"Berufung zeigt sich in dem, was ich bin"

Ein Glaubens- und Berufungszeugnis

Immer wieder komme ich als Novizenmeister unserer Abtei in die Situation, dass Menschen zu mir kommen und mich fragen: „Wie bekommt man eigentlich seine Berufung heraus?“ Mir kommt dann immer ein Wort von Kardinal Martini (Mailand) in den Sinn, was mir in meiner Zeit der Suche sehr geholfen hat und was ich dann im Gespräch an meinem eigenen Lebenslauf versuche zu verdeutlichen.

Nach dem Wort von Kardinal Martini fällt Berufung nicht vom Himmel, sondern zeigt sich vor allem in dem, was ich bin! In meinen Charaktereigenschaften, meinen Interessen, meinen Stärken und Schwächen. Und wo ich all dies in einer guten Art und Weise miteinander leben kann – da ist der Ort, die Lebensweise, zu der ich berufen bin, zu finden.

Und tatsächlich: Wenn ich auf mein Leben, meine Geschichte schaue, dann ist da ein innerer Zusammenhang zu dem, was ich heute bin – ein Benediktinermönch.

Einige Mosaiksteinchen…

Aufgewachsen bin ich einer Familie, die zwar katholisch war, aber diesen Glauben nicht wirklich praktizierte. Meine Mutter hatte ein Spielwarengeschäft, das direkt neben der Kirche lag. Oft kam ich nach der Schule direkt ins Geschäft, machte meine Hausaufgaben und hatte dann „die Fülle des Lebens“ in all den neuen Spielen, Autos… vor mir. Doch das wurde mir irgendwann langweilig, und ich erkundete unsere Kirche. Schnell hatte unser Küster mich im Blick und zeigte mir eine neue, bis dahin unbekannte Welt. So war ich bald Messdiener, machte Küstervertretungen,… Zufall?

Ein anderes Steinchen:

Geschwister hab ich mir zwar immer gewünscht – aber erst mal war ich ein Einzelkind! Meine Eltern waren beide berufstätig, unser Haus lag etwas außerhalb des Ortes. Wenn ich nachmittags nicht im Spielwarengeschäft meiner Mutter war, war ich oft alleine zu Hause. Manchmal hab ich das tatsächlich als bedrückend erlebt. Aber ich habe in dieser Zeit auch gelernt, mich mit mir selbst zu beschäftigen und eine Leidenschaft für das Lesen zu entwickeln.

Ist es also wirklich verwunderlich, dass ich später eine Ordensgemeinschaft gewählt habe, in der ich viele Brüder habe, wo aber auch das Allein-sein (Mönch kommt vom lat. monos = alleine) einen wichtigen Stellenwert hat? Ganz zu schweigen von der Grundsäule benediktinischen Lebens neben Gebet (Ora) und Arbeit (Labora) – dem Lesen (Lege).

Ein letztes Steinchen:

Während meiner gesamten Schulzeit bekamen meine Eltern bei Sprechtagen in der Schule immer wieder zu hören: „Er ist interessiert, bei der Sache. Aber zu wenig mündliche Mitarbeit. Zu still!“ Immer wieder hab ich mir vorgenommen, das zu ändern. Aber es funktionierte nicht wirklich. Ich blieb zu still!

Wie wohltuend war es da für mich, irgendwann die Meditation kennenzulernen. Einfach vor Gott, mit Gott zu sitzen, und nichts sagen zu müssen. Einfach da sein zu dürfen.

Und wie beglückend, als ich in der Ausbildung zum Geistlichen Begleiter in der Abschlussrunde von der Gruppe gesagt bekam: „Deine Stärke ist, dass du so gut zuhören kannst. Du bist einfach still da, kannst dich ganz zurücknehmen, so dass der andere erzählen kann!“ Aus der Schwäche wurde eine Stärke – in der Beziehung zu Gott, in der Seelsorge. Zufall?

Meine Berufung – sie fällt nicht vom Himmel. Lange bereitet Gott sie vor. In meiner Geschichte, in dem, wie ich geworden bin … Es ist immer wieder ein Abenteuer, sich auf den Weg zu machen, um meinen Lebensort zu finden. Den Ort, wo ich, so wie ich bin, hingehöre. Die Lebensform, zu der Gott mich gerufen hat.

P. Jonas Wiemann OSB, Abtei Königsmünster, Meschede, Quelle: www.berufungspastoral-paderborn.de

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Januar 2012

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,03 MB

Sie dürfen den Text NICHT in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: P. Jonas Wiemann OSB
In: Pfarrbriefservice.de