Vom Sinn des Brotbrechens
Alltägliches und eucharistisches Zeichen
Zum Brotbrechen trafen sich die ersten Christen und wussten sich darin eng mit ihrem Herrn Jesus verbunden. Was es mit dieser Geste des Brotbrechens auf sich hat, im Alltag und besonders in der Eucharistiefeier, und wie sie sich im Laufe der Kirchengeschichte gewandelt hat, beleuchtet Pater Spichtig vom Liturgischen Institut der deutschsprachigen Schweiz:
Weit verbreitet ist der Brauch, einen neuen Brotlaib vor dem Anschnitt jeweils mit einem Kreuz zu bezeichnen. Mutter oder Vater zeichnet am Frühstückstisch mit dem Messer ein kleines Kreuz in den Brotboden, bevor sie oder er daran geht, das Brot für die ungeduldig wartenden Kinder anzuschneiden.
So schlicht dieses Zeichen ist, so eindeutig bezeugt es authentische eucharistische Spiritualität im Alltag. Am Familientisch werden ja nicht einfach nur Mäuler gestopft. Hier wirkt fort, was wir in der Messe feiern: Communio, Liebesgemeinschaft mit Christus und untereinander. Das kleine Ritual unterbricht für einen kurzen Augenblick den geschäftigen Alltag; einen Augenblick des Innewerdens, dass das „tägliche Brot“ keine Selbstverständlichkeit ist. Dass „Kräfte der Natur“ und viel „Mühe des Menschen“ in diesem Grundnahrungsmittel stecken. Dass uns Jesus gelehrt hat, darum zu bitten und dafür dankbar zu sein. Dass er sich selbst als Brot des Lebens für die Welt verstand. Dass es Brot für alle geben muss. Dieses Ritual knüpft somit direkt am Brotbrechen in der Eucharistie an.
Das frühchristliche Herrenmahl: das Brotbrechen
Die Evangelisten berichten übereinstimmend, dass Jesus, wie wohl schon oft zuvor und wie das jeder jüdische Hausvater tat, auch beim Abschiedsmahl das Fladenbrot nahm, Dank sagte, es brach und den Jüngern reichte.
Paulus, der wie wir beim Abschiedsmahl Jesu selbst nicht dabei war, verdanken wir den ältesten Bericht dieser Szene: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,23f)
Auch andere Stellen in der Schrift zeigen, wie stark für die Christen der ersten Generationen die Identifikation der schlichten Geste des Brotbrechens mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn war. Lukas verdanken wir das Zeugnis der Emmausjünger, die den Herrn am Brechen des Brotes erkannten: „Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn (Lk 24,31). Derselbe Autor verwendet in der Apostelgeschichte wiederholt den Ausdruck „Brotbrechen“ für das Zusammenkommen der jungen Gemeinde zum Gebet: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten.“ (Apg 2,42; s. auch 2,46 und 20,7)
Über den für ein gemeinschaftliches Mahl rein praktisch notwendigen Vorgang des Teilens des großen Fladenbrotes hinaus sah die junge Gemeinde Christi also im Brotbrechen das Wesen der Sendung Christi symbolisiert. Er stiftet Gemeinschaft, die sich im Teilen des einen Brotes ausdrückt. Er selbst ist dieses Brot, an dem wir Anteil erhalten. Das Brot ist der Leib Christi, an dem wir partizipieren oder, anders gesagt: kommunizieren. Die versammelte Gemeinde feiert, was sie im Mahl des geteilten Brotes zu werden aufgetragen ist: Leib Christi.
