Unterschiede beleben
Das christliche Menschenbild hilft, dass Unterschiede der Partner zu einem großen Reichtum für die Beziehung werden können
"Schau mal", sagt meine Frau, "es gibt Kirchweih-Krapfen", und zeigt in der Auslage einer Bäckerei auf ein Backwerk, das ich seit Kindheitstagen nur unter der Bezeichnung "Küchle" kenne. "So ist das", denke ich mir, "wenn sich eine Mittelfränkin und ein Allgäuer zusammentun". Im Folgenden einige Gedanken zur Verschiedenheit von Partnern, welche sicherlich im alltäglichen Zusammenleben immer wieder zu kleineren oder größeren Schwierigkeiten führen kann, aber letztlich die Zweierbeziehung doch ungemein bereichert.
Paar = zwei unterschiedliche Persönlichkeiten
Wenn zwei Menschen beschließen, als Paar beieinander zu bleiben, entsteht dadurch eine Kombination aus zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten. Unterschiede zwischen Partnern gibt es nicht nur geschlechtsbedingt, sondern auch im Temperament, in der Chronobiologie (Frühaufsteher Lerche und Nachtaktivist Eule), der sozialen Ausrichtung (Introvertiertheit und Extrovertiertheit), der Konfliktfähigkeit, der Bindungsfähigkeit, der Arbeitshaltung – beispielsweise im unterschiedlichen Bedürfnis nach Perfektion – und im Dominanzstreben.
Weiterhin bringen Menschen, die sich ineinander verlieben, unterschiedliche Lebensgeschichten aus verschiedenen Lebenswelten in ihre Beziehung mit ein. Wie bei der eingangs erwähnten Episode spielt hier das Aufwachsen in unterschiedlichen geographischen Regionen ebenso eine Rolle wie die Entwicklung in verschiedenen Herkunfts-Familienkulturen.
Unterschiedlichkeit akzeptieren
Für eine glückliche Partnerschaft ist es wichtig, dass es beiden Partnern gelingt, anzuerkennen, dass sie als Paar nicht aus einer einzigen Realität kommen, sondern aus zwei unterschiedlichen Erlebniswelten und Wirklichkeiten. Die Akzeptanz des Partners, die eine echte Rücksichtnahme auf den anderen und eine Relativierung der eigenen Person verlangt, schafft die Atmosphäre einer guten Beziehung, in der tiefe und dauerhafte Bindung entstehen kann.
Gerade in unserer Zeit wird erfreulicherweise in vielen Lebensbereichen der Erfolgsfaktor der Unterschiedlichkeit betont. So wird derzeit beispielsweise in innovativen Unternehmen im Rahmen des Vielfältigkeitsmanagements (Diversity Management) versucht, die individuelle Verschiedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht allein wie bisher nur zu tolerieren, sondern sie im Sinne einer positiven Wertschätzung hervorzuheben und für den gemeinsam angestrebten Unternehmenserfolg nutzbar zu machen.
Entwicklungsgewinn
In einer Liebesbeziehung stellt die Verschiedenheit der Partner meiner Ansicht nach ebenfalls ein äußerst belebendes Element für den Wachstumsprozess der Partnerschaft, aber auch für die Entwicklung jedes einzelnen dar. Sehr berührend hat der französische Schriftsteller Andre Gorz in seinem wunderbaren Buch "Brief an D. – Geschichte einer Liebe" seinen individuellen Entwicklungsgewinn, den er durch den Einfluss seiner Frau erhielt, mit folgenden Worten beschrieben: "Du standest in ansteckendem Einklang mit allem, was lebt und hast mir beigebracht, die Felder, die Wälder und Tiere zu betrachten und zu lieben (...) Du hast mir beigebracht, die Ausdehnung unseres privaten Bereichs, unseres gemeinsamen Lebens, zu lieben."
Spirituelles Fundament
Ein bedeutendes spirituelles Fundament für den Umgang mit dem Anderssein des Partners und für dessen Wertschätzung stellt das christliche Menschenbild dar, da es den anderen in seiner Einmaligkeit als Abbild Gottes versteht. Gibt es diese Wertschätzung, dann werden Gegensätze der Partner zu einem großen Reichtum für die Beziehung.
Übrigens: Die Kirchweih-Krapfen beziehungsweise die Küchle haben vorzüglich geschmeckt.
Prof. Dr. Gerhard Nechwatal
Der Autor ist Diözesanfachreferent der Psychologischen Beratungsstellen für Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Diözese Eichstätt und Honorarprofessor für Psychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Quelle: Kirchenzeitung für das Bistum Eichstätt, 3. November 2013, www.bistum-eichstaett.de/kiz. In: Pfarrbriefservice.de
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Dateigröße: 0,03 MB
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Text: Prof. Dr. Gerhard NechwatalIn: Pfarrbriefservice.de