Für Bezugspersonen
Tipps für Heimquarantäne und eingeschränkten Ausgang
Eine gute Nachricht zum Schluss: Die Wissenschaft ist sich einig. Wir als „die Großen“ halten einen der stärksten Hebel für die Entwicklung in der Familie in unseren Händen. Dazu gehören die eigene Haltung, der eigene Anspruch und die Selbstfürsorgemit einem gesunden Mindestmaß an Selbstbezug.
Haltung
- In der aktuellen Situation geht es vor allem darum, mit möglichst wenig Verletzung und Reibungsverlusten gemeinsam durch eine schwierige Zeit zu kommen. Es geht nicht primär um Erziehung oder darum, in Konflikten nicht den Kürzeren zu ziehen. Dabei helfen Gemeinschaftsgefühl und Klarheit viel mehr als Strenge und Unnachgiebigkeit. Sie haben die Wahl, welche Konflikte Sie gerade klären und welche Sie als Zeichen von Anspannung erkennen und nicht bedeutungsvoll werden lassen. Üben Sie, „Kleinkram“ oder „Ausrutscher“ als diese zu erkennen und so nicht unnötig Kraft zu verlieren. Werden Sie selbst zum Modell und zeigen Sie, was Sie sich wünschen und was gerade wichtig ist: Wie gehen Sie damit um, wenn die eigenen Nerven blank liegen oder Sie sich selbst einmal im Ton vergreifen? Was sind Ihre Strategien zur Selbstberuhigung? Wie entschuldigen Sie sich und schließen wieder Frieden?
Anspruch
- Viele Eltern müssen gerade gleichzeitig die verschiedensten Rollen übernehmen: Bezugspersonen für Kinder und andere Erwachsene sein, den Haushalt schaffen, Lehrperson in Vertretung der Schule sein, Krisenmanagement mitdenken, berufliche Aufgaben im Homeoffice bewältigen…. Das allein ist wie dafür gemacht, um „über jeden Kopf zu wachsen“. Noch größer wird das Risiko allerdings, wenn es zusätzlich einen inneren Anspruch gibt, all diese Rollen perfekt und fehlerfrei zu meistern, egal wie vertraut oder neu die Aufgabe und egal wie groß die eigene Anspannung oder Sorge gerade ist. Erlauben Sie sich - nicht nur für die anderen, sondern vor allem für sich selbst – große Fehlerfreundlichkeit und ein größeres Maß an „Fünfe gerade sein lassen “. Vor allem aber machen Sie sich klar, dass Sie nicht all diese Rollen gleichzeitig ausfüllen können. Fragen Sie sich stattdessen lieber: „Wer bin ich jetzt gerade?“. Bin ich Lehrerin, Papa, Trösterin, Hausmann und kommunizieren Sie das offen in der Familie. Sagen Sie, was gerade Ihre Aufgabe ist und wann Sie zum Beispiel wieder für eine Schulfrage zur Verfügung stehen. Vielleicht verbinden sie diese Überlegungen mit Ihrem Tagesplan. Ausnahmen davon gelten natürlich, wenn ein Kind in Not ist und Hilfe oder Trost braucht. Planen Sie ganz bewusst Zeiten ein, in denen Sie keine Rolle haben, außer Sie selbst zu sein und das zu tun, was Sie brauchen, um auf den Füßen zu bleiben. Und nicht vergessen: Loben Sie sich großzügig und regelmäßig selbst. Sie bewältigen gerade eine außergewöhnlich schwierige Situation.
- Es gibt gerade keine normale Schule und zuhause kann diese nicht eins zu eins nachgebaut werden. Ziel von Lernpaketen sollte gerade sein, das Gefühl einer vertrauten Struktur aufrecht zu erhalten und den Kopf zu beschäftigen. Das Erbringen von Leistung steht in dieser besonderen Zeit nicht an erster Stelle. Versuchen Sie nicht, Schule zu ersetzen und machen Sie sich von Ängsten bezüglich des Vergleichs mit anderen Familien möglichst frei. Halten Sie die Struktur ohne große Leistungserwartungen oder Druck. Die Köpfe funktionieren gerade bei allen Beteiligten, großen und kleinen, anders als sonst. Die Umstände sind an sich schon anstrengend und nur wenige Bezugspersonen sind wirklich Lehrende und dann in der Regel nicht die der eigenen Kinder.
