Glaube braucht Erfahrung

Auch der Glaube an die Auferstehung

"Das hätte ich dir gleich sagen können!“ - Dieser Satz hat mich immer genervt – und ich wollte oft antworten: „Na, dann hättest Du es halt gleich gesagt“: dass man zum Beispiel bunte Hemden nicht mit 95 Grad wäscht, dass das Anlassen dieses Rasenmähers besonderes Geschick erfordert, dass dieser Kopierer bei „doppelseitig“ gerne staut und so weiter ... Es gibt Kniffe und Tricks, die muss man gesagt bekommen, sonst kann man böse Überraschungen erleben.

Aber die meisten Erfahrungen im Leben muss man selber machen – die kann mir niemand „theoretisch“ abnehmen. So manches Kind verbrennt sich erst einmal an der heißen Herdplatte, bevor es in Zukunft besser aufpasst. Aber nicht nur kleinen Kindern geht das so. Wie sich eine schlechte Note anfühlt, der Schulabschluss, das Verliebtsein und die Trauer – das kann niemand stellvertretend für mich übernehmen, da muss ich selber durch. Vielleicht kann ich im Nachhinein etwas bestätigen, was ich schon gehört habe. Aber es wird erst meine Erfahrung, wenn ich es selber erlebt habe.

Zu diesen Erfahrungen gehört auch mein Glaube. In diesen österlichen Tagen wird er wieder angesprochen mit einem Thema, das so unglaublich klingt, dass viele Menschen sich schwer tun damit: Auferstehung! Der Tod hat nicht das letzte Wort, es gibt ein Leben nach der großen Grenzlinie!

Über dieses „danach“ haben Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums einen sehr schönen Text geschrieben, der das „danach“ wunderbar beschreibt: wie da jemand wartet, wie man sich wieder sieht und wie sich alle Rätsel des Lebens plötzlich auflösen.

Ein Schüler raunte seinem Nachbarn leise, aber hörbar zu: „Glauben kann ich‘s ja nicht, aber es wär sooo schön!!!“

Was Christen unter Auferstehung verstehen, ist tatsächlich nicht in Begriffen und theoretischen Abhandlungen zu vermitteln. Dazu ist etwas anderes nötig: ein Austausch über eigene Vorstellungen, Erfahrungen und Erlebnisse.

Die Ostererzählungen des Neuen Testaments geben genau diese menschliche Not wieder: Es ist nicht zu fassen! Der Evangelist Lukas erzählt in der Emmausgeschichte von zwei Menschen, die in ihrer furchtbaren Trauer im Dunkeln tappen und nicht erkennen, dass der Auferstandene mit ihnen geht. Auch die Erklärung, die Jesus ihnen gibt: „das alles musste so geschehen“, hilft ihnen kein bisschen weiter. Auferstehung kann man nicht erklären, nicht auf der Lehrer-Schüler-Ebene allein abhandeln. Um einen wirklichen Begriff davon zu bekommen, muss ich als Mensch etwas erleben. In der Emmausgeschichte ist es der Moment, da sich die Jünger mit dem Fremden zu Tisch setzen, gemeinsam essen und ihn am Brotbrechen erkennen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes nur ein „Augenblick“ - denn dann sehen sie ihn nicht mehr. Aber etwas ist in ihrem Leben völlig anders geworden – und so erschließt sich durch diesen einzigen Moment auch das, was sie vorher nicht verstanden haben. „Sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ (Lk 24,32) Und dann brechen sie auf, gehen zurück an den Ort, von dem sie geflohen sind – und sehen das Leben künftig mit anderen Augen.

Ich denke, was „Auferstehung“ meint, dazu braucht es wohl ein ganzes Leben, um es sich ansatzweise ausmalen zu können:

Die Erfahrung, dass ich im Leben nicht allein unterwegs bin, sondern dass jemand mitgeht, der mich führt. Die Erfahrung, dass nichts Wertvolles im Leben verloren geht. Die Erfahrung, dass mich auch jeder kleine Tod im Leben (etwa ein Scheitern oder eine schwere Enttäuschung) nicht zerstört, sondern weiter gebracht und reifer gemacht hat. Vielleicht komme ich durch solche Erfahrungen auch der großen Auferstehung Schritt für Schritt näher.

Christoph Seidl

Quelle: Deutschlandfunk, Morgenandacht vom 26.04.2011, http://www.dradio-dw-kath.eu/, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Christoph Seidl
In: Pfarrbriefservice.de