Von Kindern lernen
oder: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind
Es gibt wohl nichts, was das Leben so verändert wie ein Kind. Plötzlich verantwortlich sein für so ein kleines Wesen – Tag und Nacht. Nicht mehr durchschlafen, nicht mehr ausschlafen, den eigenen Lebensrhythmus vom Rhythmus des Kindes bestimmen lassen...
Kinder fordern einen heraus. Sie kosten Kraft, Zeit und Geld. Da nimmt es nicht Wunder, dass in einer auf Unabhängigkeit eingerichteten Welt Kinder leicht als Klotz am Bein erscheinen. Mit Kindern muss man kleine Brötchen backen, sie halten einen im Klein-klein des Alltags gefangen. Großen Zielen stehen sie oft im Weg.
Wer also Großes und Bedeutendes vorhat, widmet seine Zeit nicht so gerne kleinen Kindern. Und so ist es sicher kein Zufall, dass bedeutende Frauen und Männer meist nicht als Väter und Mütter im Gedächtnis geblieben sind. Das gilt auch für die Großen der Religionsgeschichte. Buddha zum Beispiel verließ seine Frau und sein Kind, um zur wahren Erkenntnis zu gelangen. Und auch Jesus blieb ungebunden, um sich ganz für das Reich Gottes einsetzen zu können.
Umso erstaunlicher ist sein Verhalten gegenüber Kindern.
Vertrauen wie ein Kind
Als einmal Mütter ihre Kinder zu ihm bringen wollen, damit er sie segne, weisen die Jünger sie unfreundlich zurück: Was soll sich der Meister mit den Kindern abgeben? Er hat Wichtigeres zu tun. Aber Jesus stößt seine engsten Mitarbeiter vor den Kopf. „Lasst die Kinder zu mir kommen. Hindert sie nicht daran. Denn ihnen gehört das Reich Gottes. Ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.“ (MK10,13-16)
Jesus stellt die Rangordnung seiner Zeit auf den Kopf, wo Kinder nichts zählten, weil sie klein waren und noch nichts zum Leben beitragen konnten. Jesus jedoch sieht ihre besondere Begabung: ganz und gar zu vertrauen. Dieses kindliche Vertrauen, das sich zunächst auf die Eltern richtet, ist die Wurzel, aus der ein tiefes Gottvertrauen wachsen kann. Gott kann denen nahe sein, die offen für ihn sind: Das Reich Gottes annehmen wie ein Kind.
Damit kommt noch eine weitere Bedeutung dieses Bibelwortes zum Vorschein.
Sich von Gottes Liebe anstecken lassen
Ein Kind kann sich nur entfalten, wenn es angenommen wird, wenn ihm Menschen mit Fürsorge, Achtsamkeit, Wohlwollen und Liebe begegnen. Und das gilt auch für das Reich Gottes.
Fürsorge, Achtsamkeit, Wohlwollen und Liebe – diese elterlichen Haltungen lassen das Reich Gottes wachsen, machen unsere Welt durchlässig für Gottes Gegenwart. Wo also Menschen sich anstecken lassen von Gottes väterlicher und mütterlicher Liebe, da beginnt sein Reich unter den Menschen zu wachsen. Und ich denke, es wächst in vielen Familien, wo Kinder vertrauen lernen, wo sie erfahren: es ist gut, dass ich da bin. Dieses Saatkorn, das in vielen kleinen, alltäglichen Situationen gepflanzt wird, wird in ihnen aufgehen und wachsen. Und so können sie später als Erwachsene diese Liebe selbst weitergeben.
Dem Kind in sich Raum geben
Manchmal jedoch fühlen sich Eltern von dieser Aufgabe überfordert. Es gibt Grenzen der Kraft, der Geduld und des Verständnisses. Und es gibt Defizite, die man aus der eigenen Kindheit mitschleppt. In solchen Situationen ist das Wort Jesu auch eine Einladung, dem Kind in sich selbst Raum zu geben und Kind Gottes zu werden.
Jesus selbst hat uns ermutigt, zu Gott „Abba“ zu sagen. Das heißt übersetzt: Papa - ein kindliches Kosewort, in dem eine liebevolle Vertrautheit anklingt. Gott annehmen wie ein Kind dürfen wir auch als Erwachsene. Wir dürfen uns ausruhen in Gottes väterlicher und mütterlicher Liebe, und solche Atempausen sind notwendig, um Kraft zu schöpfen.
Wer mit Kindern lebt, wer für sie da ist, wer sein Herz für sie offen hat – egal ob es nun die eigenen sind oder andere - der baut mit am Reich Gottes. Deswegen hat Jesus sie nicht nur gesegnet, sondern uns ins Herz geschrieben, dass sie ein Segen sind.
Mechthild Alber, Referentin im Fachbereich Ehe und Familie, Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Morgenandacht vom 17.02.2011, Deutschlandfunk
Der Link zum Text: http://www.dradio-dw-kath.eu/beitrag.php?id=707
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Text: Mechthild AlberIn: Pfarrbriefservice.de