„Gott steht an der Tür unseres Lebens und kommt uns entgegen“

Interview mit Weihbischof Ulrich Boom zu seiner neuen Aufgabe als Heilig-Jahr-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz

Würzburgs Weihbischof Ulrich Boom (67) ist im Mai 2015 zum Heilig-Jahr-Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz ernannt worden. Papst Franziskus hatte das Heilige Jahr als „außerordentliches Jubiläum der Barmherzigkeit“ am 13. März angekündigt. Das am 8. Dezember 2015 beginnende Heilige Jahr solle „eine Zeit der Gnade für die Kirche sein und helfen, das Zeugnis der Gläubigen stärker und wirkungsvoller zu machen“, heißt es in der päpstlichen Bulle zum Heiligen Jahr. Zugleich ruft Franziskus darin zu Pilgerfahrten nach Rom und zu anderen Wallfahrtsorten auf. Im folgenden Interview spricht Weihbischof Boom über seine neue Aufgabe und über das Heilige Jahr.

Herr Weihbischof, Sie sind jetzt Heilig-Jahr-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Welche Aufgaben werden mit dieser Beauftragung verbunden sein?

Weihbischof Ulrich Boom: Das von Papst Franziskus ausgerufene Jahr beginnt am 8. Dezember dieses Jahres. Dieser Tag ist der 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils. Am Ende des Konzils galt es, die Theologie und Spiritualität der Versammlung in die Gemeinden zu bringen. Vielfältig ist das gelungen, manche Gabe des Konzils ist und bleibt Aufgabe. Es gilt, nicht ein Ende zu feiern, sondern Türen in die vor uns liegende Zukunft zu öffnen. Es gilt für den Beauftragten, Initiativen zu koordinieren und mit Verantwortlichen aus Kommissionen Impulse für das Heilige Jahr zu geben. Da ich unter anderem in der Pastoral- und Liturgiekommission der Bischofskonferenz bin, haben die Bischöfe wohl gedacht, da gibt es in der Person gute Überschneidungen.

Waren Sie überrascht, als Papst Franziskus dieses außerordentliche Heilige Jahr ausgerufen hat? Was waren Ihre ersten Reaktionen?

Weihbischof Boom: Ich habe mich zuerst gefragt: Was ist das? Warum jetzt? Im Nachdenken darüber gefällt mir das zum Heiligen Jahr gehörende Bild der Heiligen Pforte. Das heißt ja nichts anderes: Es wird eine Tür geöffnet, damit Gott neu zur Welt und die Welt zu Gott kommt. Am 8. Dezember feiert die Kirche das „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. In der Orthodoxie heißt dieses Fest „Erwählung Mariens“. Wir verstehen da vielleicht etwas leichter, um was es geht. Gott kommt in Maria zur Welt. Vom ersten Augenblick ihrer Existenz im Schoß der Mutter Anna ist sie von Gott erwählt und geliebt, ohne ihr Verdienst, ohne ihr Zutun. Welch ein Licht, welch ein Glanz fällt da auf uns Menschen, auf die Welt?

Welche Zeichen der Barmherzigkeit könnte die katholische Kirche im Heiligen Jahr setzen?

Weihbischof Boom: Die Botschaft des Evangeliums ist doch die, dass der Mensch von Gott geliebt und angenommen ist mit seinem Versagen, seinem Scheitern, seiner Schuld. Gott ist wie der gute Vater im Evangelium von den zwei Söhnen, wo der eine seine eigenen Wege gehen will und umkehrt und der andere daheim bleibt, aber über die Nähe Gottes im Letzten nicht froh ist. In uns können beide Söhne stecken. Wer wir auch sind: Gott steht wie der barmherzige Vater an der Tür unseres Lebens und kommt uns entgegen. An Christus zeigt sich das, als Christen sollen wir das bezeugen. Es ist zuerst unsere Haltung, sie ist das erste und wichtigste Zeichen, das Gottes Barmherzigkeit sichtbar macht. Papst Franziskus begründet in der Verkündigungsbulle „Misericordiae vultus“ unter anderem das Heilige Jahr so: „Die Kirche spürte die Verantwortung, in der Welt das lebendige Zeichen der Liebe des Vaters zu sein.“

Was erwarten Sie sich vom Heiligen Jahr der Barmherzigkeit für die Kirche in Deutschland und für die Gemeinden?

Weihbischof Boom: Ich erhoffe mir vom Heiligen Jahr, dass in der Kirche in Deutschland und in den Gemeinden noch mehr sichtbar wird, wovon wir so oft reden: Das Antlitz der Barmherzigkeit erfahren. So beginnt ja auch das Verkündigungsdokument: „Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters.“ Es gilt – Christus sehen, die Liebe Gottes erfahren, Gottes Wirken in der Welt spüren. Wir feiern in den Sakramenten die Nähe Gottes. Ich erwarte mir Impulse für die Sakramente der Vergebung und der Stärkung. Gott ist uns nahe vom Anfang bis zum Ende unseres Lebens, nicht von ungefähr werden die Sakramente oft an Lebenswenden gefeiert. Sie sind nicht Belohnung für gutes Verhalten, sondern Geschenk, damit das Leben gelingt.

Wo sollte sich aus Ihrer persönlichen Sicht die Barmherzigkeit in der Kirche im Heiligen Jahr besonders zeigen?

Weihbischof Boom: Noch einmal das Bild von der Tür, der geöffneten Tür: Auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela gibt es vor Ort und immer wieder unterwegs an den Kirchen die „Puerto del Perdon“, das „Tor der Vergebung“. Ich wünsche mir, dass wir neu und verstärkt in Kirche und Welt, in den Gemeinden und Gemeinschaften, in Ehe und Familie, in den Beziehungen von Gott zu Mensch und als Menschen untereinander die „Puerto del Perdon“ im Leben finden und durchschreiten.

Interview: Bernhard Schweßinger (POW, 08.05.2015), In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Bernhard Schweßinger
In: Pfarrbriefservice.de