Was Männer von der Kirche fernhält
[...] Die Männer sehen ihr Leben von einem grundlegenden Rhythmus gekennzeichnet, dem Pendelschritt zwischen „Welt“ und „Gegenwelt(en)“, zwischen fremd- und selbstbestimmten Zeiten und Orten. Gegenwelten werden von Männern aufgesucht, um in der Alltagswelt der beruflichen Belastungen, der wahrgenommenen Fremdbestimmungen und des „Lebenskampfes“ Entlastung, neue Lebenskraft und Lebenssinn zu finden.
Kirche als unfrei machende Welt
Für die Frage, wie in der Pastoral überhaupt ein gelingender Kontakt zu kirchenfernen Männern entstehen kann, ist dieser Befund von besonderer Relevanz. Solange Kirche von den Männern als Teil der sie fremdbestimmenden und unfrei machenden „Welt“ wahrgenommen wird, steht eine Kontaktaufnahme schon im Ansatz vor dem Scheitern. Die Herausforderung für die Kirche liegt darin, eine auch sozial wirksame, offene Gegenwelt zu den gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen zu bilden, die die Männer mit Skepsis und mit dem Gefühl der Fremdbestimmung beobachten, in denen sie aber zu leben und zu überleben genötigt sind. Das biblische Wort aus Matthäus 20,26 „Bei euch aber soll es nicht so sein“ gewinnt vor diesem Hintergrund durchaus eine neue Dringlichkeit und Brisanz.
Kirche als „Gegenwelt“
Wie kann Kirche in diesem Sinne als „Gegenwelt“ für Männer erfahrbar werden und darin evangelisierend wirken? Die in den Interviews wiederholt erzählten positiven Erinnerungen an einzelne charismatische Pfarrer, Religionslehrer etc. zeigen eine wichtige Spur auf: Ganz entscheidend kommt es darauf an, dass die Männer auf kirchliche Vertreter treffen, die kompetent und überzeugend für die Glaubwürdigkeit der Kirche in diesem Punkt stehen.
Aus der Sicht der Männerseelsorge und kirchlichen Männerarbeit ist ein weiteres anzuführen: Wir brauchen in unseren kirchlichen Kontexten mehr denn je geöffnete Zeiten und Räume, die „kleine Gegenwelten“ für Männer erlebbar und erfahrbar machen - Gott im Leben der Männer.
Ein letzter, ein theologisch brisanter Punkt, weil er den Kern kirchlichen Redens und Handelns berührt und herausfordert. „Die Vorstellung eines Gottes, der in das individuelle Leben schützend und führend eingreift, wird im ganzen Materialpool von Interviews nur von zwei Personen vertreten“. Die „Kirchenferne“ der befragten Männer zeigt sich in diesen dürren Worten in ihrem Kern als eine „Gottesferne“. Im Leben dieser Männer spielt der Gott der biblisch-christlichen Tradition keine Rolle mehr. Dies heißt nicht, dass die Existenz Gottes bestritten wird. In der Überzeugung der Befragten existiert Gott (vielleicht), mit ihrem konkreten Leben freilich hat er nichts mehr zu tun.
Die sperrige Distanz, die sich im Interviewmaterial zu unseren gewohnten kirchlichen Denk- und Glaubensmustern zeigt und schon oben beim Thema „Schöpfung“ zu beobachten war, wird an dieser Stelle wohl am deutlichsten und sicher auch am schmerzhaftesten sichtbar. Dass die Menschen von Gott geliebt und in sein Reich berufen sind, dass Gott das Heil aller Menschen will – diese und andere zentrale christlichen Aussagen, die davon sprechen, dass Gott sich in Jesus Christus den Menschen zuwendet, bleiben für die Lebens- und Sinnorientierungen der interviewten Männer ohne erkennbare Bedeutung.
Spirituelle Räume eröffnen, die zeigen, Gott ist da
Die Studie „Was Männern Sinn gibt“ macht so exemplarisch sichtbar, worum es der Männerpastoral in ihrem missionarischen Auftrag zunächst gehen muss: nämlich (kirchenfernen) Männern spirituelle Räume zu eröffnen, in denen sie mit allen Sinnen (wieder) erfahren können, dass Gott ihnen in ihrem Leben nahe ist.
Andreas Ruffing
aus: Männer und ihre Spiritualität. Auswertungsbericht zur Studie „Was Männern Sinn gibt“, 2005. Kirchliche Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen, http://kath-maennerarbeit.de, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Andreas RuffingIn: Pfarrbriefservice.de