Elternwissen

Tipps für den interkulturellen Kontakt

Nachfolgender Text (in ungekürzter Version zum Herunterladen) darf von Pfarrbriefredaktionen in jeder gewünschten Länge zitiert werden bei entsprechender Quellenangabe. Er stammt aus der empfehlenswerten Broschüre von Edith Schlesinger: ELTERNWISSEN DIALOG – Nr. 6 (2007). Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NW e.V.

[...] Im Allgemeinen erwarten Muslime nicht, dass ihr Gegenüber sich mit dem Islam auskennt. Es erleichtert aber die erste Kontaktaufnahme, wenn einige Grundzüge islamischer Lebensführung bekannt sind und respektiert werden. Sobald Kontakte geknüpft sind, muss sich niemand scheuen, offene Fragen im Gespräch zu klären. Es ist allemal besser, eine banale Frage zu stellen als nachträglich Situationen zu bereinigen, in denen aus Unkenntnis Peinlichkeit oder gar Verstimmung entstanden ist.

Respekt

In vielen islamisch geprägten Familien spielt der Respekt vor Älteren, besonders vor den Eltern, eine große Rolle. Seinen Ausdruck findet er unter anderem darin, dass Jüngere bei Meinungsverschiedenheiten nicht oder nur wenig widersprechen. Vielfach werden von ihnen als heikel empfundene Themen gegenüber Respektspersonen gar nicht angeschnitten.

Meist wissen die islamischen Jugendlichen und (älteren) Kinder recht gut, wer aus ihrer Familie in der einen oder anderen Angelegenheit angesprochen werden möchte. Es ist sinnvoll, diesen Gepflogenheiten Rechnung zu tragen, anstatt die Umgangsweisen der eigenen Familie zum Maßstab zu machen.

Ein Beispiel

Die 13-jährige Marie fährt mit ihrem älteren Bruder und den Eltern am Wochenende zur Oma und möchte, dass ihre Freundin Fatma mitkommt. Fatma war noch nie außerhalb der eigenen Familie verreist und sie weiß, dass ihre Eltern auswärtigen Übernachtungen skeptisch gegenüberstehen, sie entlassen ihre Tochter ungern aus ihrer Obhut und fürchten den Klatsch der Nachbarn.

In einem solchen Fall wäre es kontraproduktiv zu erwarten, dass Fatma selbst ihre Eltern davon überzeugen kann, ihre Haltung zu ändern. Sinnvoller wäre es, wenn Maries Mutter sich an die Mutter der Freundin wendet und darum bittet, ihr Fatma für das Wochenende anzuvertrauen. Auf diese Weise liefe das Gespräch zwischen „Gleichgestellten" ab: Es ließe klären, wie Ablauf und Unterbringung geregelt sind, und es könnte sich ein Vertrauensverhältnis zwischen denjenigen aufbauen, die zwar unterschiedliche kulturelle und religiöse Prägungen haben, aber in der Sorge um ihre Töchter verbunden sind. Unter Umständen kann es auch angebracht sein, ein oder beide Väter einzubinden – sei es aus sprachlichen oder familiären Gründen.

Familie als Zentrum

Aus islamischer Sicht bildet die Familie den Grundstein einer geordneten Gesellschaft. Ihrem Wohl sind der Einzelne, seine Entscheidungen und Verantwortlichkeiten nachgeordnet. Die Sorge, dass ein Einzelner sich aus der Familie „ausklinkt", ist in Bezug auf Kinder und Jugendliche besonders groß. Umso wichtiger ist es, im Kontakt mit Muslimen zu signalisieren, dass der Stellenwert der Familie und ihre Wertvorstellungen respektiert werden. Wenn das gelingt, spielen Regeln und Vorschriften eine geringere Rolle. Ungewollte Verstöße von nichtmuslimischer Seite werden dann eher als bloße Versehen verstanden.

Gastfreundschaft

Muslime zu Gast

Zu den bekanntesten islamischen Geboten gehört, kein Schweinefleisch zu essen. Es umfasst auch alle vom Schwein gewonnenen sonstigen Lebensmittel, wie etwa Schweinefett und Gelatine. Nahezu alle Muslime nehmen dieses Verbot ernst, selbst wenn sie im Übrigen kein großes Interesse an ihrer Religion bekunden. Manche erwachsene Muslime empfinden geradezu Ekel vor Schweinefleisch; bei jüngeren Kindern beobachtet man hingegen oft eine gewisse Neugierde, vor allem in Bezug auf Wurstwaren. Entsprechend sind muslimische Eltern bemüht, Situationen zu vermeiden, in denen das Speisegebot missachtet werden könnte. Häufig liegt hier die Ursache für das Ausschlagen von Einladungen zu Geburtstagsfeiern oder anderen Gelegenheiten. Nur selten verbirgt sich dahinter eine grundsätzliche Ablehnung nichtislamischer Feste oder gar das Bestreben, sich gegen die Mehrheitsgesellschaft abzuschotten. Im Gegenteil!

Den meisten muslimischen Eltern ist es ein Anliegen, dass ihre Kinder im guten Einvernehmen mit ihrer Umwelt aufwachsen – jedoch nicht um den Preis, die eigene Identität zu verlieren.

