Die Heilige Messe: Begegnung und Verwandlung erfahren
„Tut dies zu meinem Gedächtnis“ – mit diesen Worten setzt Jesus beim Letzten Abendmahl das Sakrament der Eucharistie ein (vgl. Lk 22, 14-20). Das „Brotbrechen“, wie die frühen Christen den sich schnell entwickelnden Brauch nennen, sich regelmäßig am Sonntag, dem Tag der Auferstehung Jesu, zu versammeln, in der Schrift zu lesen und mit Brot und Wein das Gedächtnismahl zu feiern, wird zu dem zentralen Zeichen der bleibenden Gegenwart des auferstandenen Herrn in seiner Kirche. Denn von Anfang an verstehen die Christen dieses Mahl nicht als bloße Erinnerung an die vergangene Zeit mit ihrem Herrn, sondern im Gedächtnis geschieht Vergegenwärtigung. In diesem Mahl, in den Zeichen von Brot und Wein, wird Jesus Christus, der auferstandene Herr, mit Leib und Blut, in seiner Hingabe aus Liebe zu den Menschen, für die Gemeinde immer neu gegenwärtig. Und im Empfang der verwandelten Gaben Brot und Wein geschieht auf tiefste Weise Begegnung, Gemeinschaft (=Kommunion) mit dem auferstandenen Herrn.
Zentrales Sakrament
Deshalb ist die Eucharistie nicht nur ein Sakrament unter insgesamt sieben Sakramenten in der katholischen Kirche, sondern sie ist das zentrale Sakrament: „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“, wie es das II. Vatikanische Konzil formuliert (LG 11). Denn aus dieser immer neuen Begegnung mit Jesus Christus, mit seiner Lebenshingabe aus Liebe zu den Menschen, lebt die Kirche. Von hier her bekommt auch jeder einzelne Christ die Kraft und Motivation, sich mit Christus für die Menschen und für eine bessere Welt einzusetzen.
Die Lehre von der Transsubstantiation
Die Glaubensüberzeugung, dass in diesem Sakrament in den Zeichen von Brot und Wein durch die verwandelnde Kraft des Heiligen Geistes der auferstandene Christus mit Leib und Blut für uns bleibend gegenwärtig ist, wird in der Theologie mit dem Begriff „Realpräsenz“ bezeichnet. Wie diese Realpräsenz konkret zu verstehen ist, darüber hat es in der Theologie und ganz besonders in der Reformationszeit heftige Auseinandersetzungen gegeben. Das Problem liegt darin, wie wir begreifen können, dass Brot und Wein nach der Wandlung einerseits immer noch wie Brot und Wein schmecken, riechen, aussehen, und wir doch andererseits glauben, dass uns hier wirklich („real“) und nicht bloß gedacht Christus mit Leib und Blut begegnet. Oder anders gesagt: wie kann etwas zugleich Zeichen und Wirklichkeit sein? In der katholischen Theologie wird das mit der Lehre von der Transsubstantiation beschrieben: Nicht die Materie von Brot und Wein wird verwandelt, nicht das, was ich sehen, riechen, schmecken, anfassen kann, sondern die „Substanz“, also das eigentliche Wesen wird verwandelt. Missverständlich erscheint diese Lehre nicht zuletzt deshalb, weil wir heute unter „Substanz“ etwas anderes verstehen als die mittelalterliche Theologie (Scholastik), die diese Lehre formuliert hat. Substanz in diesem philosophisch-theologischen Kontext meint gerade nicht die chemische Zusammensetzung, den Stoff, aus dem die Dinge sind, sondern das, was unter der sichtbaren Oberfläche das eigentliche Wesen einer Sache oder Person ausmacht.
Danksagung für Jesu Lebenshingabe
Ein anderer theologischer Gedanke, an dem sich manche stoßen, ist der Opfercharakter der Eucharistie. In vielen Religionen und Kulturen musste man der Gottheit Opfer bringen, um sie gnädig zu stimmen. Ist die Eucharistie in diesem Sinne ein Opfer, das die Kirche immer wieder darbringt, um Gott gnädig zu stimmen? Und wenn wir glauben, dass es hierbei tatsächlich nicht um Brot und Wein geht, sondern dass es letztlich Jesus Christus mit Leib und Blut ist: Verlangt dann Gott gleichsam ein immer neues Menschenopfer? Das aber wäre mit dem Bild des liebenden Vaters, den uns Jesus bezeugt hat, nur schwerlich zu vermitteln. Wenn wir daher vom Kreuzesopfer Jesu sprechen, dann ist damit nicht ein Menschenopfer gemeint, das nötig wäre, um den zürnenden Gott gnädig zu stimmen, sondern dann ist damit die Lebenshingabe Jesu gemeint, die letzte Konsequenz seiner Liebe zu den Menschen ist. Wenn die Eucharistie als Opfer bezeichnet wird, dann nicht in dem Sinne, dass wir Jesus immer neu „opferten“, sondern dass wir uns dankend seiner Hingabe für uns Menschen erinnern und sie so vergegenwärtigen. Deswegen heißt dieses Sakrament auch „Eucharistie“: denn dieses griechische Wort bedeutet übersetzt: Danksagung!
Innere Bereitschaft zur Verwandlung
Entscheidend sind aber letztlich nicht so sehr die theologischen Denkmodelle, die dieses zentrale Glaubensgeheimnis verstehbar machen wollen, sondern die innere Bereitschaft, dass ich mich selbst in diese Dynamik der Verwandlung hinein nehmen lasse. Es kommt darauf an, dass ich mich aus dieser Begegnung mit Christus verwandeln lasse und so mehr und mehr „Christ“ werde im eigentlichen Sinn des Wortes: zu einem Menschen, durch den Christus durchscheint – in der Art, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe, wie ich meine Beziehung zu Gott lebe, wie ich das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe im Alltag praktiziere.
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Lk 22,14-20 = Neues Testament, Lukasevangelium, Kapitel 22, Verse 14-20
LG 11 = Dogmatische Konstitution über die Kirche: Lumen Gentium, Abschnitt 11
Tobias Schäfer
Quelle: www.bistum-mainz.de/glaubenspraxis
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Text: Tobias SchäferIn: Pfarrbriefservice.de