„Das geht gar nicht“
Vom Wesen der Toleranz
,‚… Das geht gar nicht …“, unzählige Male haben wir heute schon diesen Ausspruch gehört. Immer wieder kommen uns diese Worte über die Lippen. Immer wieder erklingen sie in unseren Ohren. Wo ziehen wir die Grenze? An welcher Stelle reagieren wir empfindlich? Wann halten wir es nicht mehr aus und sagen: Das geht gar nicht! Das ... geht … gar … nicht – mit diesen Worten erscheint ein rotes STOPP-Schild. Halt! Hier ist meine Toleranzgrenze erreicht!
„Toleranz“ – das ist ein Wort, das in unserer Zeit und Welt immer wieder angesprochen und eingefordert wird. Was ist Toleranz eigentlich? Bedeutet tolerant sein, dass ich alles und jeden hinnehmen muss? Muss ich für andere Einstellungen und Verhaltensweisen Verständnis haben? Heißt Toleranz, dass jede und jeder nach seiner Fasson glücklich werden soll? Halte ich mich für tolerant, weil es mir egal ist, wie andere reden, was sie denken und tun? Ist es mir also gleich-gültig, solange ich nichts damit zu tun habe und man mich in Ruhe lässt? Heißt Toleranz, dass ich alles hinnehme um des lieben Friedens willen?
Dieses große Wort hat seine Wurzeln in der lateinischen Sprache. Tolerantia ist die Kunst des geduldigen Ausharrens. Dazu gehört die Kraft zum Ertragen – die Toleratio. Und das ist mehr als etwas auszuhalten, weil es einer egal ist, oder weil es um des lieben Friedens willen geht. Er-tragen, dulden, aus-halten, zu-lassen können, durch-stehen. Die Toleranz hat viele Schwestern, z.B. die Duldsamkeit, die Nachsicht, das Verständnis, die Rücksicht, auch die Behutsamkeit und die Geduld. Die Gnade und die Großzügigkeit, das Entgegenkommen und die Freundlichkeit; Nächstenliebe, Sympathie und Wohlwollen.
Sich in der Toleranz zu üben, heißt auch, dass ich meinen eigenen Standpunkt weiß und vertreten kann. Ich muss nicht alles gut finden oder ablehnen. Sondern ich habe die innere Stärke, andere Meinungen und Einsichten auszuhalten und stehenzulassen. Ja, es ist wichtig, sich die eigenen Grenzen einzugestehen. Und sich dennoch eine innere Offenheit und Neugier zu bewahren. Denn die eigene Meinung ändert sich mitunter. Gewisse Dinge werden im Laufe des Lebens auch anders wahrgenommen und erfahren.
[…]
Mit Gottes Gnade und Liebe im Herzen können wir tolerant sein. Wir können uns einlassen auf die Ansichten des anderen, auf das Verhalten der anderen. Wir müssen nicht mit aller Gewalt unseren Standpunkt durchsetzen. Weil letztendlich jede Welt- und Glaubenssicht begrenzt ist, Brüche und Risse hat und nicht vollkommen und wahrhaftig ist. Darin besteht unser Sündig-Sein – um es klassisch theologisch auszudrücken. Mit Gottes Gnade und Liebe im Herzen können wir tolerant sein.
[…]
In der Bibel erscheint das Thema „Toleranz“ nicht direkt in einer Geschichte oder mehreren Texten. Wenn man die Heiligen Schriften auf das Thema „Toleranz“ hin liest, entdeckt man zweierlei: Glaubenserfahrungen und theologische Bekenntnisse werden einerseits benutzt, um den eigenen Standpunkt zu begründen, ja sogar zu zementieren, absolut festzuschreiben. Andererseits spiegeln die biblischen Zeugnisse das Ringen um gegenseitige Akzeptanz, um das Stehenlassen können der anderen. In den Briefen an die ersten christlichen Gemeinden entdecken wir, wie um das Nebeneinander von Frau und Mann, von Grieche und Jude, Sklave und Herr gerungen wird (Galater 3,28). Paulus greift das Bild des einen Leibes mit den vielen Gliedern auf, um den Christen und Christinnen in Rom und Korinth darzustellen, dass alle gleichwertig sind. Es spielt keine Rolle, was ich mitbringe an Begabungen und Fähigkeiten. Immer wieder wird betont, dass Gott von Anfang an Vielfalt geschaffen hat und Vielfalt wünscht. Bunt und vielfältig sieht es auf dieser Erde aus. Bunt und vielfältig sieht es unter uns Menschen aus und bunt und vielfältig sieht es auch in uns Menschen aus. Diese Vielfalt ist ein Reichtum von Gottes schöpferischer Kraft und daran dürfen wir Anteil haben und sie mit gestalten.
[…]
Der Text ist die gekürzte Fassung einer Predigt zum Rogate – Frauentreffen 2013 mit dem Thema „…das geht gar nicht – Frauen und Toleranz“
Quelle: https://www.frauenarbeit-sachsen.de/mat/rogate_2013.pdf
In: Pfarrbriefservice.de
Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,02 MB
Sie dürfen diesen Text für alle nichtkommerziellen Zwecke der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Pfarr-/Gemeindebrief, Plakat, Flyer, Website) sowie für Unterrichtszwecke* nutzen. Die Nutzung ist in dem beschriebenen Rahmen honorarfrei. Sie verpflichten sich den Namen des Autors/-in, als Quelle Pfarrbriefservice.de und ggf. weitere Angaben zu nennen.
*) Ausführliche Infos zu unseren Nutzungsbedingungen finden Sie hier.
Wir freuen uns über die Zusendung eines Belegs an die Redaktionsanschrift.
Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen
Text: Kirchliche Frauenarbeit der Ev. Luth. Landeskirche SachsensIn: Pfarrbriefservice.de