„Die Natur ist für Männer ein genuiner Ort der Spiritualität, auch über das Kirchliche hinaus.“

Interview mit Diakon Gerhard Kahl, Männerseelsorger im Bistum Augsburg

Die Männerseelsorge des Bistums Augsburg fördert verschiedene Angebote, die speziell für Männer zugeschnitten sind. Welche sind das?

Da wären zum einen die spirituellen Outdoorangebote, v.a. Männerwallfahrten in verschiedenen Formen oder auch das gemeinsame Gehen von traditionellen Pilgerwegen. Dann gibt es Vater-Kind-Projekte, auch mit zeitweiser Kinderbetreuung. Dort können die Väter miteinander ins Gespräch kommen, ohne den sonst üblichen Konkurrenzdruck. Unter dem Motto „Mannsbilder“ gibt es bei uns angeleitete Männergruppen, die sich innerhalb eines abgeschlossenen Zeitraums regelmäßig treffen. Diese Gruppen dienen dem gegenseitigen Austausch und der Stärkung der Persönlichkeit. Generell gut angenommen sind die Angebote, wo Männer in der Natur sind und die Schöpfung erleben. Beispiele sind Wüstentouren, Segeln an der Nord- oder Ostsee, Meditatives Bogenschießen, „Nacht des Feuers“ – ein spezielles Angebot für männliche Firmlinge und – sehr erfolgreich – unsere Nachtwallfahrten von Gründonnerstag auf Karfreitag.

Nachtwallfahrten: was können sich unsere Leser darunter vorstellen?

Die Nachtwallfahrten finden inzwischen an 32 Orten im Bistum Augsburg statt, und zwar von Gründonnerstag auf Karfreitag. Sie werden meist von Männern vor Ort organisiert, jeweils unter Einbindung von Pfarrer und Pfarrgemeinderat. Eine Gruppe von 5 bis 45 Männern geht dann eine Strecke zwischen 6 bis 20 Kilometern gemeinsam. Wegabschnitte des Schweigens und der Stille wechseln sich hierbei ab mit Abschnitten, in denen die Männer miteinander ins Gespräch kommen oder gemeinsam singen und beten.

Viele Menschen können sich sicherlich Schöneres vorstellen, als im Vorfrühling durch die kalte Nacht zu marschieren. Was fasziniert Männer daran?

Männern tut es gut, einfach in der Natur zu sein. Nach zwei bis drei Stunden Gehen kommen sie mehr zu sich, nehmen ihre Gefühle verstärkt wahr, und kommen in Verbindung mit ihrem Innenleben. Die Natur ist für Männer ein genuiner Ort der Spiritualität, auch über das Kirchliche hinaus. Hier können Männer aufatmen und Eigenständigkeit erleben. Das ist eine Gegenwelt zur normalen Arbeitswelt, die ja von den meisten eher als fremdbestimmt erlebt wird. Und natürlich spielt das Abenteuer, sich durchzukämpfen durch die Nacht, durch die Kälte, und teilweise durch Regen, eine große Rolle.

Unterwegs kommen die Männer an Kapellen vorbei, die in der Nacht als besondere Orte des Glaubens und des Lichts erlebt werden. Hier können sie auftanken, rasten, beten, reden, einfach aufleben. Auch als Kulturorte haben diese Kapellen ihren besonderen Reiz. Viele Männer kommen an der einen oder anderen Kapelle zum ersten Mal vorbei.

Die Nachtwallfahrten sind für mich ein schönes Beispiel dafür, wie man ohne großen Aufwand eine Veranstaltung nur für Männer anbieten kann.

Offenbar gibt es Formen der Spiritualität, die den Bedürfnissen von Männern eher entsprechen.

Ja, ich glaube, wenn etwas kraftvoll und klar gestaltet und auch die Liturgie so gefeiert wird, dann spricht das Männer an. Männer bevorzugen oft das Karge, das nicht so sehr weich und rund gestaltete. Sie meiden es im Kreis zu sitzen, vielmehr fühlen sie sich alleine oder zu zweit oder zu dritt am wohlsten. Ich erlebe Männer zwar als kirchenscheu oder religionsscheu, aber auch hier gilt: die „richtige Dosis“ machts. Wenn sie sich z.B. in einer Predigt in ihrer heutigen Erfahrungswelt wieder finden, dann sind sie innerlich dabei und laufen nicht nur mit, weil sie irgendwie auch dazugehören. Männer sind in ihrem Element, wenn sie mit Leidenschaft für eine Sache einstehen, für etwas kämpfen. Der Apostel Paulus zum Beispiel war ein harter Typ, der auch weich sein konnte. Solche Aspekte kommen im kirchlichen Alltag oft zu kurz. Wenn man diese aber anspricht, dann werden die Bibel und ihre Gestalten auch für Männer greifbar und für ihr konkretes Leben relevant.

Wünschen Sie sich mehr davon im kirchlichen Leben?

Ja. Zum Beispiel sollte das Thema Arbeit in Gottesdiensten auftauchen. Die Zerrissenheit zwischen Arbeit und Familie könnte öfter thematisiert werden, oder auch die heutigen Ansprüche der Arbeitswelt, die oft wie harte Steine auf einen niederprasseln. Hier sehe ich wieder den Bezug zum Apostel Paulus, der ja auch gesteinigt wurde. Wir müssen die Sprache der Bibel einfach wieder übersetzen in die heutige Lebenswelt der Männer. Wenn biblische Männergestalten auch in ihrem Mann-Sein dargestellt werden, dann tut das Männern gut.

So würde ich mir wünschen, dass wir Männern wieder zutrauen, dass sie durchaus spirituelle Menschen sind und dass sie ebenso Zuspruch brauchen für ihre Männerseele. Das erlebe ich auch in den Männerseminaren. Einmal haben wir die Szene der Tempelreinigung wirklich nachgestellt und nachgespielt. Wenn ich einmal so richtig kraftvoll einen Tisch leergefegt habe, wird für mich erst richtig spürbar, was bei Jesus für eine Energie drin steckt. Es tut Männern gut, das so wahrzunehmen. Dann kann man darüber sprechen, wo die eigene Kraft liegt, wo meine Kraft gefordert ist und wie ich sie einsetze, um meinen Alltag zu bestehen. Oder wo meine Kraft gefragt ist, um mich für eine Sache einzusetzen, die größer ist als ich selbst.

Diakon Gerhard Kahl ist Leiter der Männerseelsorge im Bistum Augsburg. Die Angebote der Männerseelsorge sollen helfen, dass Männer für sich den Weg zum Glauben und auch zur Kirche finden können.

Das Interview führte Christian Schmitt, Pfarrbriefservice.de

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Text: Christian Schmitt
In: Pfarrbriefservice.de