Salz und Licht für eine immer kompliziertere Welt
Nicht wenige Menschen trennen zwischen dem religiösen Bereich und dem übrigen alltäglichen Leben. Darin spielt christliches Denken und Handeln kaum eine Rolle. Gebet oder Kirchenbesuch mögen als Teil des Privatlebens selbstverständlich gepflegt werden, während gleichzeitig im Berufs- und Geschäftsleben, im staatlich-gesellschaftlichen Bereich usw. alles Christliche als Fremdkörper empfunden wird. Verglichen mit den Verhältnissen vor einigen Jahrzehnten erscheint dies wie ein Rückzug der Religion ins Private. Es mag zuweilen umgekehrt sein: Unseren Lebensverhältnissen wachsen ständig neue Bereiche hinzu, die als Ort christlichen Zeugnisses noch entdeckt werden müssen.
Christsein im Straßenverkehr
Als Beispiel wäre der Straßenverkehr zu nennen. Manche werden fragen: Was hat der Straßenverkehr mit meinem Glauben zu tun? Genau das ist das Problem. Im Straßenverkehr kann ich andere durch verantwortungsloses Handeln gefährden oder schädigen. Es ist ein Unterschied, ob das Auto als nützliches Fortbewegungsmittel, als Aushängeschild erreichten Lebensstandards oder als Nervenkitzel benutzt wird. Schließlich ist das eigene Auto eines von Millionen, woraus sich u.a. eine Verantwortung für die Umwelt ergibt, die keineswegs nur Angelegenheit des Gesetzgebers ist. Radikallösungen sind so wenig angemessen wie das Wegdiskutieren vorhandener Probleme. Gefragt sind bewusste und verantwortungsvolle Einzelbeiträge. Christsein kann auch bedeuten, nach Gelegenheiten dazu zu suchen.
Zu früh in die Rettungsboote?
Unsere Lebensverhältnisse werden immer komplexer und anonymer. Je weniger bestimmte Menschen oder Gruppen betroffen sind, umso größer ist die Gefahr von Gleichgültigkeit; das eigene Handeln scheint ja niemandem zu schaden. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wer z.B. Gewaltfilme im Fernsehen anschaut, trägt mittelbar dazu bei, dass sie gesendet werden. Wer zu Unrecht schweigt, stützt mittelbar den, der Unrecht tut, auch dann, wenn dieses Unrecht in "sicherer" Entfernung geschieht. Wenn Christen zu sehr mit sich selbst beschäftigt oder zu uninteressiert sind, um sich zu Wort zu melden, so stehen genügend andere bereit, die Lücke zu füllen. Wir steigen zuweilen in die Rettungsboote, bevor der Sturm losgebrochen ist. So entgeht uns die Glaubenserfahrung, wie sie in der Bibel in Matthäus 14, 22 ff geschildert wird.
Zeichen setzen für gelebtes Christsein
Noch unscheinbarer ist ein anderer Bereich. Jemand hat ein Recht auf etwas; er tut gewiss nichts Böses, wenn er es in Anspruch nimmt. Besser kann es aber sein, den Anspruch nicht zu erheben, damit ein anderer, der dasselbe nötiger braucht, nicht leer ausgeht. Hier besteht die Chance, freiwillig Zeichen zu setzen, die eine sehr eindrückliche Sprache sprechen: Zeichen der Solidarität, auch wenn sie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein sein mögen; Zeichen der Hoffnung für Menschen, um die sich sonst niemand kümmert; Zeichen gelebten Christentums, die Uninteressierte, Abgewiesene, Enttäuschte und Suchende auch dort erreichen, wo keine Predigt mehr hindringt.
Das Leben christlich würzen
Auch wenn im Evangelium weder von Computern, Massenmedien oder globalen Problemen die Rede ist, so überliefert es uns doch Jesu Wort vom Salz der Erde und vom Licht der Welt (Matthäus 5, 13 f). Wäre dieses Wort es nicht wert, erneut darüber nachzudenken, in welchen Bereichen unserer Gesellschaft es an christlicher Würze mangelt? Könnte es nicht Mut machen, christliches Licht unter dem darüber gestülpten Gefäß hervorzuholen, damit es die Schattenseiten unserer Lebensverhältnisse aufhellen kann?
P. Dr. Dietmar Schon OP
Quelle: www.christl-spiritualitaet.de, Internetseite der Dominikanerprovinz St. Albert
zum Text: http://www.christl-spiritualitaet.de/glaubenskurs/101.htm
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Text: P. Dr. Dietmar Schon OPIn: Pfarrbriefservice.de