Brief an ein Kind, das nicht leben konnte, geschrieben am errechneten Geburtstag
Mein Mäuslein!
Für Ärzte und Wissenschaftler ist es eine klare Sache: Ein in Teilen entarteter Placenta-Zellverband macht ein gesund wachsendes Kind unmöglich. Aber für mich bist du mein Kind. Ich habe die Veränderung meines Körpers sehr früh und deutlich verspürt und mich so stark und glücklich gefühlt wie niemals zuvor.
Wir haben sehr lange darauf gewartet, deinen Herzschlag zu sehen, und eigentlich hat keiner mehr geglaubt, dass du wachsen könntest. Aber dann war er da und ich weiß, dass es meine Liebe zu dir war, die dies möglich machte. Heute, am Geburtstag deines Opas Dieter solltest du der Welt „Hallo“ sagen. Ich bin so unendlich traurig, dass du nicht mehr lebst und heute nicht unser großer Tag ist.
Dein Papa und ich haben schon vor sechs Jahren beschlossen, dass du entweder Maike oder Jens heißen solltest. Wir haben überlegt, ob du wohl so rote Haare wie dein Opa und Uropa haben würdest, ob du so ruhig wie dein Papa oder so temperamentvoll wie ich sein würdest. Aber egal, wie du gewesen wärest, wir lieben dich.
Für mich bist du nicht ein zehn Wochen alter Zellverband, für mich bist du mein Kind, das ich geliebt und erhofft und verloren habe, ehe ich dich in meine Arme nehmen konnte.
Du und ich — haben soviel miteinander gesprochen, bis zu dem Tag, als du mir keine Antwort mehr geben konntest. Noch ehe ich zum Arzt musste, habe ich gefühlt — dein kleines Herz schlägt nicht mehr.
Ich bin so furchtbar traurig, dass wir dich nicht willkommen heißen durften, wo du doch so willkommen warst. Deine Großmütter und -väter haben sich so gefreut und auch unsere Freunde, die dich geliebt hätten, wie sie uns lieben.
Mein Patenkind Ralf hat Lebensmittel gekauft, damit du groß und stark würdest. Aber unser Schicksal wollte es anders.
Ich hätte so gerne ein Grab für dich (aber das gibt es ja für „Zellverbände“ nicht), um der Welt zu zeigen, seht her: MEIN KIND, denn das bist du für mich!
Aber in meinem Herzen, Mäuslein, ist dein Platz. Hier halte ich dich warm und lieb. In meinem Herzen bist du zu Hause.
In Liebe und Trauer
Mama
aus: Gerda Palm: Jetzt bist du schon gegangen, Kind. Trauerbegleitung und heilende Rituale mit Eltern frühverstorbener Kinder. Don Bosco Verlag, 2001. www.palm-beratung.de; www.pfarrbriefservice.de
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Text: www.palm-beratung.deIn: Pfarrbriefservice.de