"Den interreligiösen Dialog kann seriös nur führen, wer die Unterschiede im Glauben achtet"

Interview mit Werner Höbsch, Leiter des Referats für Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln

Der Amtseid der niedersächsischen Ministerin Aygül Özkan einschließlich der religiösen Formel hat viele Menschen nachdenklich gemacht, zumal Frau Özkan ihre Entscheidung zu dieser Formel anschließend mit ihrem Gottesverständnis erläuterte. Werner Höbsch, Leiter des Referats für Dialog und Verkündigung und im Erzbistum Köln zuständig für den interreligiösen Dialog, ordnet im Gespräch die Vorgänge ein.

Herr Höbsch, Aygül Özkan, Niedersachsens neue Sozial- und Integrationsministerin, hat ihren Amtseid mit der Formel „So wahr mir Gott helfe“ beschlossen. In der öffentlichen Diskussion ist kritisch gefragt worden, ob die neue Ministerin als Muslima diesen Zusatz sprechen dürfe.

Höbsch: Diese Kritik entbehrt jeder Grundlage. Aus kirchlicher Sicht ist die Wahl des religiösen Zusatzes zum Eid nur zu begrüßen. Darin kommt zum Ausdruck, dass Frau Özkan als Muslima weiß, dass sie in der Ausübung ihres Amtes eine Verantwortung „vor Gott und den Menschen“ übernimmt.

Im Anschluss an den Eid hat Aygül Özkan zu ihrem Gottesverständnis geäußert, sie glaube an den „einen und einzigen Gott“, der Juden, Christen und Moslems gemeinsam sei. Kann das so einfach gesagt werden?

Höbsch: Auch hier darf Frau Özkan nicht – wie geschehen – zu schnell kritisiert werden. Sie bringt damit in einem kurzen Statement vor der Presse zum Ausdruck, dass sie Gemeinsamkeiten im Glauben der Juden, Christen und Muslime sieht, die gemeinsam vor dem einen Gott stehen. Das hat auch das Zweite Vatikanische Konzil gesagt.

Glauben Muslime und Christen also an denselben Gott?

Höbsch: Der Koran nimmt ausdrücklich Bezug auf den Gott der Bibel. Papst Johannes Paul II. hat es einmal so formuliert: „Wir [Christen und Muslime] glauben an denselben Gott, den einzigen, den lebendigen, den Gott, der die Welten schafft und seine Geschöpfe zur Vollendung führt“. Aber er hat sofort hinzugefügt, dass wir „im Licht der vollen Offenbarung in Christus“ wissen, dass dieser Gott dreieinig ist und wir daher als Christen Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist verehren. Die Erkenntnis „Gott ist dreifaltig einer“ ist nicht Folge „höherer Mathematik“, sondern hat seinen Grund in der Selbstmitteilung Gottes: Gott der Vater selbst hat sich in der Menschwerdung seines Sohnes und durch die Sendung des Heiligen Geistes geoffenbart. Der Glaube der Christen steht und fällt mit dem Bekenntnis: Jesus hat nicht nur das Wort Gottes verkündet, sondern er ist das Mensch gewordene Wort Gottes.

Der Koran spricht an vielen Stellen von der Barmherzigkeit Gottes. Ist darin auch eine Gemeinsamkeit zu sehen?

Höbsch: Dass Gott barmherzig ist, bezeugt auch die Bibel. Die Betonung im christlichen Glauben liegt darauf, dass die Liebe und Barmherzigkeit Gottes in Christus Mensch geworden ist. So lautet das Bekenntnis der Christen. Das bezeugen sie vor der Welt.

Also doch mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten im Gottesverständnis zwischen Juden, Christen und Muslimen?

Höbsch: Wir können von dem Gemeinsamen nur sprechen, wenn wir gleichzeitig die Unterschiede im Gottesglauben benennen. Dass Gott in Christus zur Welt gekommen ist und in der Geschichte handelt, dass er in Kreuz und Auferstehung der Welt das Heil gebracht hat, ist für den christlichen Glauben grundlegend, das ist nicht bloß eine Fußnote. Für Muslime ist Jesus ein Prophet, dem sie mit Hochachtung begegnen. Aber er ist aus Sicht des Koran ein Mensch. Auch lehnt der Koran den Kreuzestod Jesu ab. Das sind nicht nur nebensächliche Unterschiede zwischen dem Glauben von Christen, Juden und Muslimen.

Was bedeutet diese Erkenntnis für den interreligiösen Dialog?

Höbsch: Den interreligiösen Dialog kann seriös nur führen, wer die Unterschiede im Glauben achtet und diese nicht versucht glatt zu bügeln. Nur im Respekt vor dem Unterscheidenden kann ein Dialog geführt werden. Auf dieser Basis allerdings können Juden, Christen und Muslime der Welt ein Zeugnis geben, damit sie Gott nicht verdrängt oder vergisst. Der Mensch ist nicht Gott und darf sich nicht an die Stelle Gottes setzen. Die gesamte Schöpfung verdankt sich Gott. Der Mensch kann vieles bewirken – im Guten wie im Schlechten. Er übernimmt in seinem Handeln Verantwortung – so wahr ihm Gott helfe. Das die Welt eine gerechtere und friedlichere werde, da können Juden, Christen und Muslime zusammenarbeiten und darin ein Zeugnis ihres Glaubens geben.

Quelle: Pressestelle des Erzbistums Köln, 30.4.2010

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Text: Pressestelle Erzbistum Köln
In: Pfarrbriefservice.de