. Dass sie Anschluss finden und eine Gemeinschaft.
Wenn Sie sich für Ihre Zielgruppe etwas wünschen könnten, was wäre das?
Martina Stodt-Serve: Ich würde mir wünschen, dass sie sich wohlfühlen in der Kirche, dass sie sich angenommen fühlen, so wie sie sind. Ich habe den Eindruck, manche spüren ein Defizit, weil sie Single sind. Für mich gibt es da kein Defizit. Aber die Gesellschaft gibt das immer noch so vor – dass es normal wäre, verheiratet zu sein und Kinder zu haben. Ich würde mir auch wünschen, dass sie sich trauen, einfach so in die Gemeinde mit hinein zu kommen, dass sie keine Scheu haben. Und helfen würde, wenn sie ihre Wünsche mitteilen und bereit wären, sich selbst dafür einzubringen. Denn dann kann es weitergehen.
Welchen Tipp geben Sie Pfarreien, die Ähnliches aufbauen möchten?
Martina Stodt-Serve: Einfach ausprobieren. Und eigentlich müssten wir ein Netzwerk bilden, in dem man sich austauschen und gegenseitig unterstützen kann.
Interview: Elfriede Klauer, In: Pfarrbriefservice.de
Martina Stodt-Serve freut sich über Feedback, Ideen und Austausch unter stodt-serve@st-lambertus-essen.de.
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Text: Elfriede KlauerIn: Pfarrbriefservice.de