Dauerbrenner: Kirchliche Sexuallehre

In der Arbeitsgruppe und auf den Regionalkonferenzen des Synodalen Weges wurden die Differenzen deutlich

Trotz der corona-bedingten Einschränkungen haben die Foren des Synodalen Wegs ihre Arbeit aufgenommen. Auf den Regionalkonferenzen im Herbst 2020 wurde über einen Entwurf des Forums diskutiert, das zu „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ arbeitet. Dieses Feld ist weit; die Herausforderungen sind immens. Die katholische Sexualmoral gilt als nicht zeitgemäß, welt- und beziehungsfremd. Über kirchliche Vorgaben zur Familienplanung spricht kaum noch jemand. Sexuelle Beziehungen vor und jenseits einer Ehe finden weithin Akzeptanz. Die offizielle Haltung der Kirche zur Homosexualität wird als diskriminierend wahrgenommen. Dass man „sex“ (als biologisches Geschlecht) und „gender“ (als soziales Geschlecht) unterscheiden und eine gendersensible Sprache kultivieren muss, ist allenthalben selbstverständlich. In der katholischen Kirche gilt das jedoch immer noch als „Ideologie“. Angesichts der massiven Fälle sexualisierter Gewalt durch Kleriker ist eine prekäre kirchliche Doppelmoral offenkundig geworden.

Was sind die Grundlagen?

Es braucht eine Verständigung über die Grundlagen. Konsens besteht darin, dass Sexualität Gottes Schöpfungsgabe ist und in Liebe gestaltet werden soll. Doch was daraus folgt, ist umstritten. Ist sexuelle Selbstbestimmung nur ein Ideal? Oder handelt es sich um ein Recht jedes und jeder einzelnen? Ist Sex nur dann in Ordnung, wenn man gemeinsam Eltern werden will? Oder sind Liebe und Zeugung eigenständige Dimensionen menschlicher Sexualität? Können nur heterosexuelle Paare auf Gottes Segen bauen? Oder gilt dies unabhängig von der sexuellen Orientierung der Partner? Gibt es eine ein für allemal geltende eindeutige Offenbarung Gottes für menschliche Beziehungen? Oder kann sich kirchliche Ehelehre mit der Zeit weiterentwickeln?

Ein Kompromiss ist nicht in Sicht

Letztlich geht es um die Frage, ob man der Zeugungsfähigkeit oder der Beziehung zweier Partner das letzte Wort lässt. Die traditionelle kirchliche Lehre steht für die erste, die Überzeugung vieler Katholik/inn/en für die zweite Option. Das wurde in den Debatten sehr deutlich. Insbesondere die jungen Leute und diejenigen, die in nichtkirchlichen Berufen arbeiten, verwiesen zudem darauf, dass selbst eine entsprechend erneuerte kirchliche Sexualethik vom realen Leben weit entfernt wäre. Im Arbeitstext des Forums wurden die Konfliktlinien durch alternative Antwortmöglichkeiten offengelegt. Denn ein Kompromiss oder Einstimmigkeit sind nicht in Sicht. Am Ende wird man, so das Stimmungsbild der Synodalen in Berlin, Dortmund, Frankfurt/M., Ludwigshafen und München, Mehrheitsbeschlüsse verabschieden. Abweichende Sondervoten können natürlich eingebracht werden. Doch Ehrlichkeit tut not, wenn die Kirche auf dem Feld von Liebe und Sexualität wieder glaubwürdig und sprachfähig werden will. Alles beim Alten zu lassen, weil womöglich keine Einstimmigkeit erreicht wird, löst die Probleme jedenfalls nicht.

Julia Knop, In: Pfarrbriefservice.de

Dr. theol. Julia Knop (geb. 1977) ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt und Mitglied der Synodalversammlung sowie des Synodalforums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“.

Der Synodale Weg

Der Synodale Weg ist ein Gesprächsprozess innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll der Aufarbeitung von Fragen dienen, die sich im Herbst 2018 nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie über sexuellen Missbrauch in der Kirche ergeben haben. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verantworten gemeinsam diesen Prozess, der auf zwei Jahre angelegt ist und am 1. Dezember 2019 eröffnet wurde. www.synodalerweg.de

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Text: Julia Knop
In: Pfarrbriefservice.de