„Jetzt, auf dem stürmischen Meer, bitten wir dich: Wach auf, Herr!“
Franziskus betet auf leerem Petersplatz für Ende der Corona-Pandemie
Papst Franziskus hat die Menschheit angesichts der globalen Corona-Pandemie zu Nächstenliebe und dem Erkennen der wirklichen Prioritäten im Leben aufgerufen. Es sei nicht die Zeit des Urteils Gottes, „sondern unseres Urteils“, sagte Franziskus bei einem eigens anberaumten Gebet auf dem menschenleeren Petersplatz im Regen Ende März 2020. Am Ende des Gebets spendete der Papst den außerordentlichen Segen „Urbi et Orbi“.
Der traditionsreiche Segen für „Rom und den Erdkreis“, so der Name, hat für gewöhnlich zu Ostern, zu Weihnachten und nach einer Papstwahl einen festen Platz in den Feierlichkeiten in Rom. An diesem Abend kam er in einer ungewohnten Form zum Zug. Franziskus spendete den „Urbi et Orbi“ als eucharistischen Segen, mit dem Allerheiligsten in der Monstranz, vom Eingang der Petersbasilika der Stadt Rom zu. Mit dem Segen war ein Ablass verbunden, und zwar auch für all jene, die nicht die Möglichkeit hatten, per Fernsehen oder Internet der Feier zu folgen, wie Kardinalvikar Angelo Comastri kurz vor dem Segen erklärte.
Zeit für eine Neuausrichtung
In seiner langen Predigt lud Franziskus dazu ein, für sich zu entscheiden, „was wirklich zählt und was vergänglich ist“. Es sei „die Zeit, den Kurs des Lebens wieder neu auf dich, Herr, und auf die Mitmenschen auszurichten“, so der Papst. Er beklagte, dass viele sich in der Vergangenheit ganz von materiellen Dingen und Eigensucht hätten leiten lassen.
„Wir haben vor deinen Mahnrufen nicht angehalten, wir haben uns von Kriegen und weltweiter Ungerechtigkeit nicht aufrütteln lassen, wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört“, so der Papst. „Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir in einer kranken Welt immer gesund bleiben würden. Jetzt, auf dem stürmischen Meer, bitten wir dich: Wach auf, Herr!“, sagte Franziskus mit den Worten des Evangeliums (Mk 4,35-41), das die Jünger in Seenot zeigt, wie sie den schlafenden Jesus wecken, damit er ihnen hilft.
Der Papst mahnte die von der Seuche betroffene Menschheit dazu, „den Mut zu finden, alle Widrigkeiten der Gegenwart anzunehmen und für einen Augenblick unser Lechzen nach Allmacht und Besitz aufzugeben, um der Kreativität Raum zu geben, die nur der Heilige Geist zu wecken vermag“. Konkret rief Franziskus dazu auf, „neue Formen der Gastfreundschaft, Brüderlichkeit und Solidarität zuzulassen“. Er würdigte jene, die sich für eine Überwindung der Krise einsetzten. Ausdrücklich nannte er Ärzte und Krankenschwestern, aber auch Supermarktangestellte, Reinigungspersonal, Betreuer, Transporteure, ehrenamtliche Helfer und Geistliche. Es seien viele, „die verstanden haben, dass niemand sich allein rettet".
Zwei Ikonen, die sich in Seuchen bewährt haben
Neuerlich erflehte der Papst Gottes Trost und Beistand in der Not der Pandemie. „Von diesen Kolonnaden aus, die Rom und die Welt umarmen, komme der Segen Gottes wie eine tröstende Umarmung auf euch herab", rief er am Ende der Predigt. „Herr, segne die Welt, schenke Gesundheit den Körpern und den Herzen Trost.“
Zum Gebet des Papstes waren zwei altehrwürdige Ikonen aus dem religiösen Leben Roms auf den Petersplatz gebracht worden: das Marienbildnis Salus Populi Romani („Heil des römischen Volkes“) sowie das Pest-Kruzifix aus der Kirche San Marcello. Vor beiden hielt Franziskus im Gebet inne; die Füße der Christusfigur auf dem Kruzifix küsste er in Verehrung. Beide Bildnisse hatte der Papst bereits vor knapp zwei Wochen in einer Art Wallfahrt durch das menschenleere Rom aufgesucht, um dort ein Ende der Seuche zu erflehen.
Eucharistische Anbetung
Nach dem Verehren der beiden Ikonen hielt der Papst eine eucharistische Anbetung vor dem Allerheiligsten in einer Monstranz, die in der Vorhalle von Sankt Peter auf einem eigens für diese Feier aufgerichteten Altar ruhte. Hinter dem Altar stand das zentrale Portal des Petersdoms offen und ließ ganz hinten den Baldachin erkennen, unter dem das Grab des Heiligen Petrus liegt.
Eine Orgel sowie eine Auswahl des päpstlichen Männerchors, der Cappella Sistina, begleiteten das Gebet. Die Anbetung des Allerheiligsten erfolgte wie gewöhnlich still. Auf dem riesigen, leeren Petersplatz assistierten dem Papst beim Gebet nur wenige Männer, darunter Zeremonienmeister Guido Marini.
Ostern in Rom: ohne Volk
Den nächsten regulären Segen „Urbi et Orbi“ wird Papst Franziskus am Ostersonntag spenden. Wie der Vatikan bekanntgab, finden sämtliche Papstliturgien der Kar- und Ostertage ohne Volk im Petersdom statt, wo Franziskus sie am Kathedra-Altar feiern wird. Den Kreuzweg am Karfreitag, der sonst am Kolosseum mit zehntausenden Gläubigen stattfindet, wird er 2020 auf den Stufen zum Petersdom halten.
Gudrun Sailer, www.vaticannews.va/de, In: Pfarrbriefservice.de
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