Weder „zu viel“ noch „zu wenig“

Wie wir Fehler vermeiden können

Es gehört zu unserer menschlichen Grundüberzeugung, dass wir alles Wertvolle im Leben durch ein „zu viel“ oder ein „zu wenig“ zerstören können. Unser Leben muss immer zwischen zwei Gegensätzen eine Mitte suchen und finden, einen Ausgleich. Finden wir dieses Gleichgewicht nicht, machen wir Fehler und scheitern. Es ist wie ein komplizierter Balanceakt auf einem Hochseil, verbunden mit Haltungsschäden und der Gefahr „abzustürzen“. Nur in einer fortwährenden, achtsamen Balance können wir viele Fehler vermeiden. 

Immer wieder entstehen entweder durch ein „zu wenig“ oder ein „zu viel“ Fehlerquellen, etwa bei den Gegensätzen von: 

  • Ich und Du 
    Wenn wir den berühmten biblischen Gleichgewichtsgrundsatz: „Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst!“ nicht beachten, können wir viele Fehler machen. Die einen werden lieblose Egozentriker, die anderen achten und beachten sich selbst zu wenig.
  • Harmonie und Streit 
    Harmonie kann so trügerisch sein, wenn Probleme monate-, ja jahrelang „unter der Decke gehalten werden. Auch wenn wir dann endlich streiten, kann das ausarten in Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten und großen emotionalen Verletzungen. Wieviel Harmonie, wieviel Streit tut gut? Oft eine schwierige Frage und eine häufige Fehlerquelle. Ein faires Streiten um der Harmonie willen hilft hier immer.
  • Reden und Schweigen 
    Es ist immer eine deprimierende Situation, wenn Menschen das Gefühl haben, an ihren eigenen Worten zu ersticken, weil ihnen niemand zuhört. Auf der anderen Seite täte uns manchmal eine Redepause gut, eine Stille, in der wir über das Gehörte in Ruhe nachdenken. Stattdessen reden wir oft einfach weiter, bis wir alles zerredet haben.
  • Vertrauen und Misstrauen
    Verliert das Vertrauen, läuft jegliche Kommunikation aus dem Ruder. Anstelle der Wahrheit kommt die Lüge, anstelle des Glaubens entwickelt sich der ablehnende Zweifel. Blindes Vertrauen dagegen, das ein sich deutlich meldendes ungutes „Bauchgefühl“ einfach überhört, kann der Anfang vom Ende sein. 
  • Anspannung und Entspannung 
    So wie unsere Hände die Möglichkeit haben, etwas fest zu halten und wieder los zu lassen, so kennt auch unsere Seele die Fähigkeit, festzuhalten, zum Beispiel an Überzeugungen, an einem gegebenen Wort oder einer versprochenen Treue. Lässt sie hier zu viel los, entstehen Fehler, wie Wankelmut, Wortbruch oder Treuebruch. Dort, wo wir das Gegenteil üben müssten, also das Loslassen, und sich die Seele stattdessen verkrampft, können sich Stress, Überarbeitung, aber auch ein gefährliches Festhalten, ein sogenannter „Kadavergehorsam“ entwickeln.
  • Gewalt und Gewaltlosigkeit
    Wir sollen „Schwerter zu Pflugscharen umschmieden“, sagt die Bibel (Micha 4,1–5). Wir sollen also friedlich, empathisch und konstruktiv miteinander umgehen. Wir sollen aber auch „aus Pflugscharen wieder Schwerter schmieden“, sagt ebenfalls die Bibel (Joel 4,10). Wir sollen also stark und wehrhaft bleiben. Stattdessen schauen wir dem Unrecht oft feige, mut- und tatenlos zu, schauen weg, wenn Unschuldige leiden und unsere wehrhafte Hilfe bräuchten. 

Es gibt noch viele andere dieser „Gegensätze“, die aber erst in der Balance, im Gleichgewicht zueinander ein gelungenes und lebenswertes Leben garantieren und Fehler vermeiden helfen. Der heilige Augustinus kannte wohl diese schwierige Balance mit all ihren Gefahren, wenn er meint: „Unruhig ist mein Herz, oh Herr, bis es ruhet in Dir.“

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für März/April 2024

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,02 MB

Sie dürfen den Text in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de