Das Brechen dieses einen Brotes weist aber auch auf Jesu Lebensopfer hin. Im Gedenken an das letzte Abendmahl mit ihrem Meister, die Nacht vor seinem Tod, als er dies Mahl auf seinen hingegebenen Leib und sein vergossenes Blut für die Welt hin deutete, hat die junge Gemeinde im gebrochenen Brot und dem herumgereichten Weinkelch den zerschundenen Leib Christi gesehen. Denn auch die traditionellen Tieropfer sahen vor der Verbrennung immer eine Trennung von Fleisch und Blut vor, was die Lebensvernichtung verdeutlichte und für die Wirksamkeit des Opfers entscheidend war. Beim Kommunizieren am Leib und Blut Christi, der nun als geschlachtetes Lamm Gottes gedeutet wird, finden die den Tod symbolisierenden Elemente zusammen und schenken Leben: Anteil am neuen Leben des von den Toten erstandenen Christus.
„Brotbrechen“ wird somit in frühchristlicher Zeit zum treffenden Namen der ganzen Feier, was – im wahrsten Sinne des Wortes – nachvollziehbar ist.
Gut gemeint, aber voll daneben: Verdunkelung des Zeichens im Lauf der Geschichte
Je weniger die Gläubigen des Lateinischen mächtig waren und je mehr die Liturgie an den Klerus delegiert wurde, desto mehr bildete sich eine Schau- und Anbetungsfrömmigkeit heraus und desto weniger wurde mehr kommuniziert. Seit dem Spätmittelalter ging man so selten zur Kommunion, dass kirchenrechtlich vorgeschrieben werden musste, wenigstens einmal jährlich, nämlich an Ostern, hin zu gehen. Man kommunizierte meist geistig, d.h. sehend, betend die Heilsfrüchte der Messe erhoffend, während der Priester kommunizierte. Das änderte sich wesentlich erst Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Initiative Pius X., der die häufige Kommunion propagierte. Die Messe war de facto aber längst zur Priestermesse erstarrt und blieb es vorderhand: der Priester allein kommunizierte während der Messe, die er am Hochaltar zelebrierte. Dazu bedurfte es nur einer einzigen Hostie, die er in zwei Hälften brach, diese zu den Kommunionvorbereitungsgebeten wieder zusammenschob, kurz zeigte und sie dann konsumierte. Die Gläubigen, die die Messe „hörten“ oder dazu sangen oder beteten, kommunizierten außerhalb der Messe, vorher oder nachher, und zwar aus dem Tabernakel. Ihnen wurden aus einem Speisekelch kleine, weiße Hostien gereicht, die in einer früheren Messe konsekriert wurden.
Wiederherstellung der Zeichenhandlung durch die Liturgiereform - theoretisch zumindest
Die vom II. Vatikanischen Konzil lancierte Messbuchreform stellte dieses wichtige Zeichen wieder her. Die Kommunion möglichst unter beiden Gestalten, Brot und Wein, soll als Abschluss des Hochgebets und somit als Ziel und Höhepunkt der Danksagung und Anbetung die Einheit des Leibes Christi, der Kirche, ausdrücken.
Dabei soll – idealerweise – das eine Brot geteilt werden, was den Vorschriften des Messbuchs unmissverständlich zu entnehmen ist (s. Randspalte). Von „Laien-“, „Priester-„ und „Konzelebrationshostien“ zu reden, ist somit schlicht Unfug, und als Priester die einzige größere Hostie, gebrochen und wieder zusammengeschoben, selbst zu konsumieren, ist ein Wider-Sinn; einer, der wohl in der Kirchengeschichte während Jahrhunderten gepflegt wurde, was ihn deshalb freilich nicht weniger absurd erscheinen lässt.
Die Mütter und Väter, die zuhause das Brot vor dem Anschnitt mit dem Kreuz bezeichnen, haben diesen tiefen Sinn der Eucharistie trotz der mangelhaften Brotbrech-Praxis mancher Priester verstanden. Dass mehr und mehr gelegentliche oder gar regelmäßige Kirchgänger ein eucharistisches Wunder erleben und tiefer verstehen, dazu kann bereits ein bewussterer und sorgfältigerer Umgang mit den Zeichen verhelfen, die der Herr uns zu tun aufgetragen hat.
P. Peter Spichtig op, Liturgisches Institut der deutschsprachigen Schweiz, www.liturgie.ch
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Text: P. Peter Spichtig opIn: Pfarrbriefservice.de