Heftige Gefühle
Für einen guten Umgang mit Angst, Wut und Ohnmacht
Jetzt in Corona-Zeiten kommen vor allem Angst, aber auch andere Gefühle wie Wut oder Ohnmacht und Befürchtungen in uns hoch. Vor allem diese oft als negativ bezeichneten Gefühle haben und wollen wir nicht so gern. Sie stellen sich aber unwillkürlich ein in dieser Zeit der Pandemie. Wie gehe ich damit um?
Oft lese ich, dass wir keine Angst haben sollen. Und in der Bibel wird es sehr häufig gesagt: „Fürchtet euch nicht!" – über hundert Mal. Dass uns das so häufig gesagt wird, heißt ja zuerst einmal, dass wir uns fürchten. Und ich sage: Mit Recht fürchten wir uns. Mit Recht haben wir Angst.
Gefühle nicht wegdrängen
Also das Erste, was ich Ihnen sagen möchte: Gefühle sind unwillkürlich. Sie kommen von selbst. Sie stellen sich automatisch ein. Sie sind eine Reaktion, auf das, was ich gerade erlebe. Und das soll ich zuerst wahrnehmen und nicht wegdrängen. Ich darf Angst haben! Wie viele Jahre habe ich meine Wut weggedrängt, statt sie zuzulassen, weil ich mir damals sagte: „Wenn du ein guter Christ wärest, lieber Thomas, würdest du nicht wütend sein, sondern ganz ruhig und gelassen bleiben." Ist aber nicht so, sondern ist ganz falsch! Auch Jesus war wütend und zwar sehr, nicht nur bei der Tempelaustreibung (vgl. Matthäusevangelium 23,1-38).
Also heute sage ich: „Thomas, mit Recht hast du Angst. Höre auf deine Angst, was sie dir sagen will." Alle Gefühle wollen uns nämlich Wichtiges sagen und das sollen wir hören. Die Angst warnt uns vor Gefahren. Die Angst macht uns sensibel und reaktionsbereit. Und das ist gut so. Mit Recht haben wir alle Angst vor Corona und den Folgen für unser Land und die ganze Welt. Die Angst hat Recht und darf sein.
Gefühle begrenzen
Nächster Punkt: Alle Gefühle haben allerdings die Neigung, alles zu überschwemmen und zu bestimmen. Die Angst kann alles schwarz machen und mich lähmen. Die Liebe kann mich blind machen und völlig unrealistisch. Die Wut kann alles rot färben und mich gewalttätig werden lassen. An der Stelle sage ich Ihnen: Nicht die Gefühle, sondern Sie sind Herrin oder Herr im Haus. Sie bestimmen auch, wie viel Raum Sie den Gefühlen lassen. Ich muss mich meinen Gefühlen nicht völlig überlassen. Ich kann sie begrenzen und beherrschen.
Und das gelingt auch meist, wenn ich ihnen zuvor ihr Recht gegeben habe und sie gehört habe. Schon, wenn ich mir sage: „Thomas, mit Recht hast du Angst", dann wird sie weniger, weil sie das ihre sagen konnte, weil sie wahrgenommen und angenommen wurde. Also lassen Sie Ihre Gefühle reden und sagen, was sie Ihnen sagen wollen. Aber lassen Sie sie nicht alles überschwemmen und sich nicht von ihnen beherrschen.
Gefühle wecken Kräfte
Nächster Punkt: Die Gefühle selbst sind nicht moralisch (sie sind ja unwillkürlich), sie sind alle gut und wichtig und dürfen nicht in gute und böse eingeteilt werden! Ich soll sie wahrnehmen, hören und zulassen. Nicht die Gefühle sind gut oder böse, obwohl ich das als Kind vielleicht so beigebracht bekam: „Du bist aber heute wieder böse!" – wenn ich doch (mit Recht!) nur wütend war. Nein, ganz anders. Alle Gefühle setzen in mir Kräfte frei, um zu handeln, und zwar starke Kräfte. Und dabei, bei dem, was ich mit den Kräften und Motiven aus meinen Gefühlen dann mache, da soll die Moral zum Zuge kommen.
Ich kann nämlich z.B. mit meinem Zorn sehr Gutes machen, aber mit meiner Verliebtheit womöglich mich und andere tief ins Unglück stürzen. Zorn setzt Kräfte frei, um Grenzen zu ziehen. Und das ist manchmal sehr wichtig und notwendig und kann Befreiung bewirken. Zorn gibt Mut zum Konflikt, den ich, den wir vielleicht schon zu lange gescheut haben.
Kräfte zum Guten einsetzen
Die Kunst ist nun, die Kräfte, die die Gefühle in mir freisetzen, so zu gebrauchen, dass sie zum Guten wirken. Und hier ist dann auch der Ort für Nachdenken, Beten und Unterscheiden. Hier ist der Ort von Gut und Böse. Oft hau ich beim Zorn einfach zu. Mache bei Angst alles dicht. Lasse bei Verliebtheit jede Kontrolle sein. Nein, nicht unmittelbar und gedankenlos einfach drauflos reagieren, sondern jetzt den Kopf einschalten. Die Impulse kontrollieren. Luft holen. Tief Luft holen und nochmal! Vielleicht hinsetzen und beten und aufschreiben: Was will mir das Gefühl sagen und wie soll ich jetzt gut und sinnvoll reagieren? So reagieren, dass es die Situation tatsächlich bessert? Das fordert den Heiligen Geist. Beten Sie zu ihm!
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
Quelle: Newsletter: www.update-seele.de, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Thomas Gertler SJ, www.update-seele.deIn: Pfarrbriefservice.de