Nah dran am Besonderen

Wieso engagieren sich Kinder und Jugendliche als Ministrantinnen und Ministranten? Welche Erfahrungen können sie in diesem Dienst machen und welche Herausforderungen bringt die Zukunft? Zu diesen Fragen nimmt Dr. Peter Hahnen Stellung. Er ist Referent für Ministrantenpastoral bei der „Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz“ (afj) in Düsseldorf.

Wie erklären Sie sich die steigende Zahl an Ministrantinnen und Ministranten?

Dr. Hahnen: Es handelt sich um eine Beliebtheit, die sich nun bereits über viele Jahre beobachten lässt. Die Gründe dürften vielfältig sein. Zum einen könnte die öffentliche mediale Präsenz der Kirche eine Rolle spielen. Ein Papst deutscher Herkunft, die Weltjugendtage usw., das wird sich womöglich auswirken. Darüber hinaus wird regional und diözesan einiges getan. Ich denke etwa an die Angebote der Internationalen Ministrantenwallfahrten.

Vor allem aber dürfte es an einem starken personalen Angebot liegen, dass „vor Ort“ Pastoral-Teams und Ehrenamtliche für sich einen Schwerpunkt setzen. Sie entscheiden, dass der liturgische Einsatz von Kindern und Jugendlichen mehr sein soll als eine Verhübschung des Altarraums mit „Kerzenständern auf zwei Beinen“, und entwickeln ein seelsorgerliches, soziales und erlebnispädagogisches Engagement. Darin werden sie von den diözesanen Referaten für Ministrantenpastoral und den Arbeitshilfen der Bischofskonferenz (das Monats-Magazin MINIPOST und die Leiterzeitschrift miniBÖRSE) unterstützt.

Kurz gesagt: Menschlicher Einsatz zahlloser Gruppenleiter, Kapläne, Gemeinde- und Pastoralreferenten und die Qualität des Angebots zahlen sich aus. In manchen Bistümern beobachtet man, dass ältere Jugendliche, die früher ausgeschieden wären, jetzt dabei bleiben; auch wegen neuer, spezieller Angebote für ihre Altersgruppe. Die Altersspanne weitet sich also aus. Man bleibt auch „über 14“ dabei.

Warum engagieren sich eigentlich Kinder und Jugendliche als Ministrant, als Ministrantin? Was macht den Ministrantendienst so „besonders“?

Dr. Hahnen: Kinder sind hier nah dran am Besonderen, sie agieren mit Verantwortung und: Sie agieren vor anderen. Diese Attraktionskraft ist unbestritten.

Viele erfahren hier aber mehr, nämlich eine Wertschätzung, eine sinnliche Gottesdienst-Schule. Sie können ihre Begabung einbringen und entfalten, später auch pädagogisch als Gruppenleiter. Sie erleben reges, soziales Gruppenleben.

Die jüngsten soziologischen Milieustudien betonen, dass Jugendliche sich als „gewollt, angenommen und schön“ erleben wollen. Diese Qualität hat das pralle Ministrantenleben zu bieten. Ihnen wird im Laufe des Jahres eines klassischen Ministranten-Daseins auch immer wieder Neues geboten: Vom Fahnen-, zum Kerzen- über den Altar- zum Weihrauchdienst….Nicht selten schließen sich Aufgaben als Lektor, Kantor, Gruppenleiter, ja Oberministrant an.

Nicht wenige Prominente, Wissenschaftler, Künstler und Politiker nehmen immer wieder Bezug auf ihre Erfahrungen aus der Ministrantenzeit...

Dr. Hahnen: Wer sich erinnern kann, dass und wie gut es als Ministrant einst war, hat oft eine Ahnung davon, wie es für ihn mit Glaube und Kirche heute ist. Der liturgische Dienst stärkt den Glauben und unterstützt spirituelle Entwicklung und Identität.

