„Wenn die Anziehung da ist, spricht für mich nichts dagegen eine Freundschaft auf so eine Ebene so heben“

Ein Interview mit einer 23-Jährigen, die in einer FreundschaftPlus lebt

„Freundschaft Plus“ hieß der Film mit Natalie Portman und Ashton Kutcher, der bereits 2011 veröffentlicht wurde. „Friends with benefits“ der Film mit Justin Timberlake und Mila Kunis, der im gleichen Jahr erschien. In beiden Filmen entscheiden sich die Hauptprotagonisten für eine FreundschaftPlus (F+). Sind Freunde, haben aber auch Sex. Ist das nicht eine Beziehung?

Interviewpartnerin anonym: Nein, bei einer F+ reicht es meistens nicht für eine Beziehung. Du hast Sympathien füreinander. Du findest einander gut und attraktiv, aber es sind mehr Gefühle von Verbundenheit, Sympathie und Anziehung. Es sind keine Liebesgefühle. Ich schwärme nicht für denjenigen und ich möchte nicht mit ihm in einer Beziehung sein. 

Freundschaftliche Gefühle haben, sich anziehend finden, miteinander schlafen. Da ist es vorprogrammiert, sich zu verlieben. 

Ich kann mein körperliches Bedürfnis ganz gut von meinen Gefühlen trennen. Aber, es muss vorher geklärt werden. Die Intention muss von beiden Personen die gleiche sein. Wenn beide von vornherein sagen, sie können sich keine Beziehung miteinander vorstellen, ist es klar. 

Hast du das Gefühl ausgenutzt zu werden?

Wenn diese Verbundenheit nicht da ist, läufst du schneller der Gefahr, dass du es so interpretierst. Wenn es zum Beispiel eine reine Sexbeziehung ist, bei der alles auf das Körperliche reduziert ist, kannst du denken, dass du nur dafür dienst, dass jemand anderes befriedigt wird. Auf der anderen Seite kannst du es genauso auslegen, dass der andere dazu dient, dass du befriedigt wirst. Aber bei einer F+ ist es anders. 

Was reizt dich daran?

Du hast alle Vorzüge von einer Beziehung, aber ohne die Verpflichtung. Du musst dich nicht mit den Problemen deines Partners auseinandersetzen. Du musst dich nicht streiten. Du kannst dem anderen aus dem Weg gehen, wenn du merkst, da ist komische Luft oder du bist selbst nicht gut drauf. Man hat gemeinsam immer eine gute Zeit. 

Spaß ohne Verpflichtung. 

Genau, ich glaube, in jungen Jahren wollen viele nicht die Verpflichtungen einer Beziehung. Sie wollen Spaß und sich individuell ausleben. Bei einer F+ ist der andere nicht für dich verantwortlich. Du kannst bei ihm auch nicht deinen Ballast abladen. Wenn du gerade für dich persönlich eine schlechte Zeit hast, hat das meistens keinen Platz in einer F+.

Gefährlich, wenn keiner mehr für den anderen Verantwortung übernehmen will.

Du kannst trotzdem gute Freunde haben oder die Familie, zu denen du jederzeit mit deinen Problemen kommen kannst und die für dich da sind. Eine F+ ist on top zu Familie und Freunden. Der F+-Partner ist für die guten Zeiten verantwortlich. 

Laut einer Umfrage von statista von 2021 hatten bereits fast zwei Drittel der Deutschen eine sexuelle Beziehung zu einem guten Freund oder einer guten Freundin. Warum ist F+ so en vogue? Sind die Menschen beziehungsunfähig? Gehen sie den bequemsten Weg? Verwirklichen sie sich selbst? 

Ich glaube, es hängt mit allem zusammen. Zum einen liegt es an diesem Individualitätsdenken. Ich schaue erst einmal, wo ich selber bleibe. 

Oder an der Angst. 

Vielleicht ist es die Angst davor Verantwortung zu übernehmen. Ich glaube dieses romantische Bild der Liebe, das es in der Gesellschaft gibt, macht vielen Angst. Sie schrecken vor einer langen Beziehung zurück, die bis in alle Ewigkeit dauert, bis dass der Tod sie scheidet. Weil sie viel zu oft negative Beispiele hatten. Viele sind in getrennten Verhältnissen aufgewachsen. Sie sagen sich: Wenn es meine Eltern nicht schaffen, wie soll ich es dann schaffen? 

Oder es ist die „fear of missing out“. Die Angst etwas zu verpassen. Sich deswegen nicht festlegen zu wollen, sich alle Optionen offen halten zu wollen.

Das passt in unsere Zeit, dass du unbeschränkte Möglichkeiten hast. Egal, ob das die Berufswahl oder die Partnerwahl ist. Das macht es einem zusätzlich schwer. Dieses "Es-könnte-noch-was-Besseres-kommen". Sich vollends auf einen Menschen einlassen, eine absolut feste Bindung eingehen, sich diesem einen Menschen verschreiben – das scheuen viele. Weil sie sich dadurch die Möglichkeit nehmen, vielleicht mit jemand anderem noch besser zusammen zu passen. Aber Probleme wird es immer geben, in jeder Beziehung. Da kann es noch so gut passen. 

Du bist ein Familienmensch, wünschst dir einen Partner, eine stabile Beziehung, Kinder, eine eigene Familie, die Ehe. Trotzdem lebst du aktuell eine F+.  

Wenn die Anziehung da ist, spricht für mich nichts dagegen eine Freundschaft auf so eine Ebene so heben und eine gute Zeit miteinander zu haben. In manchen Lebensphasen fühlen sich manche Modelle besser oder schlechter an oder passen besser oder schlechter zu einem. Ich finde es wichtig, dass man auf sich selber und auf seine Bedürfnisse hört und sie so annimmt wie sie sind und immer nach seinem Bauchgefühl handelt.

Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Ronja Goj
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