Rituale sind wichtig: Wie Christian Sendtko die Zeit seiner Arbeitslosigkeit erlebt hat
Ich war vier Jahre arbeitslos. Natürlich habe ich mich beworben, aber es gab auch Phasen, da habe ich es nur getan, wenn das Arbeitsamt Druck machte. So eine Bewerbung ist ja immer eine Selbstanpreisung: Ich bin der Tollste. Und wenn man schon eine Zeit arbeitslos ist und die üblichen Absagen zurückbekommt, dann motiviert das nicht. Das Schlimmste war für mich der Schwebezustand: Die Erwartungen von außen und auch die eigenen, man will ja das Studium, diese ganzen Jahre nicht wegwerfen und denkt: eigentlich müsste ja etwas anderes kommen.
Man fängt dann schnell an, sich die Situation schön zu reden. Und es hat auch seinen Reiz, eine gewisse Bedürfnislosigkeit zu entwickeln. Das kann sogar positiv sein: Man räumt den Dingen einen höheren Wert ein. Es ist was anderes, ob ich im Vorbeigehen ein Buch kaufe oder bewusst entscheide, das will ich mir jetzt leisten. Ich hatte ja auch keine Verpflichtungen, musste keine Wohnung abbezahlen, habe keine eigene Familie.
Aber die Gefahr sich einzunisten, sich zu verkriechen ist groß. Deshalb ist es wichtig, einen gewissen Tagesablauf zu haben. Feste Strukturen, Rituale. Dass man nicht bis Mittags schläft. Ich habe ehrenamtlich gearbeitet. Und ich hatte mein Netz, vier, fünf Personen, mit denen man sich trifft. Ich bin ein neugieriger Mensch, habe viel Zeitung gelesen oder Stunden im Internet verbracht. Da habe ich Leute kennen gelernt, die andere Vorstellungen hatten, nicht nur „mein Haus, mein Auto, meine Familie“. Mich zu fragen, was ist denn jetzt wirklich wichtig, gab eine gewisse Zufriedenheit, einen Einklang mit mir selbst, auch ohne feste Tätigkeit.
Andere hatten mit meiner Situation manchmal mehr Probleme als ich. Mein bester Freund zum Beispiel, er arbeitet selbst als Jurist: Er konnte es nicht ertragen, dass ich aus meinen Möglichkeiten so wenig mache. Es gab eine Phase, da hatte er den Kontakt ganz abgebrochen. Seit Januar ist es wieder okay. Wir sehen uns einmal die Woche und kochen zusammen. Er rief mich an, als er selber große Probleme hatte.
Diese gut gemeinten Ratschläge aber –mach doch mal dies, du könntest doch das- treffen einen zuweilen schon. Gut getan hat mir, ehrenamtlich zu arbeiten. Meine Leidenschaft ist Lesen und so habe ich ausländischen Kindern vorgelesen. Ich merkte, dass es hilfreich ist, so einen festen Termin in der Woche zu haben. Außerdem war da ich dann derjenige, zu dem mal aufgeschaut wurde. Das hat mir Bestätigung gegeben. Ich hatte wegen meiner ehrenamtlichen Tätigkeiten auch nie das Gefühl, ich nutze die Gesellschaft aus. Sie waren für mich eine Brücke, ich gebe der Gesellschaft etwas wieder.
Ich glaube, es ist wirklich wichtig, flexibel zu bleiben. Neugierig. Dass man nicht nur auf eine Richtung beharrt, sondern sich umschaut, Kontakte auf anderen Gebieten knüpft. Vielleicht ergibt sich dadurch irgendwas. Und dass man halt immer offen ist für das, was das Leben einem so bieten kann.
Christian Sendtko ist Jurist und seit kurzem bei der Agentur für Arbeit in Hamburg tätig. Aus: Magazin Andere Zeiten 1/2007
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Text: Christian SendtkoIn: Pfarrbriefservice.de