Brief zur Corona-Krise
Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr fordert Einhaltung der Behörden-Auflagen und Solidarität
Liebe Mitchristen,
„Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen.“ Dieses Lied Martin Luthers singen auch katholische Christen in der Komplet, dem Abendgebet der Kirche. Wir wissen, dass unser Leben jederzeit bedroht ist durch Krankheiten, Unfälle oder Katastrophen. Trotzdem gehen wir beim Aufstehen davon aus, dass wir am Abend wieder ins Bett gehen werden. Diese selbstverständliche Zuversicht ist durch das Corona-Virus erschüttert – nicht nur für Einzelne, sondern für die ganze Gesellschaft. Eine unheimliche Angst breitet sich aus. Die gravierenden Pandemie-Maßnahmen der Behörden lähmen nicht nur das gesellschaftliche Leben, sondern auch die Lebensfreude und die Lebenszuversicht.
Sie legen aber auch einen grundlegenden Wert unserer Gesellschaft frei: die Solidarität. Das Virus macht nicht halt vor Landesgrenzen und gesellschaftlichen Milieus, es unterscheidet nicht zwischen politischen Systemen und Parteien und ergreift alle Religionen oder Hautfarben. Wir sitzen alle im selben Boot der Erde. Das fordert unsere Solidarität, zurzeit besonders mit älteren und kranken Menschen und mit allen, die in Arztpraxen und Krankenhäusern arbeiten. Diese Solidarität erfordert die Einhaltung der behördlichen Maßnahmen. Ich hoffe und bete, dass diese Solidarität in unserer Gesellschaft nicht zerbröckelt, sondern wächst, und dass jetzt nicht die Not anderer übersehen wird, vor allem der geflüchteten Menschen in Syrien, in der Türkei und in Griechenland.
Das Verbot öffentlicher Veranstaltungen oder die Begrenzung der Teilnehmerzahl trifft uns sehr hart. Gerade jetzt in Zeiten dieser unheimlichen Angst bräuchten wir die Gemeinschaft der Gläubigen im Gottesdienst und die Gewissheit der Gegenwart Jesu Christi in den Sakramenten. In der Fastenzeit nehmen wir uns normalerweise mehr Zeit für unseren Glauben bei Andachten, Bildungsveranstaltungen oder Besinnungstagen, die jetzt vielerorts ausfallen müssen. Wo öffentliche Veranstaltungen ganz verboten sind, müssen die Priester privat zelebrieren. Ich möchte die Priester daran erinnern, dass wir die Sonntagsmesse immer für alle uns anvertrauten Gläubigen feiern, auch für die, die nicht da sind. Sie können einzelne Gläubige hinzuziehen, bis zum Ende der behördlichen Maßnahmen aber auch alleine zelebrieren (Can. 904 CIC) Für die Gläubigen ist die Sonntagspflicht bis zum Ende der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt.
Es fällt mir als Bischof sehr schwer, diese Sätze zu schreiben. Haben nicht die Bischöfe in Pestzeiten zu Gottesdiensten und Bittprozessionen aufgerufen? Haben wir das Gottvertrauen verloren? Ich werde heute Mittag zum Hülfensberg wallfahren, um den gekreuzigten Herrn Jesus Christus, den „Gehülfen“, um seinen Beistand für uns alle zu bitten. Ich werde ihn anflehen, dass wir dort bald nach dem Ende der behördlichen Maßnahmen ein Fest der Befreiung feiern können. Bis dahin kann ich aber die Erkenntnisse der Wissenschaftler nicht in den Wind schlagen und bitte Sie alle um die geforderte Solidarität. „Not lehrt beten.“ Auch unser Gebet ist eine wichtige Form der Solidarität. Wo Veranstaltungen mit wenigen Teilnehmern erlaubt sind, können Sie auch werktags zur Eucharistiefeier zusammenkommen. Sie können zu Hause gemeinsam beten. Auf der Homepage unseres Bistums ist eine kleine Hausandacht vorgeschlagen, die dazu einlädt, die Hauskirche neu zu entdecken. Gottesdienste, die im Fernsehen, im Radio oder im Internet übertragen werden, bieten die Möglichkeit, gemeinsam im Geist zu beten: „Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei mit uns in allem Leiden. Voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten.“ (GL 453)
Es segne und behüte Sie alle der dreifaltige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Ihr Bischof Ulrich Neymeyr
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Text: Bischof Ulrich Neymeyr, Bistum ErfurtIn: Pfarrbriefservice.de