Mit Gott handeln?

Eine Beziehung zu Gott, die einem Tauschgeschäft gleicht, kann im Leid nicht tragen

„Warum ausgerechnet er?“, klagt die ältere Dame neben mir. In einer großen Prozession folgen wir dem Sarg unseres verstorbenen Pfarrers zum Friedhof. „Er war noch so jung! Ich habe wirklich geglaubt, dass mein Beten Gott umstimmen wird und ihn bei uns bleiben lässt…“. Das klingt wie ein Handel oder ein Tauschgeschäft: Das Gebet dieser Frau sollte das Schicksal unseres Pfarrers noch einmal von ihm abwenden – zu unseren Gunsten. „Seine vorbildliche Lebensführung und sein Einsatz für die Gemeinde müssen doch von Gott belohnt werden, oder nicht?“, fragt sie weiter.

Ihr Denken scheint auf den ersten Blick schlüssig und erinnert mich an den so genannten Tun-Ergehen-Zusammenhang im Alten Testament: Menschliches Handeln führt – ob gut oder schlecht – immer zu den entsprechenden Folgen. Gott wird als Garant dafür gesehen, dass es den Menschen, die seinen Willen tun, im Leben gut ergeht und umgekehrt. Eine solche Vorstellung von Gott macht es uns natürlich leichter, an ihn zu glauben und ihn in unser Leben einzubeziehen, denn dieser Gott ist berechenbar. Berechenbar wie ein Mensch, ein Partner auf Augenhöhe. „Eine Hand wäscht die andere“, ein für uns selbstverständliches Handlungsprinzip, würde hier auf das Verhältnis zwischen Mensch und Gott übertragen.

In unserem Umgang miteinander hat sich dieses Prinzip bewährt. Wenn ich jemandem einen Gefallen tue, rechne ich oft damit, dass er sich bei passender Gelegenheit bei mir revanchiert. Es scheint ganz einfach: Für eine Leistung gibt es eine Gegenleistung. Dann herrscht am Ende Gerechtigkeit, so wie wir sie uns vorstellen. Und wenn wir mit Gott handeln, wie mit unseresgleichen, muss das ähnlich laufen. Einen Gott, der nach unserer Erwartung funktioniert, können wir verstehen und einordnen.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Dass Gott nicht mit sich handeln lässt, sagt Jesus in der Bergpredigt mit aller Deutlichkeit: Gott „lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ Unmissverständlich stellt Jesus unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit und unsere Erwartungen, welche Rolle Gott dabei spielen sollte, auf den Kopf.

„Er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten“ – ist das gerecht? Nach unserer Vorstellung von Gerechtigkeit bestimmt nicht und manchmal auch nur schwer zu ertragen. Es bleibt dabei! Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen dem, was ich tue, und dem, was mir widerfährt. Auch tiefgläubige Christen können am Leben scheitern, verlieren ihr Vermögen, lassen sich scheiden, werden krank und sterben. Das heißt: Mein Leben wird nicht immer glatt laufen, auch wenn ich vorbildlich handele, fromm bin und regelmäßig den Gottesdienst besuche. Das gilt auch umgekehrt: Selbst wenn ich sündige, wird Gott mich nicht umgehend dafür zur Rechenschaft ziehen.

Ein Glaube, der menschliche Vorstellungen zum Maßstab nimmt, und eine Beziehung zu Gott, die auf einem Handel beruht, werden spätestens dann ins Wanken geraten, wenn mein Leben auf einmal durcheinander gerät. Dann werde ich mich enttäuscht von Gott abwenden, weil er sich nicht an meine Spielregeln gehalten hat. Dabei ist Gott ganz anders, als wir denken. Er hat keinen Vorteil davon, wenn ich nach seinem Willen handele. Und wenn er sich mir zuwendet, tut er das nicht, weil er mir etwas schuldig ist. Immer größer als unser gutes und böses Handeln sind seine Liebe und Barmherzigkeit. Darauf können wir vertrauen.

Christine Hober
Quelle: Krankenbrief 06/24, www.krankenbrief.de, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Christine Hober, Quelle: Krankenbrief 06/24, www.krankenbrief.de
In: Pfarrbriefservice.de