Wenn Geschwister sterben
Was Jugendlichen helfen kann, mit der Trauer zu leben
"Ich war ein ganz normaler Teenager. Ich hatte meine Freunde und Schulaktivitäten. Meine Familie war einfach meine Familie. Dann passierte das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Meine Schwester starb." Jennifer, 17 Jahre
Wie kannst du in einer Welt, in der plötzlich nichts mehr stimmt, das Gleichgewicht behalten? Wie kannst du mit etwas klarkommen, was sowohl für dich als auch für nahe stehende Erwachsene so zerschmetternd ist?
Vielleicht hast du die gleichen, oder nur ganz wenige der Emotionen, die andere Familienmitglieder zeigen.
Bitte bedenke:
- Dein Kummer ist deiner. Du musst damit leben, nicht die anderen!
- Dein Kummer ist einzigartig, da auch deine Beziehung zur Schwester oder zum Bruder besonders war.
- Deine Art zu trauern ist ebenso wichtig, ganz gleich, wie du sie zeigst, solange du niemandem schadest. Weder dir, noch anderen.
- Erinnere dich, dass es auch vor dieser traurigen Erfahrung Zeiten gegeben hat, in denen du dich ängstlich, überdreht oder deprimiert fühltest, wo du nervös warst oder dir wegen bestimmter Situationen Sorgen gemacht hast. Trauern kann diesen Zeiten ähnlich sein, nur dass es länger dauern kann, das Gefühl von Verlust oder Verletzung zu verarbeiten.
Es könnte sein, dass du folgendes erlebst:
- Schlafstörungen
- Müdigkeit oder Ratlosigkeit
- Ärger auf dich, andere Leute, Gott, oder sogar auf denjenigen, der gestorben ist
- Angst um deine eigene Sicherheit, aber auch um die derjenigen, die dir nahe stehen
- Das Gefühl, von deinen Eltern abgelehnt zu werden, die jetzt abgelenkt, reizbar oder unaufmerksam sind
- Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme
- Stimmungswechsel wegen dem, was du oder was du nicht für deinen Bruder oder deine Schwester getan hast
- Schuldgefühle, weil du Spaß hast, oder weil du überlebt hast
Diese Gefühle, die oben aufgeführt wurden, können zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten, vielleicht sogar lange nach dem Tod des Bruders oder der Schwester. Es kann beängstigend wirken, über solche Dinge nachzudenken. Andere junge Leute, die wie du auch einen Bruder oder eine Schwester verloren haben, haben mit genau den gleichen Gefühlen zu kämpfen wie du. Sie haben überlebt, also kannst du es auch schaffen.
Es ist schwierig, über Gefühle zu sprechen, besonders mit Eltern. Wenn du Angst hast, deinen Eltern noch mehr Sorgen zuzufügen, und du das Gefühl hast, dass deine Freunde dich nicht verstehen, suche dir einen anderen einfühlsamen Zuhörer (Verwandte, Lehrer, Pfarrer oder andere Kinder, die Geschwister verloren haben). Es wird dich wundern, wie sehr diese dir helfen können, diese schwierige Zeit zu überstehen.
Du bist mit einer Situation konfrontiert worden, auf die du überhaupt nicht vorbereitet worden bist. Zu einem Zeitpunkt im Leben, wo schon alleine das Erwachsenwerden ein Kampf ist, kann es sein, dass du dich durch diese Erfahrung wieder wie ein kleines Kind fühlst. Schäme dich deswegen nicht! Auch Erwachsene brauchen eine Umarmung und wollen umsorgt werden, wenn es ihnen schlecht geht.
Es kann dir manchmal so vorkommen, als ob du den leeren Platz in der Familie ersetzen müsstest. Du musst nicht genauso wie dein Bruder oder deine Schwester sein - wir sind alle einzigartig. Wir alle haben Stärken und Schwächen. Du hast deine ganz eigenen - und das ist gut so!
