Auf der Suche nach Edelsteinen

Im Interview erklärt Kursleiterin und Ausbilderin Regine Hain das Besondere von Kess-erziehen

Was unterscheidet Kess-erziehen von anderen Elternkursen?

Regine Hain: Das lässt sich so allgemein nicht sagen. Dazu gibt es zu viele unterschiedliche Angebote. Zentral für Kess-erziehen ist, dass es mit fünf Einheiten ein sehr kompaktes Angebot ist, was den Eltern von der Zeitplanung her sehr entgegenkommt. Außerdem wird mit einer Fülle an Methoden gearbeitet, z.B. mit Erinnerungsreisen, Körperübungen, Anspielen oder kleinen Demonstrationen. Die Teilnehmer können sich so auf vielfältige Weise einbringen. Und Kess-erziehen arbeitet auf einer individualpsychologischen Grundlage. Danach ist das Individuum ein unteilbares Ganzes, das seinen Platz in der Gemeinschaft finden und Verantwortung übernehmen will.

Zentral für Kess-erziehen ist, Verständnis für das störende Verhalten eines Kindes zu wecken. Wenn ein Kind nervt, was habe ich als Mutter oder Vater davon, wenn ich versuche, es zu verstehen? Die spontane Reaktion ist ja eher zu schimpfen.

Regine Hain: Schimpfen mag das störende Verhalten für kurze Zeit stoppen. Langfristig wird sich aber nichts ändern. Ein Beispiel: Die Eltern haben Besuch, mit dem sie sich unterhalten möchten. Der siebenjährige Sohn redet ständig dazwischen. Wenn die Eltern verstehen, dass ihr Kind sich möglicherweise so verhält, weil es Angst hat, nicht dazuzugehören, können sie anders reagieren. Sie können z.B. durch körperliche Nähe oder indem sie das Kind in eine Tätigkeit einbeziehen, dem Kind zeigen, dass sie es mit seinem Bedürfnis ernst nehmen. Wenn Eltern verstehen und entsprechend reagieren, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass das störende Verhalten auch wirklich endet.

Kess-erziehen arbeitet mit Edelstein-Momenten. Was muss man sich darunter vorstellen?

Regine Hain: Das sind ganz wertvolle Momente, also wirklich Sekunden, in denen die Mutter oder der Vater und das Kind ihre Beziehung intensiv spüren. Wenn sie z.B. miteinander lachen, etwas gemeinsam tun, einander zuhören oder sich einfach nur knuddeln.

Warum sind Edelstein-Momente so wichtig in der Beziehung zwischen Eltern und Kinder?

Regine Hain: Im Kurs Kess-erziehen werden die Edelstein-Momente bereits am ersten Abend eingeführt und die Eltern gebeten, im Alltag darauf zu achten. Aus Rückmeldungen wissen wir, dass das alleine schon etwas verändert. Es stehen nun nicht mehr die Schwierigkeiten miteinander im Zentrum, sondern das, was gelingt, was gut ist. Edelstein-Momente helfen, sich selbst und das Kind anders zu sehen und eine sichere Bindung aufzubauen.

Für Kess-erziehen ist die Ermutigung von Eltern und Kinder ein ganz wichtiger Bestandteil. Was meint ermutigen im Gegensatz zu loben?

Regine Hain: Ein Lob bezieht sich auf eine Leistung. Es ist mit einer Wertung verbunden und oft auch abgrenzend. Eine Ermutigung dagegen geschieht unabhängig von einer Leistung. Sie schaut mehr auf den Prozess und will auch dann ihren Beitrag leisten, wenn gar nichts gelingt. Ermutigende Aussagen sind z.B.: Ich bin da für dich. Ich glaube an dich. Du bist ein ganz toller Mensch.

Warum ist Ermutigung so wichtig?

Regine Hain: In der Individualpsychologie spielt sie eine wichtige Rolle. Nach Alfred Adler, dem Begründer, wagen nur ermutigte Menschen etwas und übernehmen Verantwortung. Sie wirkt wie ein Lebenselexier. Rudolf Dreikurs, ein weiterer Vertreter der Individualpsychologie, prägte den Spruch: Ein Kind braucht Ermutigung wie eine Pflanze das Wasser.

Zur Person: Regine Hain (geb. 1967) leitet die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Braunschweig. Die Diplom-Religionspädagogin ist Referentin und Ausbilderin für Kess und gehörte zum Entwicklerteam der Kurskonzepte für „Kess erziehen - Von Anfang an“ und „Kess erziehen – Staunen. Fragen. Gott entdecken.“.

Interview: Elfriede Klauer, Pfarrbriefservice.de

Hinweis: Ein Foto von Regine Hain finden Sie hier.

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für November 2014

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,03 MB

Sie dürfen den Text in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de