„Die Messe will uns stärken für unser Leben“
Interview mit dem Liturgiewissenschaftler Marco Benini
Nur noch wenige Kirchenmitglieder besuchen regelmäßig die Heilige Messe. Dabei sollte sie Dreh- und Angelpunkt für das persönliche Glaubensleben und für das Leben als christliche Gemeinschaft sein. Das Geschehen in einer Messe und das Leben jedes einzelnen sollten eine tiefe Verbindung eingehen, davon ist der Liturgiewissenschaftler Marco Benini überzeugt. Ein Interview mit ihm zu seinem neuen Buch „Brannte nicht unser Herz? Die Messe verstehen – Eucharistisch leben“.
Viele Menschen gehen wohl deshalb nicht mehr in die Messe, weil sie damit nichts mehr anfangen können. Sie haben das Gefühl, dass das, was dort passiert, mit ihrem Leben nichts zu tun hat. Ein Missverständnis?
Marco Benini: Der Ansatz meines Buches ist es, genau diese Verbindung von Messe und Leben deutlich zu machen. Ich lasse ja nicht das eigene Leben an der Kirchentüre zurück. Ich nehme alles, was mich prägt, was mich ausmacht und beschäftigt, zu Gott mit. Jesus spricht davon, dass er Brot für das Leben ist, für unseren Alltag. Die Messe will uns stärken für unser Leben.
Ist das ein Kommunikationsproblem, dass viele Menschen darum nicht wissen?
Marco Benini: Früher hat man Messe als gesetzte Sonntagspflicht gesehen. Da ist man hingegangen, weil das so üblich war. Diese Motivation trägt heute nicht mehr. Unsere Grundmentalität heute ist: Ich möchte etwas davon haben. In meinem Buch geht es genau darum, dass die Messe eine Bereicherung ist für mein alltägliches Leben, dass die Beziehung zu Jesus nicht ein Sahnehäubchen ist, sondern eine Kraftquelle, aus der heraus sich mein Alltag speisen kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass zu einer tiefen Lebensfreude auch die Beziehung zu Gott gehört, denn sie vermittelt: Ich bin gewollt, geliebt, gebraucht – von Gott. Und diese lebensbejahende Haltung drückt sich letztlich auch in jeder Messe aus. Man muss sie nur richtig verstehen.
Messe ist also wie eine Sehenswürdigkeit, die man erklärt bekommen muss, damit man sie versteht. Warum ist das so kompliziert? Warum erschließen sich die Teile der Messe nicht von selbst?
Marco Benini: Es stimmt tatsächlich, dass Messe die Hochform unseres gottesdienstlichen Feierns ist und viele Details enthält, die sich erst in ihrer Schönheit erschließen, wenn man hingeführt wird. Insofern stimmt das Bild mit der Sehenswürdigkeit. Andererseits ist ja in der Messe Gott selber aktiv und präsent. Der eigentlich Handelnde ist Gott. Wenn ich mich darauf einlasse und offen bin dafür, dass ich hier Gott begegnen kann, dann bin ich überzeugt, dass sich Gott auch zeigt. Natürlich ist es immer menschlich vermittelt – es ist mal besser, mal schlechter vermittelt. Aber es ist mehr als eine Sehenswürdigkeit, die einfach da steht. Es ist sozusagen eine interaktive Sehenswürdigkeit. Nicht nur ich schau die Messe an, sondern auch Gott schaut mich an in der Eucharistie, sodass ein Dialog zwischen Gott und uns Menschen entsteht.
An welchen Stellen in der Messe wird der Bezug zum Leben der Menschen Ihrer Meinung nach besonders deutlich?
