„Mein Leben als Single macht mich als Menschen stärker“

Erfahrungen einer jungen Frau, die ihr Leben nach einer Trennung allein gestaltet

Viele Jahre habe ich in einer Beziehung gelebt. Vor einem Jahr habe ich mich dazu entschieden, mich von meinem damaligen Partner zu trennen. Ich bin in eine Wohnung gezogen und lebe seitdem zum ersten Mal in meinem Leben komplett alleine. Das war für mich eine große Herausforderung.

In meiner Partnerschaft habe ich meinen Alltag mit meinem Partner geteilt. Es war immer eine Person um mich herum. Ich musste mich nicht um soziale Kontakte kümmern. Als Single muss ich meinen Alltag komplett anders gestalten, um nicht einsam zu sein. Dazu musste ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis wieder stärker aktivieren. Zu Beginn der Woche plane ich bewusst zwei Treffen oder Telefonate mit Freunden. Auch meinen Hobbys gehe ich wieder verstärkt nach. Mein ehrenamtliches Engagement musste ich aus Zeitgründen während meiner Beziehung herunterschrauben. Das baue ich jetzt wieder aus. Besonders schwer hat es mir die Corona-Pandemie gemacht. Für meinen Alltag bedeutete das: alleine wohnen, alleine im Homeoffice arbeiten, aufgrund der Kontaktbeschränkungen kaum Freunde treffen, aufgrund der immer wiederkehrenden Lockdowns keinen Hobbys nachgehen. Stattdessen 24/7 alleine zu Hause sein. Für mich als sehr kontaktfreudigen und geselligen Menschen war das schwer auszuhalten.

Von Urlauben, Wochenenden und Feiertagen

Früher bin ich sehr viel mit meinem Partner verreist. Auch das muss ich nun anders gestalten. Freunde fahren mit ihren Partnern oder Familien in den Urlaub. Aufgrund der raren Zeit im Alltag möchten sie ihren Urlaub gemeinsam verbringen. Alleine reisen möchte ich nicht. Darum verreise ich nun anders und mache Kurzurlaube. Aktuell vor allem mit einer Freundin, die auch alleinstehend ist. Das ist anders, aber auch sehr schön, weil es komplett neue und aufregende Urlaubsformen mit sich bringt.

Schwer fallen mir persönlich die Wochenenden und Feiertage. Auch das sind typische Familien- oder Partnerschaftstage, die ich oft alleine verbringe. Aber es haben sich neue Formen gefunden. Viele Feiertage verbringe ich mit meinen Eltern. Wir unternehmen Ausflüge und ich genieße die gemeinsame Zeit sehr. Während der Beziehung ist diese Zeit häufig zu kurz gekommen. An Wochenenden besuche ich Freunde. Sie sind über ganz Deutschland verteilt. Es ist schön, sich jetzt häufiger zu sehen, weil früher wenig Zeit war. Trotzdem muss ich mich als Single stärker darum bemühen, Kontakte aktiv zu halten. Freunde in Partnerschaften oder Familien haben häufig nicht so stark das Bedürfnis sich zu melden, weil sie ihr soziales Umfeld ständig um sich haben. Das kostet mich oft Kraft und ist anstrengend. Gleichzeitig sind mein Alltag und mein Leben viel abwechslungsreicher geworden.

Und ich habe unglaublich viel Freiheit gewonnen, was mir sehr entgegenkommt, weil ich ein freiheitsliebender Mensch bin. Ich genieße das sehr. Ich kann wohnen, wie ich möchte. Machen, was ich möchte. Mich treffen, mit wem ich möchte. Früher hatte ich oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich alleine oder mit Freunden unterwegs war und mein Partner die Zeit zuhause allein verbracht hat. Jetzt genieße ich diese Zeit voll und ganz, ohne ständig auf die Uhr zu schauen. Es ist auch schön, sich nicht rechtfertigen zu müssen. Ich kann mir meine Zeit nach meinen Vorstellungen einteilen. Das ist nach einer Beziehung, in der selbstverständlich Kompromisse geschlossen werden müssen und diskutiert wird, sehr angenehm.

Als Single kritisch beäugt

Manchmal fragen mich Menschen aus meinem Umfeld, ob ich einen neuen Partner gefunden habe, und sind etwas verwundert, wenn ich sage, dass ich mich momentan bewusst für das Alleine-Leben entschieden habe. Aber es war nie mein Ziel, von einer Partnerschaft in eine neue Partnerschaft überzuwechseln. Ich glaube auch nicht, dass man nur glücklich sein kann, wenn man in einer Partnerschaft lebt. Sicher fehlt mir manchmal ein Partner, aber wenn ich von den Krisen in Beziehungen höre, erinnert es mich daran, dass es nicht nur Arbeit bedeutet, wenn man alleine lebt, sondern auch, wenn man in einer Beziehung ist. Ich habe für mich persönlich erkannt, dass es schön ist, wenn sich eine Partnerschaft ergibt, aber eine Partnerschaft ist nicht mein Ziel. Trotzdem habe ich manchmal den Eindruck, dass ich mit meinem Lebensmodell die Ausnahme bin. Dass es wenige gibt, mit denen ich mich darüber austauschen kann, weil sie in anderen Lebenswelten unterwegs sind. Viele wissen nicht, mit den Problemen umzugehen, die Alleinlebende haben. Einige meiner Mitmenschen bemitleiden mich auch oder möchten mich „verkuppeln“, weil sie denken, dass ich einen Partner bräuchte. Im Dorf wird getratscht und Gerüchte machen die Runde, ob und welchen neuen Partner ich habe. Es wird genau beobachtet, mit wem ich spazieren gehe und wer bei mir zu Besuch ist. Auch, wenn ich nie viel darauf gegeben habe, „was die Leute sagen“, empfinde ich es manchmal als anstrengend.

Unabhängig und eigenständig

Nach der Trennung habe ich noch in der Paar-Identität gelebt und hatte immer das Gefühl, dass mir etwas fehlt und dass ich nicht komplett bin. Aus der Paar-Identität herauszukommen, war ein schwerer Weg. Denn in einer Partnerschaft ist man in gewisser Weise auch immer abhängig von seinem Partner. Das ist sehr bequem. Mich freizuschwimmen und unabhängig zu machen, ist mir sehr schwer gefallen. Wenn sich noch einmal die Möglichkeit einer Partnerschaft ergeben sollte, würde ich diese, aus meinen Erfahrungen als Single heraus, komplett anders leben. Ich würde mich in keine Abhängigkeiten mehr begeben.

Mittlerweile bin ich froh, dass mir das Leben aktuell die Möglichkeit gibt, als Single zu leben. Es ist sicher kein einfacher Weg, aber er macht mich als Menschen stärker. Ich lerne mich selbst besser kennen. Ich beschäftige mich mit mir. Ich halte mich selbst aus. Ich bin selbstständiger geworden. Unabhängig und eigenständig. Ich weiß jetzt, dass ich mein Leben auch alleine schaffen kann. Das gibt mir Kraft. Mittlerweile fühle ich mich als Mensch „ganz“.

Anonym, In: Pfarrbriefservice.de

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Das Schwerpunktthema für Mai 2022

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Text: Anonym
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