Möglichkeiten der Begleitung eines trauernden Kindes
Wenn Ihr Kind über den anstehenden Trauerfall informiert ist, haben Sie die Möglichkeit, auf die Fragen des Kindes einzugehen. Sie können Bilder- und Sachbücher besorgen. Sie können sich, auch wenn es noch unbegreiflich ist, mit dem Abschied auseinander setzen. Was wird sich mit dem eintretenden Tod für die Familie verändern? Der Wohnort, die Finanzen? Halten Sie es für unmöglich, wenn Ihr Kind jetzt schon auf der Flöte ein Lied übt, welches es dann später bei der Trauerfeier dem Opa am Sarg vorspielt? Es ist vielleicht ungewöhnlich, aber vielleicht gibt es auch einen Großvater, der sich schon in der Krankheit genau über dieses Lied freut?
Besuch beim Bestatter – ein Praxisbericht
Ich habe mit 2 Kindern, 10 und 13 Jahre alt, 2 Wochen vor dem Tod der Mutter einen Bestatter aufgesucht. Beide Kinder wollten das Geschäft mal kennen lernen, als sie hörten, ich müsse wegen einer Besprechung dorthin. Trotz meiner Sorge, die Räumlichkeiten könnten die Kinder zu diesem Zeitpunkt erschrecken, ließ ich mich auf den Besuch ein, den wir ja jederzeit abbrechen konnten. Nach einer anfänglichen Schüchternheit erkundigten sich die Kinder zuerst nach den Preisen der ausgestellten Särge und Urnen. Danach überlegten beide, was denn für sie selbst in Frage käme. Der 13-jährige entschied sich für den teuersten, das Mädchen für einen hellen Sarg mit dem „kostbaren“ Kreuz darauf. Ich sagte dem Bestatter, der auf den Besuch vorbereitet war, dass die Mutter der Beiden sehr krank wäre, und wir darüber gesprochen hätten, der Mama vielleicht den Sarg ganz schön zu bemalen. Daraufhin wurde uns die Werkstatt gezeigt, in der wir dann beizeiten malen könnten. Abschließend wollten die Kinder noch einen Sarg von innen sehen. Gemeinsam schraubten wir einen Sarg auf, hoben gemeinsam den Deckel ab, beschauten und befühlten die Innenausstattung. Danach wurde der leere Sarg wieder geschlossen.
Wir wurden mit den Worten entlassen: „Macht’s gut. Wir werden uns dann ja vielleicht wieder sehen, ich hoffe, das dauert aber noch eine Weile. Aber wenn ihr wiederkommt, dann wisst ihr schon, wo hier die Werkstatt ist.“ Beide Kinder waren auf der Rückfahrt im Auto und auch später zu Hause sehr ausgeglichen. Sie erzählten ihrem Vater und ihren weiteren Geschwistern von dem Besuch, ohne Ängste zu zeigen. …
Der Sarg der Mutter wurde 3 Wochen später bemalt. Auf den Innendeckel, der nicht mit Stoff ausgeschlagen wurde, hatten die Kinder der Mama ein ganz großes Herz gemalt. „Damit Mama immer sieht, wie lieb wir sie haben.“ Außen wurde der Sarg mit Namen der Familie, Blumen und Herzen bemalt. Alles Symbole, die die Liebe zu ihrer Mutter zum Ausdruck brachten. …
Abschiednehmen am offenen Sarg
Jeder verstorbene Mensch darf aufgebahrt werden. Jeder Mensch darf nach Eintritt des Todes 36 Stunden zuhause aufgebahrt werden – auch dann, wenn er im Krankenhaus verstorben ist. Ist man nicht mit dieser Situation vertraut, hört sich so ein Vorschlag vielleicht sogar unheimlich an. Ich rede hier aber nicht von irgendwelchen Leichen, sondern von Ehepartnern, eigenen Kindern oder Eltern. Familien, Kindern muss deutlich werden: auch der tote Papa ist mein Papa. Den verstorbenen Vater, die Mutter, das Kind aus dem Krankenhaus noch einmal nach Hause holen oder ganz in Ruhe zu Hause lassen, kann den Abschied begreifbarer, bewusster – und trotz aller Traurigkeit „schön“ machen. Je jünger ein Kind oder je stärker eine Behinderung ist – desto wichtiger ist das Begreifen. Zu sehen, zu fühlen: ja, das ist tot.