Für europäische Nichtmuslime ist die strikte Ablehnung von Produkten aus Schweinefleisch oft schwer nachvollziehbar. Dabei gilt sie auch für Juden, die doch seit jeher zu unserer Gesellschaft gehören.

Wenn muslimische Kinder oder muslimische Erwachsene, die man noch nicht gut kennt, zum Essen eingeladen werden, ist sinnvoller Weise darauf hinzuweisen, dass die Speisegebote bekannt sind und eingehalten werden. Manche Muslime lehnen es auch ab, nicht rituell geschlachtetes Fleisch zu verzehren: man sollte eine vegetarische Alternative zum Fleisch anbieten oder auf Fisch ausweichen. Auch auf das Kochen mit Alkohol sollte grundsätzlich verzichtet werden.

Es ist für Muslime nicht peinlich, im Vorfeld einer Einladung auf dieses Thema angesprochen zu werden, sondern signalisiert Respekt vor den religiösen Überzeugungen. Da die Höflichkeit einem Muslim verbietet, seinerseits Bedingungen bei der Annahme einer Einladung zu stellen, liegt die Initiative für ein solches Gespräch immer beim Einladenden.

Zu Gast bei Muslimen

In der islamischen Welt spielt Gastfreundschaft eine wichtige Rolle. Gäste werden mit Wärme und Freundlichkeit empfangen. Über kleine Schnitzer im Verhalten sieht man meist großzügig hinweg. Trotzdem kann es nicht schaden, den Kindern ein paar Verhaltensregeln mit auf den Weg zu geben, wenn diese bei Muslimen eingeladen sind.

  • In sehr vielen Familien aus dem islamischen Kulturkreis ist es üblich, an der Haustür die Schuhe auszuziehen. Meist sind die Wohnungen mit Teppichböden ausgelegt, so dass ohne Probleme auf Strümpfen gelaufen werden kann, oder für Gäste stehen Pantoffeln bereit. Mit einem Paar dicker Socken in der Tasche ist jeder für alle Eventualitäten gerüstet.
  • Die meisten Muslime essen mit der rechten Hand. Werden Messer und Gabel benutzt, liegt die Gabel rechts. Ihren Ursprung hat diese Sitte darin, dass sich auf der Toilette mit Wasser und unter Zuhilfenahme der linken Hand gereinigt wird/wurde. Natürlich ist es kein Problem, während des Essens Messer und Gabel so zu tauschen, wie es in Europa üblich ist. Wird jedoch so genanntes „Fingerfood" gereicht und gemeinsam am Tisch verzehrt, sollte nach Möglichkeit die rechte Hand benutzt werden. [...]

SOS – erste Liebe

Wo junge Leute gemeinsam zur Schule gehen, sich am Ausbildungsplatz oder im Verein begegnen, bleibt es nicht aus, dass sich gelegentlich Gefühle einstellen, die über eine lockere Freundschaft in der Gruppe hinaus gehen. Spätestens in dieser Situation läuten bei den meisten Eltern die Alarmglocken. Es sind ja ohnehin spannende Jahre, wenn aus Kindern allmählich junge Erwachsene werden, die ihren Weg ins Leben ertasten.

Guter Ruf ist (fast) alles

Anders als bei den meisten deutschen Eltern ist es in Familien, die aus dem islamischen Kulturkreis stammen, eher unüblich, Freunde bzw. Freundinnen des anderen Geschlechts in die eigene Familie einzuführen. Ab der Pubertät möchte man Kontakte zwischen Jungen und Mädchen auf das notwendige Maß begrenzen, um voreheliche sexuelle Erfahrungen möglichst auszuschalten.

Darüber hinaus ist es aus islamischer Sicht wichtig, auch einem nur vagen Gerücht vorzubeugen, mit dem der untadelige Ruf insbesondere junger Mädchen beschädigt werden könnte. Aus moralischer Sicht gelten für männliche und weibliche Jugendliche die gleichen Regeln. In der Praxis ist die Toleranz gegenüber den Jungen aber häufig größer als gegenüber Mädchen, die in traditionellen Gesellschaften die „Ehre" ihrer Familie repräsentieren.

Weder Jungen noch Mädchen aus Familien mit islamischer Prägung werden üblicherweise ihren Eltern - besonders den Vätern - einen Partner oder eine Partnerin vorstellen, mit dem/der nicht in absehbarer Zeit eine Eheschließung geplant ist. Eher werden Geschwister ins Vertrauen gezogen; allerdings wird auch damit signalisiert, dass es sich um „etwas Ernstes" handelt. Die Scheu muslimischer Jugendlicher, sich gegenüber „Respektspersonen" und Angehörigen des eigenen Kulturkreises zu einer „Partnerschaft" zu bekennen, führt häufig zu Missverständnissen zwischen den Beteiligten selbst, aber auch seitens des westlich geprägten Umfelds.

Es ist wichtig, diese Fragen in Ruhe anzusprechen, um Ursachen für unverständliches Verhalten zu klären, zum Beispiel, dass der/die muslimische Jugendliche engen Kontakt mit der Familie des Freundes/der Freundin ablehnt oder sich je nach Umgebung unterschiedlich verhält. [...]

Hinweis: Den vollen Wortlaut des Textes von Edith Schlesinger finden Sie in der Textversion zum Herunterladen.

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Oktober 2011

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Text: Edith Schlesinger
In: Pfarrbriefservice.de