Engagierte Ministrantenpastoral stärkt drei Kompetenzen: soziale, liturgische und konfessorische Kompetenz. Und ganz nebenbei werden Rücksichtnahme, Pünktlichkeit, Disziplin, Verlässlichkeit, Organisationsgeschick und situationsgerechtes Verhalten auf spielerische Weise trainiert.

Worin besteht die pastorale Chance bei der Ministrantenseelsorge?

Dr. Hahnen: Junge Menschen finden Erfahrungsfelder, die reicher machen, innerlich stark und „schön“. Die Kinder und Jugendlichen sind als Subjekte ernst zu nehmen und auf ihrem Weg zu begleiten; mit ihren Fragen, Wünschen und Entwicklungsmöglichkeiten. Ihr liturgischer Dienst ist eine Facette ihrer Existenz. Pastoral, die den ganzen Menschen in den Blick nimmt, wird ganzheitlich Persönlichkeit Lebensraum geben und Leben fördern wollen und können.

Gibt es Probleme für eine auch zukünftig gute Entwicklung des Ministrantendienstes?

Dr. Hahnen: Ein Erstes: Die Ganztagsschule und Stauchung der Oberstufe (so genanntes „G 8“) erschwert die gemeindliche und verbandliche Jugendarbeit überhaupt, weil sie wie ein Zeitfresser die Nachmittage als freie Zeit persönlicher Gestaltung und Entfaltung nimmt. Hier werden neue Gesellungsformen, wie etwa Samstagsangebote und Ministranten-Wochenenden zu entwickeln sein, die aber ortsnah sein müssen, um den Aufwand der Anreise zu umgehen. Die Pastoral-Teams werden sich dieser Herausforderung, die sich ja auch schon in der Erstkommunion- und Firmkatechese bemerkbar macht, zunehmend stellen müssen.

Ein Zweites: Die Zusammenlegung ehemals selbstständiger Gemeinden zu Seelsorgeeinheiten führt zu weniger Messfeiern. Die Zahl der Ministranten/innen steigt aber vielerorts. Die Verantwortlichen in den Gemeinden werden sich dafür sensibilisieren müssen, dass und wie Ministranten auch in Wort-Gottes-Feiern und freieren Andachtsformen Dienste übernehmen können. Hier ist ein bisschen Phantasie gefragt, die aber von den diözesanen Ministrantenreferaten Anregung bekommen kann.

Steigt die Zahl der Ministranten/innen eigentlich in allen Bistümern?

Dr. Hahnen: Nein. In acht deutschen Bistümern sind die Ministrantenzahlen bei der letzten Zählung in den Jahren 2008/09 gesunken! Das bewegt sich in einer Größenordnung von 100 bis 2.370 weniger „Minis“ je Bistum.

Was sind die Gründe?

Dr. Hahnen: Hier dürften mehrere Gründe eine Rolle spielen: Zusammenlegung von Pfarreien, weniger pastorales Personal, weniger Messfeiern, womöglich auch eine geringere seelsorgerisch aufmerksame Orientierung der liturgischen Praxis, wenn man etwa irrtümlich der Meinung ist, in Wort-Gottes-Feiern gäbe es für Ministranten nichts zu tun.

Bistümer im Osten Deutschlands sind ebenso davon betroffen wie ein Bistum in Nordrhein-Westfalen. Bistümer, die keine deutliche personelle Ausstattung des diözesanen Ministrantenreferats haben, tun sich eher schwer. Wo die Ministrantenpastoral „irgendwie“ mitbetreut werden muss oder Stellen längere Zeit vakant waren, sind Verluste fast unausweichlich. Aber das ist immer nur eine Komponente von vielen Gründen, die im Gesamt zu einem Absinken der Zahl führen können. Gesellschaftliche Trends, wie z. B. in den Bistümern Erfurt und Görlitz, spielen sicherlich auch eine Rolle.

Quelle: Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Januar 2011

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,03 MB

Sie dürfen den Text NICHT in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz
In: Pfarrbriefservice.de