Selbstfürsorge
- Behalten Sie Ihre Anspannung im Auge. Planen Sie in Ihre Tagesstruktur immer wieder kurze Zeiten ein, in denen Sie sich in einen ruhigen Zustand versetzen. Das ist für Sie wichtig, aber auch für Kinder, die sich an Ihnen orientieren und an Ihrem Stressniveau ablesen, wie bedrohlich die Situation gerade ist. Richten Sie deshalb unbedingt kurze Auszeiten ein, die nur für Sie da sind: Eine ungestörte Tasse Tee, eine Runde um den Block, die Dauer einer Dusche oder solange das Hörspiel läuft. Auch kleine Unterbrechungen wirken und machen unter dem Strich einen großen Unterschied. Sprechen Sie mit allen verbindlich ab: Wer hat welche halbe Stunde oder Stunde frei? Das muss für alle möglich sein. Wenn Sie sich allein um Ihre Kinder kümmern, nehmen Sie sich Ihre halbe Stunde abends, wenn alle schlafen und erledigen Sie in dieser Zeit ganz bewusst nichts „Nützliches“ mehr. Hören, lesen, sehen oder spüren Sie stattdessen etwas, das Ihren Akku auflädt. Welche Musik oder welches Entspannungsverfahren, welche Zeitschrift, welcher Film, welches Duschgel, welches Stück Zartbitterschokolade oder welches Telefonat wird dazu führen, dass Sie nach diesen 30 Minuten ein wenig mehr Kraft haben als davor?
- Überlegen Sie bewusst, was Ihnen Stabilität gibt: Auch Große haben Sorgen und brauchen Zeiten, in denen sie einmal nicht stark sein müssen. Suchen Sie sich andere Große zum „Anlehnen“, direkt, telefonisch oder virtuell. Wenn Angst und Besorgnis schon früher ein großes Thema waren, behalten Sie diese jetzt unbedingt im Auge. Welche Strategien haben früher schon einmal geholfen? Welche Hilfe, von therapeutischer Anbindung über Onlinehilfen bis hin zur Telefonberatung, können Sie für sich nutzen? Überdenken Sie Ihren eigenen Medienkonsum und geben Sie sich Regeln: Vereinbaren Sie zum Beispiel mit sich selbst, dass die nur dreimal täglich neue Informationen abrufen, anstatt stündlich die neuesten Meldungen zu lesen. Wählen Sie dabei Quellen aus, die zu Orientierung und Sicherheit beitragen und nicht zu Panik oder Unruhe. Merken Sie, wenn Sie eine kurze Unterbrechung brauchen, und probieren Sie folgende Methode, um schnell und zuverlässig die Füße wieder auf den Boden zu bekommen: Notfall-Mini-Pause: Verabschieden Sie sich auf die Toilette, setzen Sie sich auf den Klodeckel oder den Badewannenrand und spüren Sie einfach, nur dass Sie sitzen. Tragen Sie Ihren Körper einen Moment lang nicht selbst, sondern lassen Sie die Sitzfläche diese Aufgabe übernehmen. Entspannen Sie zuerst die Augen, lassen Sie dann die Schultern sinken, öffnen Sie Ihre Hände und entspannen Sie Ihren Bauch. Atmen Sie einmal tief ein, so dass sich Brust- und Bauchraum bewegen, und anschließend alle Luft kraftvoll aus.
Ihre Haltung, Ihr Umgang mit dem eigenen Anspruch und Ihre Fähigkeit zur Selbstfürsorge werden zu dem, was Ihre Kinder von Ihnen lernen. Seien Sie gut zu sich!
Die Empfehlungen sind als Unterstützung und Anregung gedacht, die stets individuell angepasst und abgewandelt werden können. Sie basieren auf unserem Wissensstand vom 23.03.2020. * Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehmen wir keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.
von: Tita Kern, AETAS Kinderstiftung (2020): Werkzeugblatt 2: Tipps für Heimquarantäne und eingeschränkten Ausgang. AETAS Kinderstiftung. München, www.aetas-kinderstiftung.de, Stand: 27.03.2020, In: Pfarrbriefservice.de
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Dateigröße: 0,03 MB
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Text: Tita Kern, AETAS KinderstiftungIn: Pfarrbriefservice.de