„Dunkelnacht“
Eine Buchrezension von Markus Tomberg
Es ist eine wahre Geschichte, die Kirsten Boie erzählt. Und sie ist aktueller, als uns lieb ist. Am 28. April 1945 wurden in Penzburg, ungefähr 50 km südlich von München, 16 Menschen ermordet. Dass der Zweite Weltkrieg in Deutschland so gut wie vorbei ist, die amerikanischen Soldaten fast vor den Stadttoren stehen, das spielt für die fanatischen Anhänger des Nationalsozialismus keine Rolle. Um jeden Preis sollen die letzten, irrsinnigen Befehle Hitlers ausgeführt werden. Zu denen gehört der sogenannte „Nerobefehl“. Das Wort bezeichnet die Anweisung Hitlers, militärische und zivile Infrastruktur zu vernichten.
Für Penzberg geht es um viel: Das örtliche Bergwerk steht für Arbeitsplätze und Wohlstand. Am 28. April 1945 fordert eine „Freiheitsaktion Bayern“ im Radio auf, den Befehl nicht mehr zu befolgen. In Penzberg hat diese Aktion dramatische Folgen. Der Nazi-Bürgermeister wird abgesetzt, die Stadt soll gerettet werden. Doch eine durchziehende Einheit der Wehrmacht übernimmt das Kommando, dann folgen die ersten Morde. Als die Soldaten abziehen, mordet der Werwolf, eine Untergrundorganisation, in der darauffolgenden Nacht weiter. Insgesamt sterben 16 Menschen.
Kirsten Boie verdichtet die historischen Ereignisse in 44 kurzen Szenen. Sie erzählt sie mit Blick auf drei Jugendliche, Marie, Schorsch und Gustl. Im Unterschied zu den Getöteten und ihren Mördern sind sie erfunden. Dieser literarische Kniff eröffnet einen beklemmenden Blick auf die Geschehnisse. Gustl gehört zu den Werwölfen. Nach der Mordnacht weiß er nicht mehr, wer er ist. Marie, die er so mag, hat er endgültig verloren. Marie wiederum wird mit Schorsch Zeuge der Erschießungen. Dabei gehört sie selbst dazu, ist Mitglied im BDM (Bund deutscher Mädel). Und Schorsch? Der weiß auch nicht, wie er sich verhalten soll, ist doch sein Vater als Stadtpolizist Teil des staatlichen Systems.
Kirsten Boie erzählt von einem weitgehend unbekannten sogenannten „Endphasenverbrechen“. Das Buch ist ein Dokument der Erinnerung an historische Ereignisse. Und es ist eine Analyse von Schuld, Verstrickung, Nichtwahrhabenwollen und Verantwortung. Beides ist von bleibender Bedeutung – und sehr aktuell.
2022 ist Kirsten Boie für „Dunkelnacht“ mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden. Für den Deutschen Jugendliteraturpreis war das Buch gleich zweimal nominiert. Und das völlig zu Recht.
Bibliografische Daten
Dunkelnacht
Kirsten Boie
Verlag Friedrich Oetinger
Erscheinungstermin: 06.02.2021
128 Seiten
ab 15 Jahren
ISBN 9783751200530
EUR 13,00 [D]
Markus Tomberg, In: Pfarrbriefservice.de
Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,05 MB
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Text: Markus TombergIn: Pfarrbriefservice.de