Kein Mensch ist ohne Wert oder Warum Arbeitslosigkeit in jeder christlichen Gemeinde ein Thema sein muss

Die These, die wir mit der Luft einsaugen, die wir atmen, behauptet, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben: Wer viel leistet, verdient viel, wer wenig leistet, verdient wenig, und wer gar nichts (mehr) leistet, der ist halt arbeitslos. Aber das stimmt nicht. Was als Leistung gilt, liegt auch daran, was gerade "nachgefragt" wird. Diese anonyme Nachfrage ist es, die viele als wertlos ausgrenzt.

Wer arbeitslos ist, wird immer damit zu kämpfen haben: „Du leistest nichts, du bist nichts wert". Es hilft, wenn man selber weiß, dass das nicht stimmt. Es stärkt, wenn ein lieber Mensch sagt, dass das nicht stimmt. Aber das Vorurteil hängt wie giftiger Nebel in der Luft.

Nachdem ihr Freund und Lehrer Jesus schmählich aus der Stadt getrieben worden und öffentlich am Kreuz zum Verbrecher abgestempelt worden war, waren die Jünger Jesu auseinander gelaufen. Zu schwer fiel es ihnen zu glauben, dass Gott so wertlos geworden ist und dennoch Gott bleibt. Zu sehr waren sie von der öffentlichen Meinung weggeschwemmt worden, dass sie gescheitert seien.

„Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, zu glauben?" So hat der auferstandene Jesus Christus die beiden Jünger gefragt, die mutlos nach Emmaus gelaufen sind (Lukas Kapitel 24). Als sie aber nicht nur verstehen, dass Gott nicht die Erfolgreichen und Mächtigen bestätigt, sondern tiefer sieht, in das Herz der Menschen, da brennt auch ihnen das Herz. Sie machen kehrt und treffen die anderen und bekennen: „Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt" (Apostelgeschichte Kapitel 2).

Gegen die öffentliche Meinung, die Menschen als wertlos abstempelt, will Gott, dass sein Volk die andere Botschaft laut ausspricht: Kein Mensch ist ohne Wert, jeder ist berufen. Deswegen muss Arbeitslosigkeit ein Thema in jeder christlichen Gemeinde sein. Wer als unnütz abgestempelt wird, muss hier erfahren können, dass er dabei ist, mitmachen kann, ja sogar bevorzugt ist, weil Gott ihn bevorzugt: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und bringt die Armen zu Ehren" (Lukas Kapitel 1). So bringt Gott Menschen zusammen, die von den Marktgesetzen auseinander getrieben werden. Gott sagt, dass "du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe" (Jesaja Kapitel 43).

Die Bibel ermutigt jeden, es laut vor Gott auszurufen: „Verschaffe mir Recht!" (Lukas Kapitel 18). Jesus erzählt das am Beispiel einer verarmten Frau, die von den staatlichen Autoritäten ignoriert wird. Es gehört zu den wichtigsten Botschaften der Bibel, dass wir vor Gott nicht das Unrecht verschweigen müssen, das uns angetan wird. In den Psalmen finden wir viele Gebete von Menschen, die ausgegrenzt und im Stich gelassen werden. Die Psalmen sind die Ermutigung, das laut und öffentlich auszusprechen vor Gott und den Menschen, wo die öffentliche Meinung uns stumm machen will.

Pater Martin Löwenstein SJ ist Mitglied des Jesuiten-Ordens, Hochschulpfarrer in Frankfurt am Main und hat ein Projekt für Arbeitslose initiiert.

Aus: Magazin Andere Zeiten 1/2007

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Das Schwerpunktthema für Oktober 2007

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Text: Pater Martin Löwenstein
In: Pfarrbriefservice.de