Erfahrungen und Fragen eines Christen in der Krankheit

Ein persönliches Zeugnis

Ich bin krank.

Meine Welt wird kleiner, beschränkt sich auf das Schlafzimmer, auf das Krankenzimmer. Sie endet oft schon an der Tür des Raumes oder auf dem Besuchergang. „Draußen“ nimmt das Leben seinen Lauf - an mir vorbei.

Ich fühle mich isoliert, abgeschnitten von den Menschen und Dingen, die mir viel bedeuten. Mein Lebensrhythmus ändert sich, ich kann nicht mehr frei darüber entscheiden, was ich gerne tun möchte. Versorgung und Behandlung bestimmen weitgehend meinen Tagesablauf.

Ich erlebe meinen Körper plötzlich anders, achte ängstlich darauf, was in mir vorgeht, mit mir geschieht, ich fühle mich bedroht. Es fällt mir schwer, mich in meiner Schwäche anzunehmen. Kraftlos, hilflos bin ich angewiesen auf die Zuwendung und den Dienst anderer Menschen. Vielleicht tut es mir zunächst noch gut, nichts mehr leisten zu müssen und alles - mich selbst - in andere Hände zu legen. Doch allmählich spüre ich den inneren Widerstand gegen diese erzwungene Untätigkeit. Wie werden die anderen, meine Familienangehörigen, meine Freunde, meine Berufskollegen ohne mich fertig? Ich habe Angst, austauschbar, ersetzbar zu werden. Es bedrückt mich die Sorge um meinen eigenen Platz im Leben. […]

In den Stunden der Nacht und im scheinbar endlosen Warten auf Besuch tauchen auf einmal Fragen auf, die ich in dieser Härte noch nicht kennengelernt habe: Welchen Grund und welchen Sinn hat mein Leben? Wovon lebe ich eigentlich? Was und wer kann mir jetzt noch Halt geben?

Manchmal fange ich an nachzugrübeln: Ob Gott mich wohl für meine bisherige Lebensgestaltung strafen will? Wenn nicht, was für einen Sinn hat mein Kranksein und warum trifft es dann gerade mich? Wie kann Gott das zulassen?

Ich habe das Gefühl, mit meinen Fragen alleingelassen zu sein, ich sehne mich nach einem Menschen, mit dem ich darüber sprechen kann. Allein werde ich damit nicht fertig. […]

An wen wende ich mich in meiner Not, bei wem kann ich mich aussprechen, von wem fühle ich mich verstanden und angenommen? Wage ich es, mich und meine Klage auch vor Gott zu tragen?

Die Aussagen der Heiligen Schrift sind mir ein Zeugnis dafür, dass dieser Gott ein lebendiger Gott ist, ein Gott, der von sich sagt: »Ich bin für euch da« (vgl. Ex 3,14), ein Gott, den Jesus Vater nennt.

Aber ich spüre, wie schwer es mir fällt, gerade in meiner Situation des Krankseins, in meiner Einsamkeit und Verlassenheit, in meiner Enttäuschung und Auflehnung diesen Gott als Vater anzusprechen. Wenn ich es dennoch versuche, zögernd, gleichsam vorsichtig mich an ihn herantastend, dann hoffe ich zu erfahren, was es heißt: Gott hört mein Rufen, ist nahe meinem Flehen. [...]

In jedem Menschen, der mir in meinem Kranksein nahe bleibt, mich anhört und annimmt und mir dadurch wieder Vertrauen und Hoffnung schenkt, kann auch etwas von der Liebe Gottes sichtbar und erfahrbar werden. Diese menschliche Anteilnahme erlebe ich als befreiend und ermutigend, die Nähe des anderen ist mir wichtiger als aufmunternde Worte und geistreiche Erklärungen; denn ich spüre dahinter die Antwort Gottes auf meine Fragen. So entsteht eine Atmosphäre der Geborgenheit, die der Psalm 139 mit den Worten umschreibt: »Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich« (Ps 139, 5).

So kann ich auch meine ungelösten Fragen leichter ertragen, ich brauche nicht zu resignieren oder bitter zu werden; denn ich weiß mich hineingenommen und getragen in der Hand des mit-leidenden und mit-gehenden Gottes. […]

Quelle: Broschüre „Krankensalbung – Ist einer von euch krank …“ aus der Reihe Sakramente im Leben der Kirche des Ressorts Seelsorge und kirchliches Leben im Erzbischöflichen Ordinariat München

Der Link zum vollständigen Text: http://www.erzbistum-muenchen.de/Page000474.aspx

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Das Schwerpunktthema für Oktober 2013

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Text: Ressort Seelsorge und kirchliches Leben, Erzbischöfliches Ordinariat München
In: Pfarrbriefservice.de