Vor der eigenen Türe kehren
Was hilft zu einem positiv-kreativen Umgang mit Fehlern?
„Irren ist menschlich“ – dieses Sprichwort gehört zum eisernen Wissen der Menschheit. Wir machen alle Fehler. Es gehört zu unserem Leben, weil wir Menschen sind: Wesen, in Entwicklung begriffen. Es wäre also eine Anmaßung, unfehlbar sein zu wollen. Entscheidend bleibt der Umgang mit diesen Fehlern und die Bedeutung, die wir ihnen beimessen.
Was kann uns hierbei helfen?
- Grundvoraussetzung für einen positiv-kreativen Umgang mit Fehlern ist die Tatsache, dass wir zuerst mit unseren eigenen Fehlern anfangen. Nur wenn wir sie bei uns selber sehen, können wir sie auch „erkennen“ und positiv-aufbauend mit ihnen umgehen. Zu seinen eigenen Fehlern zu stehen, das ist Anzeichen größter charakterlicher Reife.
- Jeder Fehler, jedes Scheitern ist zunächst eine Zäsur, die uns zur Bestandsaufnahme aufruft und gleichzeitig die Chance für einen Neubeginn bereithält. Fehler zu machen ist menschlich, Fehler zu wiederholen ist schmerzlich, dieselben Fehler immer wieder zu machen, wäre fatal, in den Fehlern zu verharren, unverzeihlich, weil sich dann daraus eine wahre Fehlerkette entwickeln kann.
- Fehler machen ist kein Zeichen von Dummheit, es ist ein Teil unseres menschlichen Handelns. „Wer keine Fehler macht, macht wahrscheinlich auch sonst nichts“, sagt ein Sprichwort.
- In der Psychologie des Lernens kennen wir ein zentrales Prinzip unserer Lernfähigkeit, nämlich Versuch und Irrtum. Man probiert solange alle möglichen Lösungsmöglichkeiten aus, bis das gewünschte Resultat erreicht wird. Man nimmt dabei ganz bewusst die Möglichkeit von Fehlschlägen in Kauf. Man probiert es einfach aus, um schrittweise weiter zu kommen. Fehler vergrößern hierbei den Erkenntnisgewinn.
- Scheitern ist hier also nicht das Ende, sondern der Motor des Erfolgs. Wir brauchen Niederlagen, um kontinuierlich sich aufdrängende Täuschungen aufzulösen. Die Enttäuschung, die sich nach dem Scheitern einstellt, ist nichts anderes als das Ende einer Täuschung und macht die Wahrheit sichtbar, um die wir uns meist lange davor betrogen haben. Scheitern ist so die Bestätigung einer Fehlhandlung und zugleich eine notwendige Veränderungsmotivation.
- Es gehört also zum psychologischen Immunsystem, Pannen aufzudecken und Fehler offen anzusprechen. Eine nur zu Schuldgefühlen neigende Selbstzerfleischung in solchen Situationen wäre falsch und auf die Dauer schädlich.
- Dennoch ist ein Scheitern meist sehr schmerzhaft und kostet viel Kraft. Unnötige Fehler sollten wir demnach unbedingt vermeiden, die auch dadurch verursacht sein können, dass wir uns überschätzen, die Messlatte ständig zu hoch anlegen und falsche, unrealistische Ziele verfolgen.
- Ein gesunder Humor, richtig eingesetzt, kann negative Erfahrungen neu interpretieren und helfen, uns mit Fehlern auszusöhnen. Wer herzhaft über eigene Fehler lachen kann, der bremst damit auch die Schadenfreude der anderen.
- Ein ehrliches Bemühen, den mit meinem Fehler Geschädigten um Verzeihung zu bitten und ihm, wenn möglich, Wiedergutmachung anzubieten, stärkt mich. Das ist für mein Selbstwertgefühl nützlicher als ein zu schnelles und zerknirschtes „Das verzeih‘ ich mir nie!“. Stattdessen sollten wir uns häufiger die Frage stellen: Warum ist mir der Fehler passiert? Was kann ich in Zukunft anders tun?
- Wir sollten unsere Fehler ernst nehmen, aber nicht ständig darüber nachgrübeln. Es gehört auch zu einer guten Fehlerkultur, eine Liste zu machen mit all den Dingen, die uns gut gelingen.
Wenn wir dann über die Fehler eines anderen „richten“ wollen, dann täte uns der Rat eines Indianerhäuptlings gut: vorher drei Monate lang in dessen Mokassins zu gehen. Das könnte dabei helfen, uns zuerst einmal um „den Balken im eigenen Auge“ zu kümmern, bevor wir auf den „Splitter im Auge des anderen“ verweisen (vgl. Matth 7, 3-5). Wer sich danach „ohne Fehler fühlt, der werfe den ersten Stein!“ (vgl. Joh 8,7)
Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und TheologeIn: Pfarrbriefservice.de