Nehmen Sie Ihr Kind an die Hand, begleiten Sie auch größere Kinder, wenn Sie das erste Mal den toten Menschen besuchen. Holen Sie sich selber Hilfe, wenn auch Sie Begleitung benötigen. Fragen Sie nicht Ihr Kind: „Willst Du Mama noch einmal sehen?“ Wie sollen sich Kinder entscheiden, wenn sie doch gar nicht wissen, was „tot“ ist, wie das aussieht oder vielleicht riecht? Wenn Ihnen die Abschiednahme wichtig ist, erklären Sie Ihrem Kind, was es in dem Raum vorfinden wird: „Komm, wir wollen Mama noch einmal besuchen. Mama liegt in dem Raum und sieht aus, als würde sie schlafen. Sie schläft aber nicht, sie ist tot. Sie bewegt sich nicht mehr, sie macht die Augen nicht auf, sie sieht auch etwas blasser aus als sonst. Das ist so, wenn man tot ist.“ Der Tote riecht auch nicht, er ist nicht ansteckend, es gibt auch kein Leichengift. Auch das können wichtige Informationen sein, die jedoch nur auf Fragen benannt werden sollten.
Möchte das Kind den Raum nicht betreten, ist es auch ok. Vielleicht kommt es später dazu, wenn es sieht, dass Sie dennoch die Mutter besucht haben. Oft ist es auch hilfreich, den Kindern das Angebot zu machen, gemeinsam hinein zu gehen, das Kind darf zu jeder Zeit alleine oder mit einer Bezugsperson wieder raus gehen.
Viele Bestatter bieten auch die Möglichkeit der Aufbahrung in ihren Räumlichkeiten an. Nutzen Sie dieses Angebot, wenn der Verstorbene nicht bei Ihnen zu Hause bleiben kann. …
Kinder dürfen den verstorbenen Menschen sehen und auch darüber reden, wenn es ihnen nicht gefallen, nicht gut getan hat – sie werden keinen Schaden nehmen. Nur Kinder, die unvorbereitet durch das stark veränderte Aussehen eines Toten erschreckt sind, kein Gesprächsangebot erhielten oder zu einem Besuch gegen den Willen gezwungen wurden, können manchmal Monate bis Jahrzehnte lang mit Ängsten auf diesen Besuch reagieren.
Kinder, die begleitet wurden, Familien, die sich gegenseitig zur Stütze wurden, möchten diesen letzten Abschied nicht mehr missen. Er war traurig, aber die letzte Chance, einigermaßen bewusst Abschied zu nehmen und damit gleichzeitig zu beginnen, den Tod zu begreifen.
Abschiedsgeschenke und Gedenktage
Trauerfeiern, Trauer-Gottesdienste, Abschiedsfeiern können persönlich mitgestaltet werden. Sie können mit Ihren Kindern Lieder aussuchen, eine Kerze für den Gottesdienst gestalten, Danksagungen oder Fürbitten formulieren und gemalt oder gesprochen vortragen, Teelichter verbunden mit einem Gedanken, einem Dank nach vorne zum Sarg bringen, die Kinder können Lieblingsblumen nach Farben oder Sorten aussuchen, eine Kranzschleife selber gestalten … alles Dinge, die Sie mit den Kindern in Liebe zu dem Verstorbenen gestalten, die Ihnen aber gleichzeitig in Ihrer eigenen Trauer gut tun.
„Schade, dass Oma tot ist. Aber gut, dass wir Ihr so eine schöne Kerze gebastelt haben!“ Ja, es ist traurig, aber es ist wichtig, wenn auch im kleinen Rahmen, selber handlungsfähig zu bleiben. In all den Momenten, in denen wir uns bewusst mit der Tatsache des Todes auseinandersetzen, egal ob wir lachen, ernsthaft sind, beten oder weinen – genau da beginnt unsere Trauerverarbeitung.
Mechthild Schroeter-Rupieper, www.familienhandbuch.de, In: Pfarrbriefservice.de
Mechthild Schroeter-Rupieper ist verheiratet und Mutter von 3 Söhnen und einer Pflegetochter, Erzieherin, langjährige freiberufliche Fortbildnerin und Trauerbegleiterin. Sie setzt ihren Schwerpunkt auf die Stärkung und Begleitung von Erziehenden, Pflegenden und Seelsorgern aus dem sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen und geistig Behinderten Menschen. In ihrer Praxis Lavia Institut für Familientrauerbegleitung in Gelsenkirchen begleitet sie ebenfalls Menschen jeden Alters vor einem anstehenden Tod und in der Zeit danach. Sie ist Autorin des Buches „Für immer anders. Das Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds.“
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Text: Mechthild Schroeter-RupieperIn: Pfarrbriefservice.de