Marco Benini: Zunächst finde ich es wichtig, dass die Predigt eine Verbindung zum Alltag der Menschen herstellt, dass also aufgezeigt wird, was die Texte aus der Bibel uns heute sagen können. Die Fürbitten sind ein nächster Punkt. Wir haben Anliegen und Sorgen. Die dürfen wir in die Beziehung zu Gott hineinnehmen und um seine Hilfebitten. In der Gabenbereitung geht es nicht nur darum, dass Brot und Wein zum Altar gebracht werden, sondern dass wir unser eigenes Leben mit in die Schale hineinlegen. Kürzlich feierte ich eine Messe mit einer Gruppe, bei der ich den Menschen die Hostienschale in die Hand gegeben habe. Sie sollten beim Anschauen der Hostie ganz bewusst die Menschen, die ihnen wichtig sind, und die Aufgaben, die anstehen, mit hineinlegen. Dann erst haben wir die Hostienschale zum Altar gebracht.
Dann werden die Gaben gewandelt und wir empfangen sie als Leib und Blut Christi. Das heißt ja, Jesus selber kommt zu mir, um mich für meine Aufgaben in Beruf, Familie und wo auch immer zu stärken. Er schenkt mir Nahrung für Leib und Seele. Nicht nur Brot und Wein werden gewandelt, sondern nach und nach werden wir selbst gewandelt zu frohen Menschen. Und schließlich endet die Messe mit dem Segen. Wir werden in unseren Alltag hinein gesendet, aber eben als gesegnete Menschen. Wir dürfen die Freude aus der Begegnung mit dem Herrn mitnehmen.
Der Untertitel Ihres Buches lautet: Die Messe verstehen – Eucharistisch leben. Was verstehen Sie unter eucharistisch leben?
Marco Benini: Eucharistisch meint vom Wort her dankbar. Eucharistie ist die Danksagungsfeier. Eucharistisch zu leben meint, dankbar zu leben, in verschiedener Hinsicht. Dankbar, weil Gott mich liebt und sich mir schenkt in der heiligen Kommunion; zugleich dankbar für all die guten Dinge, die ich in meinem Leben täglich erfahren darf. Eucharistisch leben meint außerdem, die eigenen Höhen und Tiefen des Lebens mit Jesu Leben zu verbinden, der in seinem Tod und seiner Auferstehung eben solches auch erlebt hat. In der gewandelten Hostie begegnen wir Jesus als dem Auferstandenen, dem Lebendigen. Ich kann seine Gegenwart erleben und in mich aufnehmen. Ich darf mit seiner Osterfreude mein Leben leben. Und in der Erfahrung seiner Liebe, der Hingabe Jesu bis zum Tod am Kreuz, darf ich aus dieser Liebe leben und diese Liebe weitergeben, auch in schwierigen Situationen.
Die, die nicht mehr zur Messe kommen, werden Ihr Buch vermutlich nicht lesen. Was könnte helfen, damit wieder mehr Kirchenmitglieder die Messe schätzen?
Marco Benini: Mir war es wichtig, in dem Buch eine Sprache zu verwenden, die auch Leute verstehen, die nicht jeden Sonntag in die Messe gehen oder vielleicht auch gar nicht mehr kommen. Aber ich würde sagen, die beste Einladung zur Messe ist tatsächlich nicht ein Buch, sondern sind Leute, die diese Erfahrung selber schon gemacht haben und zu den anderen sagen: ‚Komm doch mit. Ich persönlich profitiere davon‘.
Interview: Elfriede Klauer, In: Pfarrbriefservice.de
Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,02 MB
Sie dürfen diesen Text für alle nichtkommerziellen Zwecke der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Pfarr-/Gemeindebrief, Plakat, Flyer, Website) sowie für Unterrichtszwecke* nutzen. Die Nutzung ist in dem beschriebenen Rahmen honorarfrei. Sie verpflichten sich den Namen des Autors/-in, als Quelle Pfarrbriefservice.de und ggf. weitere Angaben zu nennen.
*) Ausführliche Infos zu unseren Nutzungsbedingungen finden Sie hier.
Wir freuen uns über die Zusendung eines Belegs an die Redaktionsanschrift.
Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen
Text: Elfriede KlauerIn: Pfarrbriefservice.de