Es ist in Ordnung...
zu weinen und sich deprimiert zu fühlen. Du hast etwas Wichtiges verloren. Wenn die Gefühle dir zu viel Angst machen oder zu überwältigend sind, suche dir einen Freund (egal welchen Alters) mit dem du reden kannst.
Es ist in Ordnung....
dass du einige Angewohnheiten und Interessen deines Bruders oder deiner Schwester nachmachst, aber sei auch du selbst.
Es ist in Ordnung...
eine Weile in der Vergangenheit zu leben. Dies ist eine Möglichkeit, die Erinnerung an den Bruder oder die Schwester am Leben zu halten. Allerdings hast du auch ein Leben - und zwar eines, was ausgiebig gelebt werden will.
Es ist in Ordnung...
Spaß zu haben und das Leben zu genießen, wieder zu lachen. Dies zu können ist ein Geschenk! Nimm es dankbar an!
Es ist in Ordnung...
dir selbst zu vergeben für Streit und gemeine Dinge, die du deinem Bruder oder deiner Schwester gesagt oder getan hast.
Es ist in Ordnung…
weiter zu leben!
Aber es ist nicht in Ordnung, den Schmerz zu lindern...
- indem du Drogen oder Alkohol nimmst. Auf diese Weise wird es noch länger dauern, den Schmerz zu akzeptieren. Drogen können den Schmerz überdecken, aber nicht heilen.
- indem du deine Frustration durch rücksichtsloses Fahren oder durch Schuleschwänzen abreagierst.
- wenn du Dinge aus Ärger machst, um andere zu verletzen, weil du dich selbst so verletzt fühlst.
- indem du mit Sex experimentierst, nur um jemandem nahe zu sein.
- indem du deine Eltern beschützt und ihnen nicht sagst, was dir Sorgen macht.
- indem du der Sündenbock oder der harte Typ bist, damit du stärker erscheinst.
- indem du Dinge vernachlässigst, die dir einmal so viel bedeutet haben.
Es ist sehr schwierig, aber gib nicht auf, vor allem nicht so schnell. Versuche dein Leben so ruhig wie möglich, ohne drastische Veränderungen zu halten. Trauern verbraucht eine Menge Kraft.
Konzentriere dich darauf, die emotionale und körperliche Belastung des Trauerns durchzuhalten - dich von deinem Bruder oder deiner Schwester zu verabschieden. Andere junge Leute haben es hilfreich gefunden, ihre Gefühle durch das Schreiben eines Tagebuches, durch Gebete, Gedichte, Tanz, Sport, Musik und Kunst auszudrücken.
Teile, wenn du kannst, Deine Trauererfahrungen auch mit anderen trauernden Geschwistern. Deren Geschichten, wie sie es überstanden haben, können dir Anregungen und auch Hoffnung für deine eigene Zukunft geben.
Du und deine Familie habt Euch durch all die Traurigkeit, die ihr erlebt habt, verändert. Die Spannung, die ihr empfindet, ist normal und wird mit der Zeit weniger. Jedes Familienmitglied braucht seine eigene Zeit und hat seine eigene Art, wie es seine Gefühle verarbeitet. Habt Geduld füreinander und für diese ganz individuellen Bedürfnisse.
Sowohl Tragödien als auch Erfolge, denen man jeden Tag gegenübersteht, können einen für den nächsten Tag stärken. Versuche es zu schaffen, dass die Verbindung, die du mit deinem Bruder oder deiner Schwester hattest, eine positive Wirkung auf deine Zukunft hat. Es darf sein!
© The Compassionate Friends (TCF) USA-used by permission
© Bundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland e.V., Eva Knöll für die deutsche Übersetzung und Überarbeitung; Text leicht gekürzt; Originalfassung unter www.veid.de, der Homepage des Bundesverbandes Verwaiste Eltern in Deutschland
Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,04 MB
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Text: www.veid.deIn: Pfarrbriefservice.de