Menschwerden nach Gottes Art
Von großen und kleinen Heiligen
„Große Menschen sind die Inhaltsverzeichnisse der Menschheit“, hat einmal der Dichter Friedrich Hebbel gesagt. Inhaltsverzeichnisse stehen meistens ganz vorne in Büchern. Sie verschaffen mir einen Überblick, was mich zwischen den beiden Buchdeckeln erwartet.
Vielfältige Freunde Gottes
Am heutigen Fest Allerheiligen schaut die Kirche auf große Menschen in ihren Reihen, die sie Heilige nennt. Viele von ihnen haben wichtige Kapitel im Buch der Menschheit aufgeschlagen, haben Epoche-Machendes vollbracht, Geschichte geschrieben.
Früher hat man sie häufig auf den Außenfassaden großer Kirche dargestellt. Hoch oben, weithin sichtbar. Sie waren sozusagen die Aushängeschilder in Stein gemeißelt. Ein Blick in ihr Leben verrät: Sie waren alle, jeder auf seine Art, in besonderer Weise mit Gott verbunden und spiegelten etwas von seiner Liebe wieder.
Aber sie waren keineswegs nur farblose Gutmenschen, weichgespült oder Karikaturen aus Wachs und Gips, zu denen sie manche Zeit gemacht hat. Sie waren Freunde Gottes, die temperamentvoll sein konnten, durchaus mit Haken und Ösen.
Mehr Mensch sein
Heilig zu sein ist aber nicht nur Anspruch für die großen Frauen und Männer der Kirchengeschichte, sondern für jeden Christen. Doch dies steht nicht unbedingt hoch im Kurs. „Ich möchte kein Heiliger sein, denn ein Heiliger hört auf Mensch zu sein“, hat jemand einmal formuliert. Es gibt also den „heiligen Vorbehalt“. Dabei würden mich die Heiligen aber genau dazu anleiten: eben mehr Mensch zu sein. Das in mir auszuprägen, was in mir angelegt ist, damit das Gute an die Oberfläche kommen kann. Heilige können mich lehren, der Liebe Gottes in meinem Leben Gestalt zu geben. Heilige haben ausgeprägt, was als Kinder Gottes in ihnen steckte. Und sie haben in den unterschiedlichen Zeiten gezeigt, wie es geht, Gott ähnlich zu werden.
Heilige des Alltags
„Große Menschen sind die Inhaltsverzeichnisse der Menschheit“, sagte einst der Dichter Friedrich Hebbel. Heilige waren große Menschen, die Einblicke gegeben haben, wie Gott den Menschen haben will.
Viele von uns werden nicht in die Inhaltsverzeichnisse der Menschheit oder der Kirche eingehen. Wenn uns schon nicht das gelingt, dann können wir vielleicht zu Buchmarken werden, an denen man einhält und aufschlägt. Weil in uns ein Stück vom Abglanz Gottes abzulesen ist.
Weil wir dann zu Heiligen des Alltags geworden sind.
Matthias Effhauser
Deutschlandradio Kultur, Wort zum Tage 1.11.2011, www.dradio-dw-kath.eu
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Text: Matthias EffhauserIn: Pfarrbriefservice.de